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52. Urteil vom 29. November 1988 i.S. O. gegen Artisana Kranken- und Unfallversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft | |
Regeste |
Art. 12bis Abs. 1 KUVG. | |
Sachverhalt | |
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Mit Krankmeldung vom 6. Juli 1984 erhob Antonio O. erneut Anspruch auf Auszahlung von Krankengeld. Die Kasse lehnte das Begehren mit Verfügung vom 19. November 1984 ab.
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B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 8. Januar 1986 ab, wobei die Begründung im wesentlichen dahin lautete, dass Antonio O. zwar den Beruf eines Bauhandlangers aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne, doch für eine körperlich leichte Berufstätigkeit vollständig arbeitsfähig sei; ein Krankengeldanspruch sei deshalb nicht ausgewiesen.
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C.- Antonio O. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, die Kasse sei zu verpflichten, ihm für die Zeit ab 6. Juli 1984 Krankengeld auszurichten.
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Die Kasse und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Das Gesetz verpflichtet die Krankenkassen lediglich, bei vollständiger, nicht auch bei bloss teilweiser Arbeitsunfähigkeit ein Krankengeld zu gewähren. Der Versicherte kann daher aus Art. 12bis Abs. 1 KUVG keinen Anspruch auf Ausrichtung eines Krankengeldes bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit ableiten (BGE 101 V 144, BGE 97 V 129; RSKV 1983 Nr. 533 S. 113). Die Kassen können jedoch in ihren Statuten vorsehen, dass ein Anspruch auf Krankengeld auch bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit besteht.
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c) Als arbeitsunfähig im Sinne von Art. 12bis Abs. 1 KUVG gilt eine Person, die infolge eines Gesundheitsschadens ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr, nur noch beschränkt oder nur unter der Gefahr, ihren Gesundheitszustand zu verschlimmern, ausüben kann (BGE 111 V 239 Erw. 1b; RSKV 1983 Nr. 553 S. 241 Erw. 1; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 286 ff.). Der Grad der Arbeitsunfähigkeit wird laut Rechtsprechung nach dem Masse bestimmt, in welchem der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen an seinem angestammten Arbeitsplatz zumutbarerweise nicht mehr nutzbringend tätig sein kann. Nicht massgebend ist dagegen die bloss medizinisch-theoretische Schätzung der Arbeitsunfähigkeit (BGE 111 V 239 Erw. 1b; RSKV 1983 Nr. 553 S. 241 Erw. 1, 1982 Nr. 482 S. 74, 1980 Nr. 426 S. 232).
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d) Nach der Rechtsprechung ist der Grad der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs festzusetzen, solange vom Versicherten vernünftigerweise nicht verlangt werden kann, seine restliche Arbeitsfähigkeit in einem andern Berufszweig zu verwerten. Der Versicherte, welcher seine restliche Arbeitsfähigkeit nicht verwertet, obgleich er hiezu unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage und gegebenenfalls einer bestimmten Anpassungszeit in der Lage wäre, ist nach der beruflichen Tätigkeit zu beurteilen, die er bei gutem Willen ausüben könnte; das Fehlen des guten Willens ist nur dort entschuldbar, wo es auf einer Krankheit beruht (BGE 111 V 239 Erw. 2a, 101 V 145 Erw. 2b; EVGE 1969 S. 128 Erw. 2c; RKUV 1987 Nr. K 720 S. 106 Erw. 2).
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2. a) Es steht fest, dass dem Beschwerdeführer die bisherige Arbeit als Bauhandlanger aus gesundheitlichen Gründen (Rücken- und Bauchleiden) für dauernd nicht mehr zugemutet werden kann. Ebenso darf aufgrund des Gutachtens Dr. med. F., Spezialarzt FMH für innere Medizin, vom 19. August 1983 als gesichert betrachtet werden, dass dem Beschwerdeführer ab 27. April 1983 in somatischer Hinsicht eine körperlich leichtere Arbeit noch in wesentlichem Umfange möglich ist. Für den psychischen Bereich diagnostizierte der Psychiater Dr. med. W. in seinem Gutachten vom 6. März 1984 eine depressiv-hypochondrische Entwicklung auf der Grundlage einer vorbestehenden Psychoneurose und bescheinigte im weiteren, dass dem Beschwerdeführer beim vorliegenden ![]() | 11 |
b) Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen sind unbehelflich. Dr. W. hat das Bestehen der Arbeitsfähigkeit nicht primär unter therapeutischen Gesichtspunkten (Lösung der neurotischen Fixierung durch Leistungsverweigerung) bejaht. Dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Behandlung im Bädersanatorium B. (Sommer 1984) seine hypochondrischen Tendenzen stärker als früher zum Ausdruck brachte, rechtfertigt nicht den Schluss, das psychische Leiden habe sich seit der Begutachtung durch Dr. W. wesentlich verschlechtert. Ferner hat der Rheumatologe Dr. med. T. in seinem Bericht vom 20. Oktober 1984 (somatisch bedingte) vollständige Arbeitsunfähigkeit nur mit Bezug auf den angestammten Beruf als Maurer attestiert. Die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers für eine körperlich leichte Beschäftigung hat auch er - zumindest implizite - bejaht. Wohl hat er ernsthaft bezweifelt, ob der Beschwerdeführer je wieder ins Erwerbsleben zurückkehren würde. Mögen derartige Zweifel durchaus berechtigt erscheinen, so bleibt es doch bei der hier entscheidenden Tatsache, dass vom Beschwerdeführer aufgrund des vorliegenden psychiatrischen Gutachtens ohne Überforderung verlangt werden kann, den inneren Widerstand gegen die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit zu überwinden.
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Der medizinische Sachverhalt ist mit den vorliegenden Akten hinreichend geklärt, so dass von der vom Beschwerdeführer verlangten weiteren psychiatrischen Begutachtung abzusehen ist. Ebensowenig ist die beantragte Parteiverhandlung notwendig, damit das Gericht einen unmittelbaren Eindruck von der schwächlichen körperlichen Konstitution des Beschwerdeführers gewinnen könne.
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c) Aus dem Gesagten folgt, dass der Beschwerdeführer für körperlich leichte Tätigkeit arbeitsfähig und ihm eine entsprechende berufliche Neueingliederung in gesundheitlicher Hinsicht möglich und zumutbar ist. Die Vorinstanz ist ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass diese Tatsache einen Krankengeldanspruch des Beschwerdeführers ohne weiteres ausschliesse. Die Kasse hat im wesentlichen darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer im Bereiche einer ihm zumutbaren neuen Berufstätigkeit vollständig arbeitsfähig sei, weshalb die reglementarische Anspruchsvoraussetzung vollständiger oder mindestens hälftiger Arbeitsunfähigkeit fehle. Der Einfluss eines im Rahmen zumutbarer Selbsteingliederung vorgenommenen Berufswechsels auf den ![]() | 14 |
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b) Übersteigt das versicherte Krankengeld erwerbstätiger Kassenmitglieder das gesetzliche oder statutarische Minimum, so bezweckt die Krankengeldversicherung in der Regel, dem Versicherten ganz oder teilweise Ersatz für den Erwerbsausfall zu bieten, der infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf entsteht; der Versicherte will für solche Einbussen ganz oder teilweise gedeckt sein, und dafür bietet die Kasse gegen angemessene Prämie Versicherungsschutz (BGE 105 V 195 Erw. 1; RKUV 1986 Nr. K 688 S. 367 Erw. 2b; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. II, S. 330; GREBER, Droit suisse de la sécurité sociale, S. 409; BONER/HOLZHERR, Die Krankenversicherung, Bern 1969, S. 52). Schaden bedeutet hier somit krankheitsbedingten Erwerbsausfall.
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c) Ein Versicherter kann zu einer Schadenminderung grundsätzlich nur so weit verhalten werden, als sie sich in der Weise auf die Leistungen auswirken kann, dass dadurch ein laufender Anspruch ganz oder teilweise untergeht bzw. ein möglicher Anspruch entweder nicht entsteht oder herabgesetzt wird. Eine (mögliche) Verminderung des krankheitsbedingten Erwerbsausfalls durch berufliche Selbsteingliederung muss demnach geeignet sein, Bestand oder Umfang eines laufenden oder möglichen Krankengeldanspruchs zu beeinflussen. Im Falle des Beschwerdeführers ist daher zu prüfen, ob durch zumutbare Verwertung der Restarbeitsfähigkeit der massgebende Schaden so weit vermindert werden könnte, dass ein Krankengeldanspruch für die Zeit ab 6. Juli 1984 entfällt.
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d) Das bedeutet in der praktischen Anwendung, dass jede wirtschaftlich verwertbare Restarbeitsfähigkeit (BGE 101 V 145 Erw. 2b; RSKV 1982 Nr. 483 S. 81 Erw. 1, 1979 Nr. 386 S. 251, 1978 Nr. 333 S. 174 Erw. 2c und Nr. 342 S. 226 Erw. 1) und damit jeder zumutbare Berufswechsel, der einkommensmässig bedeutsam ist, regelmässig einen Anspruch auf das volle versicherte Krankengeld ausschliesst. Gewährt indes eine Kasse statutarisch bei mindestens hälftiger Arbeitsunfähigkeit ein entsprechend herabgesetztes Krankengeld, so hat sie diese Leistung auszurichten, wenn der Versicherte mit der neuen Tätigkeit nicht mehr als die Hälfte des Verdienstes erzielt, der ohne gesundheitliche Beeinträchtigung im angestammten Berufe möglich wäre. Übersteigt jedoch der neue Verdienst die Hälfte des im bisherigen Beruf entgehenden Verdienstes, so entfällt ein Krankengeldanspruch. Kommt der Versicherte seiner Schadenminderungspflicht nicht nach, so hat er sich anrechnen zu lassen, was er zumutbarerweise verdienen könnte.
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4. a) Diese Lösung beruht auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit (Art. 3 Abs. 3 KUVG), welcher besagt, dass zwischen Beiträgen einerseits und den Versicherungsleistungen anderseits ein Gleichgewicht bestehen muss und dass allen Kassenmitgliedern unter den gleichen Voraussetzungen die gleichen Vorteile zu gewähren sind (BGE 113 V 298 Erw. 2 mit Hinweisen). Der Standpunkt der Kasse, wonach der Krankengeldanspruch vom Grad der Arbeitsfähigkeit bzw. der funktionellen Leistungseinbusse im neuen Beruf abhängig gemacht wird, ist mit diesem Grundsatz nicht vereinbar. Es wäre bei statutarisch möglichem Teilkrankengeld offensichtlich unhaltbar, wenn ein Versicherter, der zwar in einer neuen beruflichen Tätigkeit trotz seines Gesundheitsschadens voll arbeitsfähig ist, jeglichen Leistungsanspruch verlöre, obwohl der verbleibende krankheitsbedingte Erwerbsausfall mindestens oder mehr als die Hälfte des früheren Verdienstes ausmachen würde und die Kasse zur Deckung eines solchen Schadens während der maximalen gesetzlichen oder statutarischen Bezugsberechtigungsperiode Prämien entgegengenommen hatte (siehe dazu auch DUC, Statut des invalides dans l'assurance-maladie d'une indemnité journalière, SZS 1987, S. 183). Ebenso fragwürdig wäre, wenn gleichzeitig ein anderer Versicherter mit dem gleichen ![]() | 20 |
b) Diese Konzeption weist Bezüge zur Invaliditätsbemessung gemäss Art. 28 Abs. 2 IVG auf. In diesem Zusammenhang hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt erklärt, dass Arbeitsunfähigkeit im Sinne des KUVG nicht der rentenrechtlichen Invalidität nach Art. 28 Abs. 2 IVG entspreche, welche durch einen Vergleich zwischen dem Valideneinkommen einerseits und dem Invalideneinkommen anderseits bemessen wird (RKUV 1986 Nr. K 696 S. 427 Erw. 2b; RSKV 1979 Nr. 364 S. 83 und 1977 Nr. 301 S. 188; siehe auch BGE 104 V 136 Erw. 2). Diese Rechtsprechung wird indes durch die oben gewählte Lösung nicht durchbrochen. Die hiebei vorzunehmenden Einkommensvergleiche bedeuten nicht, dass nunmehr die Erwerbsunfähigkeit der leistungsbegründende Faktor ist und der Anspruch nicht mehr von der Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf abhängt. Wenn und solange ausgewiesen ist, dass ein Versicherter in seinem bisherigen Beruf in rechtserheblichem Masse arbeitsunfähig ist, was mit dem Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität nicht wegfällt, besteht in den Grenzen der maximalen gesetzlichen oder statutarischen Bezugsberechtigungsdauer prinzipiell ein Krankengeldanspruch. Dieser kann allerdings aufgrund einer zumutbaren Schadenminderungspflicht nach dem oben Gesagten ganz oder teilweise untergehen. Der Miteinbezug erwerblicher Faktoren führt demzufolge nicht zur Begründung, sondern bloss zur Aufhebung von Krankengeldansprüchen. Im übrigen ist daran zu erinnern, dass der Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität die Pflicht der Kassen zur Zahlung von Krankengeld praxisgemäss nicht beendet, sondern eine Kumulation beider Leistungen möglich ist (EVGE 1966 S. 193, 1968 S. 17, 1969 S. 127; RSKV 1978 Nr. 323 S. 106 Erw. 4). Die gegenteilige These (DUC, a.a.O., S. 179 ff.) hat das Eidg. Versicherungsgericht in EVGE 1966 S. 193 mit noch heute gültiger Begründung widerlegt, weshalb darauf nicht zurückzukommen ist.
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5. a) Der Beschwerdeführer wäre nach dem oben Gesagten trotz seiner gesundheitlichen Behinderung in der Lage, ganztags eine körperlich leichte Berufstätigkeit auszuüben. Damit liesse sich ohne weiteres ein Lohn erzielen, der einen Anspruch auf Gewährung ![]() | 22 |
b) Zwar dürfte es für den Beschwerdeführer aufgrund der oben geschilderten geringen beruflichen und persönlichen Fähigkeiten nicht leicht sein, eine passende Stelle zu finden. Daraus kann hier indes kein Anspruch auf das ganze versicherte Krankengeld abgeleitet werden. Diesen Faktoren ist bei der Ermittlung des dem Beschwerdeführer zumutbaren Verdienstes Rechnung getragen worden, weshalb sie im Anschluss daran nicht noch einmal veranschlagt werden können, um das Bestehen eines Anspruchs auf das volle versicherte Krankengeld zu begründen (vgl. dazu BGE 107 V 21 Erw. 2c). Grundsätzlich haben nicht die Krankenkassen das Risiko der schwierigen Vermittelbarkeit zu tragen. Dazu besteht jedoch die wichtige Ausnahme, dass sie dem zur Schadenminderung durch Berufswechsel verpflichteten Versicherten praxisgemäss eine gewisse Übergangsfrist zur Stellensuche und zur Anpassung ![]() | 23 |
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