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54. Urteil vom 6. Mai 1988 i.S. B. gegen die dem Kantonalverband der Krankenkassen des Kantons X angeschlossenen Krankenkassen und Schiedsgericht des Kantons X | |
Regeste |
Art. 25 Abs. 1 und 4 KUVG, Art. 58 BV: Besetzung des Schiedsgerichts. |
- Begriff des neutralen Vorsitzenden im Sinne von Art. 25 Abs. 4 KUVG; bei der Beurteilung der Neutralität ist ein strenger Massstab anzulegen (Erw. 3d). | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Schiedsgericht hiess die Klage aufgrund von Beratungen vom 1. Mai und 4. Juni 1986 sowie 22. Januar 1987 gut, wobei als Vorsitzender Y amtete.
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C.- Dr. B. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der Entscheid des Schiedsgerichts sei aufzuheben und die Forderung der Krankenkassen abzuweisen. Zur Begründung wurde unter anderem geltend gemacht, der Vorsitzende des Schiedsgerichts sei Mitglied des Leitenden Ausschusses des Konkordats der schweizerischen Krankenkassen, weshalb das Erfordernis der Neutralität nicht erfüllt gewesen sei.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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b) (Rechtzeitigkeit der Einwendung.)
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3. a) Nach Art. 58 Abs. 1 (erster Teilsatz) BV darf niemand seinem verfassungsmässigen Richter entzogen werden. Diese Verfassungsnorm verleiht dem einzelnen einen Anspruch auf richtige Besetzung des Gerichts. Dazu gehört wesentlich, dass im konkreten Verfahren unvoreingenommene Richter mitwirken, welche die nötige Gewähr für eine unabhängige und unparteiische Beurteilung der Streitsache bieten (BGE 112 Ia 292 Erw. 3, BGE 108 Ia 50 Erw. 1 ![]() | 8 |
b) Das Eidg. Versicherungsgericht hat mit Bezug auf Art. 101 lit. b und 113 Abs. 2 lit. b AVIG sowie Art. 30bis Abs. 1 KUVG entschieden, dass in diesen Bestimmungen ein bundesrechtlicher Anspruch auf eine richtige Besetzung des Gerichts bzw. einen unbefangenen Richter enthalten ist (nicht veröffentlichte Urteile B. vom 16. März 1988 und B. vom 29. September 1987 sowie G. vom 30. Dezember 1986). Das hat auch mit Bezug auf das Schiedsgericht gemäss Art. 25 Abs. 1 KUVG zu gelten, welches dieselbe Gewähr für Unparteilichkeit zu bieten hat wie andere staatliche Gerichte. Der in dieser Bestimmung eingeschlossene Anspruch auf richtige Besetzung des Gerichts stellt insofern eine gesetzliche Konkretisierung der obengenannten Verfassungsnorm dar. Darüber hinaus haben die Richter die Eigenschaften und personellen Voraussetzungen zu erfüllen, die Art. 25 Abs. 4 KUVG vorschreibt und deren Fehlen ebenfalls eine gesetzwidrige Besetzung des Gerichts darstellt.
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c) Das Gebot der Unparteilichkeit gilt für den Vorsitzenden und die übrigen Richter in gleichem Masse (vgl. per analogiam BGE 113 Ia 408 Erw. 2a, 105 Ia 247 und BGE 92 I 276 Erw. 4). Diese haben deshalb in Ausstand zu treten, wenn sie mit einer Partei in einer Weise verbunden sind, welche die Besorgnis der Befangenheit begründet. Die Frage des unparteiischen Richters weist jedoch im Rahmen von Art. 25 KUVG spezielle Aspekte auf, indem unter anderem als besondere gesetzliche Auflage für den Vorsitzenden verlangt wird, dass er neutral sei.
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Für das Verständnis des Begriffes "neutral" ist von der Vorschrift des Art. 25 Abs. 4 KUVG auszugehen, wonach die Krankenkassen und die Berufsgruppe oder Institution, denen im konkreten Streitfall die Gegenpartei der Kassen zuzuordnen ist, im Gericht in gleicher Zahl vertreten sein müssen. Neutralität kann daher nur heissen, dass der Vorsitzende keinem dieser Interessiertenkreise angehört und mit diesen auch anderweitig nicht in einer Weise verfochten ist, welche seine Unabhängigkeit als gefährdet erscheinen lässt. Bei der Beurteilung der Neutralität ist aus den nachstehend angeführten Gründen ein strenger Massstab anzulegen.
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d) Die neben dem Vorsitzenden tätigen Richter erscheinen aufgrund ihrer Verbundenheit mit den interessierten Kreisen erfahrungsgemäss leicht als kaum ganz unabhängig (was nicht schon ![]() | 12 |
4. a) Das Konkordat bezweckt in der Hauptsache die Förderung der Krankenversicherung. Seine Aufgaben sind nach seinen Statuten u.a. die Wahrung der Interessen der Versicherten sowie der angeschlossenen Verbände und Kassen bei den Behörden, Versicherungsanstalten, Heilanstalten und Medizinalpersonen (Art. 3 lit. c). Es berät die Kassen in allen Fragen der Krankenversicherung, stellt verbindliche Richtlinien für den Abschluss von Verträgen mit Medizinalpersonen oder Heilanstalten auf und wirkt bei Vertragsverhandlungen und Abschluss von Landesverträgen mit (Art. 3 lit. d). Ferner schafft es Kontrollorgane für die Krankenpflegeversicherung (Art. 3 lit. n). Als besondere ![]() | 13 |
b) Mit der Zugehörigkeit zum Leitenden Ausschuss bringt Y gegenüber dem Konkordat und Dritten zum Ausdruck, dass er die Interessen der Krankenkassen fördern und unterstützen will. Dazu kommt, dass das Konkordat im vorliegenden Fall den Beschwerdegegnerinnen mit der Behandlungsfallstatistik ein wesentliches Beweismittel lieferte und durch seinen Vertrauensarzt wie auch seine Statistikabteilung die Gegenpartei des Beschwerdeführers wiederholt beriet. Die Verflechtung mit der Krankenkassenseite wird vollends deutlich, wenn mit bedacht wird, dass Y aufgrund seiner Kantonszugehörigkeit und als parlamentarischer Vertreter im Leitenden Ausschuss dem Konkordatsmitglied bzw. Krankenkassenverband seines Kantons ohne Zweifel nahestehen dürfte. Dieser Interessengemeinschaft gehören aber auch die Beschwerdegegnerinnen an, die zudem im vorliegenden Verfahren vom Verband vertreten werden. Ein Richter, der Krankenkassenkreisen so nahesteht, kann im Widerstreit der Interessen zwischen Kassen und Medizinalpersonen nicht als neutral im Sinne von Art. 25 Abs. 4 KUVG gelten.
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Dagegen vermag nicht aufzukommen, dass Y gegenüber der Haltung des Konkordats in einzelnen Fragen durchaus kritisch eingestellt ist und für sich in Anspruch nimmt, als Vorsitzender des Schiedsgerichts trotz Zugehörigkeit zum Leitenden Ausschuss des Konkordats unparteiisch gerichtet zu haben und richten zu können. Ist die Neutralität im Sinne von Art. 25 Abs. 4 KUVG in Frage gestellt, bedarf es nicht des Nachweises, dass der Vorsitzende in der streitigen Angelegenheit subjektiv tatsächlich nicht zu neutralem Handeln fähig sei. Es genügt die Feststellung, dass der Vorsitzende nach den konkreten Umständen den am Falle interessierten Kreisen zuzurechnen oder mit diesen in einer Weise verbunden ist, die bei objektiver Betrachtung den Anschein fehlender Neutralität erweckt.
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5. Da die gemäss Art. 25 Abs. 4 KUVG erforderliche Neutralität des Vorsitzenden in der Person von Y nach dem Gesagten ![]() | 16 |
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