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36. Urteil vom 26. Juni 1989 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen Z. und Versicherungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 31 Abs. 4 und 5 UVG, Art. 43 UVV: Berechnung der Komplementärrente für Hinterlassene. |
- Art. 43 UVV, der diesen Grundsatz für Komplementärrenten an Hinterlassene gestützt auf die Delegationsnorm des Art. 31 Abs. 5 UVG ohne entsprechende abweichende Regelungen übernimmt, ist gesetz- und verfassungsmässig; Bemerkungen de lege ferenda (Erw. 2b). | |
Sachverhalt | |
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Die Ausgleichskasse sprach der hinterbliebenen Ehefrau Rosa Z. (geb. 1918) eine einfache Altersrente der AHV von Fr. 1'238.-- im Monat bzw. Fr. 14'856.-- im Jahr zu. Dagegen verneinte die SUVA mit Verfügung vom 14. März 1986 den Anspruch auf eine Hinterlassenenrente der obligatorischen Unfallversicherung, weil die AHV-Rente 90% des versicherten Verdienstes übersteige und sich somit aus der Differenzberechnung gemäss Art. 31 Abs. 4 UVG keine Komplementärrente ergebe.
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Eine hiegegen erhobene Einsprache wies die SUVA mit Entscheid vom 18. April 1986 ab.
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B.- Rosa Z. beschwerte sich gegen diesen Entscheid, indem sie ihr Begehren um Zusprechung einer Hinterlassenenrente der obligatorischen Unfallversicherung erneuerte.
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Das Versicherungsgericht des Kantons Bern stellte fest, nach dem bei der Frage einer allfälligen Überversicherung zu berücksichtigenden Grundsatz der sachlichen Übereinstimmung von Leistungen könne die Auslegung von Art. 31 Abs. 4 UVG nur in der Weise erfolgen, dass die Komplementärrente der Differenz zwischen 90%, des versicherten Verdienstes und den Renten der AHV oder der IV entspreche, wobei aber lediglich diejenigen Elemente der AHV-Rente anzurechnen seien, welche ihren Rechtsgrund im Unfalltod des Ehemannes hätten. Hingegen müsste der Anteil der Rente, welche die Ehefrau originär und unabhängig vom Unfalltod des Mannes beanspruchen könne, ausser Betracht bleiben. Denn nur der Rentenanteil, der als Ausgleich für den durch den Tod des Mannes entstandenen Versorgerschaden bestimmt sei, gehe unmittelbar auf den Unfalltod zurück und decke den sachlich gleichen Schaden wie die Hinterlassenenrente der obligatorischen Unfallversicherung. Andernfalls würde ein Ungleichgewicht in der Berechnung der Komplementärrente entstehen, was nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei. Da der Gesetzgeber offenbar nicht an die Möglichkeit gedacht habe, dass der überlebenden Ehefrau aus eigenem Recht ein Anspruch auf eine AHV/IV-Rente zustehe, welche in die Berechnung der Komplementärrente nicht mit einzubeziehen sei, komme nur die erwähnte Auslegung des Art. 31 Abs. 4 UVG in Frage. In diesem Sinne hiess das Versicherungsgericht die Beschwerde gut, hob die angefochtene ![]() | 6 |
C.- Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 26. Februar 1987 sei aufzuheben. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, zwar weise die in der angefochtenen Verfügung vom 14. März 1986 getroffene Lösung eine gewisse Unbilligkeit auf. Dies sei jedoch eine direkte Folge der gesetzlichen bzw. verordnungsmässigen Regelung der Berechnung von Komplementärrenten für Hinterlassene beim Zusammentreffen von Renten der AHV/IV mit solchen der obligatorischen Unfallversicherung. Da der Gesetz- bzw. der Verordnungsgeber die sich aus der neuen Lösung ergebenden Probleme erkannt und sie im Bestreben nach einer einfachen Regelung bewusst in Kauf genommen habe, könne es nicht Sache der Gerichte sein, auf dem Wege der Auslegung Lücken zu füllen. Es wäre vielmehr Sache des Gesetz- oder des Verordnungsgebers, unbefriedigende Ergebnisse durch Änderung der entsprechenden Erlasse einer Lösung zuzuführen, welche auch den Gesamtzusammenhängen Rechnung tragen würde. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass Einzelprobleme herausgegriffen und ohne Berücksichtigung der systematischen Zusammenhänge zu lösen versucht würden, was praktische Schwierigkeiten und neue Ungleichheiten zur Folge hätte.
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Rosa Z. schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schlägt eine analoge Anwendung der bei Komplementärrenten für Invalide geltenden Sonderregelung des Art. 32 Abs. 3 UVV auch bei Komplementärrenten für Hinterlassene vor und enthält sich im übrigen eines Antrages.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
1. a) Stirbt der Versicherte an den Folgen eines Unfalls, so haben der überlebende Ehegatte und die Kinder Anspruch auf Hinterlassenenrenten (Art. 28 UVG). Diese betragen u.a. für Witwen und Witwer 40%, sowie für mehrere Hinterlassene zusammen höchstens 70% des versicherten Verdienstes (Art. 31 Abs. 1 UVG). Stehen den Hinterlassenen auch Renten der AHV oder der IV zu, so wird ihnen gemeinsam eine Komplementärrente gewährt; diese entspricht "der Differenz zwischen 90 Prozent des versicherten Verdienstes und den Renten der AHV oder der IV", ![]() | 9 |
"1 Bei der Berechnung der Komplementärrenten für Hinterlassene werden die AHV/IV-Renten, einschliesslich der Kinderrenten, voll berücksichtigt. Bei der Berechnung der Komplementärrenten an Vollwaisen wird die Summe der versicherten Verdienste beider Elternteile bis zum Höchstbetrag des versicherten Verdienstes berücksichtigt.
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2 Die Artikel 32 Absatz 5 und 33 gelten sinngemäss."
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b) Nach Art. 18 Abs. 1 UVG hat der Versicherte Anspruch auf eine Invalidenrente, wenn er infolge des Unfalls invalid wird. Hat er auch Anspruch auf eine Rente der IV oder AHV, so wird ihm gemäss Art. 20 Abs. 2 UVG eine Komplementärrente gewährt; diese entspricht "der Differenz zwischen 90 Prozent des versicherten Verdienstes und der Rente der IV oder der AHV", höchstens aber dem für Voll- oder Teilinvalidität vorgesehenen Betrag. Nach Abs. 3 desselben Artikels erlässt der Bundesrat nähere Vorschriften, namentlich über die Berechnung der Komplementärrenten in Sonderfällen. Der Bundesrat hat von dieser an ihn delegierten Befugnis Gebrauch gemacht und in Art. 32 UVV die Höhe der Komplementärrenten in Sonderfällen wie folgt geregelt:
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"1 Vor dem Unfall gewährte IV-Renten werden bei der Berechnung der Komplementärrenten nur so weit berücksichtigt, als sie wegen des Unfalles erhöht werden. In den Fällen von Artikel 24 Absatz 4 wird die IV-Rente voll angerechnet.
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2 Hat ein Ehegatte aus einem Unfall bereits Anspruch auf eine Rente und wurde bei deren Berechnung eine AHV/IV-Rente schon berücksichtigt, so wird dem anderen Ehegatten, der durch Unfall invalid wird, die Ehepaarrente nur zu einem Drittel angerechnet.
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3 Wird eine Witwe, die eine AHV-Rente bezieht, wegen eines Unfalles invalid, so wird ihr die AHV/IV-Rente nur zu zwei Dritteln angerechnet.
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4 Hat der Rentenberechtigte vor Eintritt der Invalidität neben der unselbständigen noch eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt, so wird für die Festsetzung der Grenze von 90 Prozent nach Artikel 20 Absatz 2 des Gesetzes neben dem versicherten Verdienst auch das ![]() | 16 |
5 Teuerungszulagen werden bei der Bemessung der Komplementärrenten nicht berücksichtigt."
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a) Bei der Auslegung des Gesetzes ist von Bedeutung, dass in Art. 31 Abs. 4 UVG generell von "den Renten der AHV oder der IV" die Rede ist, ohne deren Anrechenbarkeit in irgendeiner Weise zu beschränken. Ebenso spricht Art. 20 Abs. 2 UVG, der die gleiche Frage bei der Komplementärrente für Invalide regelt, generell und uneingeschränkt von "der Rente der IV oder der AHV". Die wörtliche Auslegung dieser Bestimmungen ergibt somit, dass die Renten der AHV oder der IV grundsätzlich in vollem Umfang anzurechnen sind. Da der Wortlaut von Art. 31 Abs. 4 (und 20 Abs. 2) UVG klar ist, besteht aufgrund dieser Vorschriften kein Raum für eine nur teilweise Berücksichtigung der genannten Renten (BGE 114 V 135 f. Erw. 2b und 3a, BGE 113 V 77 Erw. 3b und c sowie 109 Erw. 4a mit Hinweisen). Zudem entspricht diese Bedeutung des Wortlautes auch insoweit dem Sinn und Zweck der Bestimmungen, als der Gesetzgeber die frühere Regelung (Art. 48 ![]() ![]() | 19 |
b) Nun hat der Gesetzgeber zu den in Art. 31 Abs. 4 (und 20 Abs. 2) UVG statuierten Grundsätzen über die Berechnung der Komplementärrenten an Hinterlassene (bzw. Invalide) die Möglichkeit von Abweichungen vorgesehen (BBl 1976 III 172; vgl. dazu MAURER, a.a.O., S. 375 f., N. 941a, und S. 436 f.). In diesem Sinne ermächtigte er den Bundesrat in Art. 31 Abs. 5 (und 20 Abs. 3) UVG zum Erlass näherer Vorschriften, von welchen Kompetenzen dieser in Art. 43 (und 31 ff.) UVV Gebrauch gemacht hat (vgl. Erw. 1a und b hievor). Es stellt sich vorliegend die Frage, ob die Ordnung des Art. 43 UVV, die den vom Gesetz vorgegebenen Grundsatz bezüglich der vollen Anrechenbarkeit von AHV/IV-Renten uneingeschränkt und ohne abweichende Regelung übernimmt, gesetz- und verfassungsmässig ist.
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aa) (Überprüfung der Verordnungen des Bundesrates)
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bb) Die Delegationsbestimmung des Art. 31 Abs. 5 UVG ermächtigt den Bundesrat - wie bereits dargelegt - insbesondere zum Erlass näherer Vorschriften "über die Berechnung der Komplementärrenten". Mit dieser Delegationsnorm wurde dem Bundesrat ein sehr weiter Spielraum des Ermessens (vgl. BGE 112 V 42 Erw. 3b in fine) für die Regelung auf Verordnungsstufe und namentlich die Kompetenz eingeräumt, die Berechnung der Komplementärrenten unter Beachtung der durch das Willkürverbot gesetzten Grenzen in einer grundsätzlich abschliessenden Weise zu ordnen. Aufgrund dieser Befugnis war der Bundesrat frei zu bestimmen, dass bei der Berechnung der Komplementärrenten für Hinterlassene die AHV/IV-Renten, einschliesslich der Kinderrenten, voll zu berücksichtigen sind. Zwar wären nach den zutreffenden Ausführungen von SUVA und Bundesamt auch mit vertretbaren Gründen andere Lösungen - etwa mit einer nur teilweisen Anrechnung oder einem gänzlichen Verzicht auf Berücksichtigung der AHV-Renten bei hinterlassenen Witwen nach dem 62. Altersjahr - möglich gewesen, was denn auch in der Kommission zur Vorbereitung der UVV dem Sinne nach erwogen, aber schliesslich abgelehnt wurde (vgl. z.B. Protokolle vom 13./14. August und 18. Dezember 1980). Zu solchen - de lege ferenda durchaus berechtigten - Überlegungen hat sich das Eidg. Versicherungsgericht indessen nicht zu äussern, weil es die Zweckmässigkeit der gestützt auf Art. 31 Abs. 5 UVG vorgenommenen Regelung nicht zu prüfen und sein Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des ![]() | 22 |
cc) Die vom BSV in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgetragenen Ausführungen über eine mögliche Ergänzung des Art. 43 UVV durch Art. 32 Abs. 3 UVV vermögen zu keiner andern Betrachtungsweise zu führen. Dem in diesem Zusammenhang angebrachten Vorschlag, in sinngemässer Fortführung der mit BGE 112 V 39 begonnenen Anwendung von Sonderregeln (Abs. 4 des Art. 32 UVV) im Rahmen von Art. 43 Abs. 2 UVV sollte hier auch Abs. 3 des Art. 32 UVV gelten, kann das Eidg. Versicherungsgericht nicht beipflichten. Nicht nur lag die in jenem Fall erklärte parallele Anwendung des Abs. 4 von Art. 32 UVV sowohl bei Komplementärrenten für Invalide als auch bei Komplementärrenten für Hinterlassene praktisch auf der Hand und wurde bereits auch von der Lehre gefordert (MAURER, a.a.O., S. 437, N. 1132b). Vielmehr müsste bei der hier vom ![]() | 23 |
c) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die SUVA bei der Berechnung der Komplementärrente gemäss Art. 31 Abs. 4 UVG und Art. 43 Abs. 1 UVV an sich korrekt vorgegangen ist. Insbesondere steht unstreitig fest, dass die AHV-Rente der Beschwerdegegnerin von jährlich Fr. 14'856.-- 90% des versicherten Verdienstes (d.h. Fr. 10'917.--) übersteigt. Damit ergibt sich aus der Differenzberechnung nach Art. 31 Abs. 4 UVG keine Komplementärrente. Die Verfügung der SUVA vom 14. März 1986, mit welcher die Anstalt den streitigen Anspruch der Beschwerdegegnerin verneint hat, erweist sich daher als rechtmässig.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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