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49. Urteil vom 20. Oktober 1989 i.S. Pensionskasse Schweizerischer Elektrizitätswerke gegen Services Industriels de la Commune de Sion und Versicherungsgericht des Kantons Zürich | |
Regeste |
Art. 842 Abs. 3 und Art. 864 OR: Kollektivaustritt eines Arbeitgebers aus einer Personalvorsorgeeinrichtung in Form einer Genossenschaft. | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 25. März 1986 reichten die Services Industriels de la Commune de Sion beim Versicherungsgericht des Kantons Zürich gegen die PKE Klage ein auf Auszahlung der restlichen 10% des Deckungskapitals. Mit Urteil vom 8. Juli 1988 hiess das Versicherungsgericht die Klage in dem Sinne gut, dass es die PKE verpflichtete, den Services Industriels den Betrag von Fr. 1'775'045.-- nebst Zins zu 5% seit 25. März 1986 zu überweisen.
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Die Services Industriels de la Commune de Sion lassen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach Art. 104 lit. a OG kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens gerügt werden. Die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig oder unvollständig ist oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgte (Art. 104 lit. b in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 OG). Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen (einschliesslich deren Rückforderung) erstreckt sich dagegen die Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG; erweiterte Kognition; BGE 108 V 247 Erw. 1a).
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b) Gemäss Art. 864 OR bestimmen die Statuten, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind aufgrund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen (Abs. 1). Die Statuten können dem Ausscheidenden oder seinen Erben ein Recht auf gänzliche oder teilweise Rückzahlung der Anteilscheine mit Ausschluss des Eintrittsgeldes zuerkennen. Sie können die Hinausschiebung der Rückzahlung bis auf die Dauer von drei Jahren nach dem Ausscheiden vorsehen (Abs. 2).
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c) Nach Art. 6 Abs. 1 lit. d der PKE-Statuten erlischt die Mitgliedschaft samt allen damit verbundenen Rechten und Pflichten ausser in den im Gesetz vorgesehenen Fällen unter anderem, wenn die Unternehmung, in deren Dienst das Mitglied steht, ihre Zugehörigkeit zur PKE durch schriftliche Erklärung aufgibt. Eine solche Erklärung kann nur unter Beobachtung einer Kündigungsfrist von einem Jahr jeweils auf Ende eines Geschäftsjahres und nachdem die Unternehmung mindestens fünf Jahre der PKE angehört hat, erfolgen. Sie erfordert entweder das Einverständnis der ![]() | 12 |
d) Der Kollektivaustritt einer Unternehmung ist gemäss Art. 30 Abs. 6 der PKE-Statuten dem Einzelaustritt von Mitgliedern gleichgestellt; vorbehalten bleibt Abs. 7 dieser Bestimmung, welcher lautet: Erfolgt der Kollektivaustritt aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. d Ziff. 2, so wird die Summe der Einzelaustrittsforderungen gemäss Abs. 6 auf 90% des für die austretende Gruppe nach Massgabe des Liquidationsgrades zu berechnenden vorhandenen Deckungskapitals erhöht und der neuen Fürsorgeeinrichtung der Unternehmung überwiesen.
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b) Die Beschwerdegegnerin liess im vorinstanzlichen Verfahren vorbringen, der Abzug von 10% des Deckungskapitals laufe praktisch auf eine Auslösungssumme im Sinne von Art. 842 Abs. 2 OR hinaus, wofür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die Vorinstanz hat diese These mit der Begründung verworfen, der Rückbehalt eines bestimmten Kapitalanteils könne schon rein begrifflich keine Auslösungssumme darstellen. Die herrschende Lehre (STUDER, Die Auslösungssumme im schweizerischen Genossenschaftsrecht, Diss. Bern 1977, S. 88; ROTHENBÜHLER, Austritt und Ausschluss aus der Genossenschaft, Diss. Zürich 1984, S. 73 ff.; FORSTMOSER, N. 41 zu Art. 842 OR) betrachte die Auslösungssumme als ein Entgelt, mittels welchem sich der Genossenschafter von der gesellschaftlichen Bindung lösen könne; sie sei eine spezifische Leistungspflicht eines austretenden Genossenschafters. Dem ist beizupflichten.
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b) Nach dem Gesetz besitzt der ausscheidende Genossenschafter - wenn die Statuten nichts anderes vorsehen - keinen Anspruch auf eine Abfindung. Schweigen die Statuten, verfallen beim Austritt eines Mitglieds seine Einlagen und virtuellen Ansprüche ![]() | 17 |
7. a) Die Vorinstanz hat gegen diese Grundsätze eingewendet, dass in ihnen den Besonderheiten einer Pensionskassengenossenschaft nicht Rechnung getragen werde. Das Bundesgericht habe in BGE 89 II 150 erkannt, dass die besondere Art der in Frage stehenden Genossenschaft mit berücksichtigt werden müsse, um festzustellen, ob eine Austrittserschwerung das zulässige Mass übersteige. Zweck einer Personalvorsorgeeinrichtung sei es, aufgrund von Beiträgen der angeschlossenen Genossenschafter (Betriebe und deren Arbeitnehmer) eine planmässige Vorsorge zu betreiben und entsprechende Deckungsmittel für die in den Statuten vorgesehenen Vorsorgefälle zu äufnen. Im Gegensatz zur Tätigkeit anderer Genossenschaften werde von einer Personalvorsorgegenossenschaft damit auf lange Sicht aufgrund der geleisteten Beiträge ein Vorsorgeschutz aufgebaut. Die Vorsorgetätigkeit wäre sinn- und zwecklos, wenn es einer Personalvorsorgegenossenschaft freistünde, beim Austritt eines Kollektivmitglieds im Rahmen der Regelung von Art. 864 und 865 OR die Deckungskapitalien der Genossenschaft verfallen zu lassen oder empfindlich zu kürzen. Entgegen der von der PKE vertretenen Auffassung habe das Bundesgericht bereits in BGE 80 II 132 und 133 festgestellt, dass Statutenbestimmungen einer Personalvorsorgegenossenschaft, welche die Rückzahlung geleisteter Beiträge, ja sogar die Ausrichtung fällig gewordener Renten ausschlössen, die Folgen ![]() | 18 |
b) Der genannte BGE 80 II 123 ff. lässt indes die von der Vorinstanz gezogenen Schlüsse nicht zu. In diesem Entscheid hatte das Bundesgericht über die Rechtmässigkeit einer Statutenbestimmung einer Pensionskassengenossenschaft zu befinden, wonach bei Ausschluss oder Austritt des Mitglieds bereits entstandene Rentenansprüche dahinfielen. Das Gericht erkannte, dass eine einmal entstandene Leistungspflicht der genossenschaftlichen Pensionskasse "selbständiger Natur" ist bzw. dass die Forderung des Mitglieds "vom Eintritt des Versicherungsfalles an" "selbständigen Charakter erlangt hat und die Eigenschaft eines wohlerworbenen Rechts (BGE 61 II 171ff.) besitzt" (S. 129 f. Erw. 2b); bereits entstandene Rentenansprüche können daher dem Berechtigten nicht mehr entzogen werden (S. 131 Erw. 2c). Es ging demnach in diesem Entscheid nicht um die Frage der übermässigen Austrittserschwerung infolge Verfalls des Anteils am Genossenschaftsvermögen. Dazu wurde vielmehr unmissverständlich festgehalten, dass dem ausscheidenden Genossenschafter keinerlei Ansprüche "auf Anteil am Genossenschaftsvermögen als solchem" zustehen und dieser somit "nach Gesetz wie nach den Statuten" keinen Abfindungsanspruch geltend machen könne (S. 128 Erw. 2a). Das Bundesgericht steht mithin in BGE 80 II 123 ff. ebenfalls auf dem Boden der oben dargelegten Lehre, wonach der Verfall eines jeglichen Anspruchs auf einen Anteil am Genossenschaftsvermögen bei Austritt nicht unter dem Titel der übermässigen Austrittserschwerung gemäss Art. 842 Abs. 3 OR korrigiert werden kann. Daran ist festzuhalten.
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Der Austritt eines Arbeitgebers mit seiner Belegschaft aus einer genossenschaftlichen Pensionskasse löst zweifellos keinen Versicherungsfall im herkömmlichen Sinne des Wortes aus. Ebenso ![]() | 20 |
8. Die Vorinstanz hat die Frage geprüft, ob sich die Regeln, welche zum nachgenannten Anwendungsfall eines gruppenweisen Austritts von Destinatären einer Personalvorsorgestiftung entwickelt worden sind, auf den vorliegenden Fall des Austritts eines Genossenschafters übertragen lassen. Sie hat diese Praxis so zusammengefasst, dass Anwartschaften von Arbeitnehmern, die von Personalfluktuationen betroffen werden, zu denen die Arbeitgeberseite die Ursache gesetzt hat, keine wesentlichen Schmälerungen erfahren dürfen. Vielmehr haben die Arbeitnehmer nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Anspruch auf Wahrung ihres Besitzstandes, was konkret bedeutet, dass das Personalvorsorgevermögen dem Personal folgen muss (siehe RIEMER, Die Auswirkungen grösserer Personalfluktuationen beim Arbeitgeber auf dessen Personalvorsorgestiftung, SZS 1982 S. 3 ff.; derselbe, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 101, N. 11; BGE 110 II 436; SZS 1985 S. 200 Erw. 6). Die Vorinstanz hat ein solches Vorgehen im vorliegenden Fall zu Recht abgelehnt. Die Anwendung der angeführten Regel auf Personalvorsorgegenossenschaften wäre mit den in Erwägung 6 hievor dargelegten Grundsätzen nicht vereinbar, ganz abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall keine Personalfluktuationen (im Sinne von Entlassungen ganzer Abteilungen eines Unternehmens oder in Form grundlegender Umstrukturierungen infolge von Handänderungen) in Frage stehen.
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