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14. Auszug aus dem Urteil vom 4. April 1990 i.S. L. gegen Ausgleichskasse der Aargauischen Industrie- und Handelskammer und Versicherungsgericht des Kantons Aargau | |
Regeste |
Art. 82 Abs. 1 AHVV: Kenntnis des Schadens. |
- Eine bei der ersten Gläubigerversammlung anhand provisorischer Schatzungswerte gestellte Prognose der Konkursverwaltung über die "stark gefährdeten" Dividendenaussichten für Gläubiger der 2. Klasse begründet ebensowenig eine Kenntnis des Schadens wie etwa die Zustellung eines provisorischen Pfändungsverlustscheines im Sinne von Art. 115 Abs. 2 SchKG. Verneinung der Notwendigkeit eines "vorsorglichen" Vorgehens der Kasse noch vor der Auflage von Kollokationsplan und Inventar (Erw. 3c). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 11. März 1988 reichte die Ausgleichskasse beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau gegen Walter L. Schadenersatzklage ein. Im Verlaufe des Prozesses wurden der Kollokationsplan und das Inventar (vom 29. Oktober bis 10. November 1988) sowie Verteilungsliste und Schlussrechnung (vom 17. bis 26. April 1989) aufgelegt. Die Kasse reduzierte darauf ihre Forderung auf Fr. 74'732.70. - Mit Entscheid vom 19. September 1989 hiess das Versicherungsgericht die Klage gut und verpflichtete Walter L. zur Bezahlung des Schadenersatzes im genannten Betrag.
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C.- Diesen Entscheid lässt Walter L. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht weiterziehen u.a. mit den Anträgen, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und es "sei festzustellen, dass die Schadenersatzforderung der Ausgleichskasse verjährt ... ist". Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
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Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Aus den Erwägungen: | |
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3. a) Der Beschwerdeführer bringt in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Hauptsache vor, die Kasse hätte schon anlässlich der ersten Gläubigerversammlung vom 2. Februar 1983, spätestens aber mit der Zustellung des Zirkulars Nr. 1 am 8. Februar 1983 Kenntnis vom Schaden nehmen müssen, als das Konkursamt die Dividendenaussichten für die Gläubiger der 2. Klasse als "stark gefährdet" bezeichnet habe. Bereits in dem von der Konkursverwaltung zuhanden dieser ersten Gläubigerversammlung erstellten Status seien nämlich die freien Aktiven auf nur ca. 2 Mio. Franken, dagegen die Forderungen der ![]() | 6 |
Die Kasse hält diesen Ausführungen in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde - wie u.a. bereits im erstinstanzlichen Verfahren - entgegen, dass sie sich mehrfach bei der Konkursverwaltung über die Bearbeitung des Falles erkundigt habe, welche sich indes stark in die Länge gezogen habe. Die Schadenersatzverfügung sei dann vor allem im Hinblick auf den Bundesgerichtsentscheid in ZAK 1987 S. 568 "vorsorglich" erlassen worden, um einer allfälligen Verwirkungsgefahr zu entgehen. Sie habe frühestens im April 1987 nach der 10. Sitzung des Gläubigerausschusses Kenntnis vom Schaden nehmen können, während die - laut vorinstanzlichem Entscheid für den Beginn des Fristenlaufs massgebende - Kollokationsplanauflage erst am 29. Oktober 1988 erfolgt sei.
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b) Kenntnis des Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 AHVV ist nach der Rechtsprechung von dem Zeitpunkt an gegeben, in welchem die Ausgleichskasse unter Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit und unter Berücksichtigung der Praxis erkennen muss, dass die tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr erlauben, die Beiträge einzufordern, wohl aber eine Schadenersatzpflicht begründen können (BGE 108 V 52 Erw. 5). Dies ist bei Konkursen grundsätzlich im Zeitpunkt der Auflegung des Kollokationsplanes (und des Inventars) der Fall (BGE 113 V 181 Erw. 2, BGE 112 V 161), wie auch die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat. Dazu hat die Rechtsprechung wiederholt erkannt, dass eine Kasse im Falle eines Konkurses oder Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung nicht notwendigerweise erst Kenntnis des Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 AHVV hat, wenn sie in die Verteilungsliste und Schlussrechnung des Konkursamtes oder des Liquidators Einsicht nehmen kann oder einen Verlustschein erhält; wer im Rahmen solcher Verfahren einen Verlust erleidet und auf Ersatz klagen will, hat ![]() | 8 |
Nach der Rechtsprechung ist die Ausgleichskasse nicht befugt, mit der Geltendmachung ihrer Schadenersatzforderung zuzuwarten bis zu jenem Zeitpunkt, in welchem sie das - grundsätzlich erst bei Abschluss des Konkursverfahrens feststehende - absolut genaue Ausmass ihres Verlustes kennt. Vielmehr wird von ihr verlangt, dass sie von dem Zeitpunkt an, in dem sie alle tatsächlichen Umstände über die Existenz, die Beschaffenheit und die wesentlichen Merkmale des Schadens kennt, sich über die Einzelheiten eines allfälligen Schadenersatzanspruches informiert. Kann dabei im Zeitpunkt der Auflegung des Kollokationsplanes und des Inventars die Schadenshöhe infolge ungewisser Konkursdividende nicht bzw. auch nicht annähernd genau ermittelt werden, so ist die Schadenersatzverfügung derart auszugestalten, dass die Belangten zum Ersatz des ganzen der Ausgleichskasse entgangenen Betrages gegen Abtretung einer allfälligen Konkursdividende verpflichtet werden. Dieses auch auf den Gebieten des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts (BGE 111 II 164; vgl. auch BGE 108 Ib 97) gewählte Vorgehen ist vom Eidg. Versicherungsgericht aus Gründen der Verfahrensökonomie und der Rechtssicherheit sowie unter dem Gesichtspunkt der Zielsetzung des Schadenersatzrechts auf Forderungen gemäss Art. 52 AHVG und Art. 82 Abs. 1 AHVV sowohl bei Konkursen (BGE 113 V 184 Erw. 3b) als auch in Fällen von Nachlassverträgen mit Vermögensabtretung für anwendbar erklärt worden (BGE 114 V 82 Erw. 3b mit Hinweisen).
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c) In dem am 9. Dezember 1982 über die Firma Walter L. AG eröffneten Konkurs lagen Kollokationsplan und Inventar vom 29. Oktober bis 10. November 1988 auf. Damals hatte die Ausgleichskasse ihre Schadenersatzverfügung vom 13. Januar 1988 längst erlassen, worin sie den Beschwerdeführer zur Ersetzung des ganzen ihr entstandenen Schadens gegen Abtretung einer allfälligen Konkursdividende verpflichtete. Mit diesem Vorgehen ist die Kasse den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen betr. Ausgestaltung der Schadenersatzverfügung (vgl. Erw. 3b hievor in fine) vollumfänglich nachgekommen, wobei sie sich - entgegen ![]() ![]() | 10 |
Besteht aufgrund der vorstehenden Ausführungen keine Veranlassung, von der in Erw. 3b hievor dargelegten Rechtsprechung abzugehen, so kann es für die Kenntnis des Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 AHVV auch vorliegend nicht auf die provisorische Kollokationsplanauflage anlässlich der 10. Sitzung des Gläubigerausschusses vom 8. April 1987 und schon gar nicht auf die bei der ersten Gläubigerversammlung anhand "provisorischer Schatzungswerte" erwähnten "stark gefährdeten" Dividendenaussichten ankommen. Die Kasse hat jedoch mit der bereits am 13. Januar 1988 und mithin noch vor der massgeblichen Auflage von Kollokationsplan ![]() | 11 |
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