BGE 116 V 101 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
18. Auszug aus dem Urteil vom 28. Mai 1990 i.S. I. gegen Direktion der Fürsorge des Kantons Zürich und Kantonale Rekurskommission für die Zusatzleistungen zur AHV/IV, Zürich | |
Regeste |
Art. 7 Abs. 2 ELG: Kantonale Rechtspflege. | |
Aus den Erwägungen: | |
1 | |
a) Nach Art. 7 ELG kann gegen Verfügungen über Ergänzungsleistungen Beschwerde geführt werden (Abs. 1). Die Kantone bestimmen eine von der Verwaltung unabhängige Rekursbehörde und ordnen das Verfahren. Art. 85 AHVG ist sinngemäss anwendbar (Abs. 2). In Art. 85 AHVG wird die Regelung des Rekursverfahrens grundsätzlich - unter Vorbehalt gewisser vereinheitlichender Richtlinien gemäss lit. a-h dieser Bestimmung - den Kantonen anheimgestellt.
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Im Rahmen der erwähnten Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Satz 1 ELG hat der Kanton Zürich ein zweistufiges Rechtsmittelverfahren geschaffen: Gegen die Verfügungen der Gemeindestellen kann binnen 20 Tagen, von der schriftlichen Mitteilung an, Einsprache an den zuständigen Bezirksrat und gegen dessen Entscheide binnen 20 Tagen, von der Mitteilung an, Rekurs an die kantonale Rekurskommission erhoben werden (§ 30 des kantonalen Gesetzes über die Zusatzleistungen zur eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung vom 7. Februar 1971). Laut § 32 des zitierten Gesetzes finden auf das Einsprache- und Rekursverfahren die in Art. 85 AHVG enthaltenen Verfahrensgrundsätze entsprechende Anwendung (Abs. 1); die Einsprache sowie der Rekurs sind schriftlich der Stelle einzureichen, die den Fall zuletzt behandelt hat; diese legt Einsprachen oder Rekurse binnen einer Frist von 20 Tagen samt den Akten und einer Vernehmlassung der zuständigen Rechtsmittelinstanz zur Beurteilung vor (Abs. 2).
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Die von den Kantonen im Rahmen von Art. 7 Abs. 2 ELG erlassenen Bestimmungen bedürfen der Genehmigung durch den Bundesrat bzw. das Eidgenössische Departement des Innern (Art. 15 Abs. 1 ELG in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 ELV). Diese Genehmigung hat indessen keine konstitutive und für den Richter verbindliche Bedeutung, d.h. sie schliesst es nicht aus, dass der Richter im Streitfall eine bestimmte kantonale Norm als bundesrechtswidrig erklärt. Insoweit hat die vom Eidg. Versicherungsgericht im Rahmen von Art. 4 KUVG und Art. 3 Vo V zum KUVG (dazu BGE 115 V 385 Erw. 4; RKUV 1985 Nr. K 619 S. 67 Erw. 2 mit Hinweisen) befolgte Praxis auch im Bereiche von Art. 15 ELG Gültigkeit.
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b) In ihren Vernehmlassungen halten die Beschwerdeführer und die Direktion der Fürsorge namentlich dafür, die vom Eidg. Versicherungsgericht in BGE 110 V 56 Erw. 3 in fine offengelassene Frage nach der Zulässigkeit eines zweifachen kantonalen Instanzenzuges auf dem Gebiet der Ergänzungsleistungen, wie ihn u.a. der Kanton Zürich kenne, sei in bejahendem Sinne zu beantworten: Das zürcherische Verfahrensrecht kenne seit jeher ein zweistufiges Rechtsmittelverfahren im hier fraglichen Bereich. Auch anlässlich der Vorbereitungsarbeiten zum ELG sei dabei verschiedentlich zum Ausdruck gekommen, dass auf kantonale Besonderheiten Rücksicht genommen und die Regelung der organisatorischen Fragen den Kantonen belassen werden sollte. Die seit langem bestehende Ordnung des Kantons Zürich ermögliche sachgerechte und rasche Entscheide und habe sich in der Praxis bewährt. - Ergänzend halten die Beschwerdeführer noch die aus den Materialien hervorgehende Absicht des Gesetzgebers über die Einstufigkeit des kantonalen Verfahrens für nicht so klar wie in BGE 110 V 59 f. dargestellt, während die Fürsorgedirektion sich zusätzlich auf die Genehmigung der aufgrund von Art. 7 Abs. 2 ELG erlassenen zürcherischen Ordnung durch das Eidgenössische Departement des Innern beruft.
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Die Rekurskommission ist im wesentlichen der gleichen Auffassung wie die Fürsorgedirektion und vertritt sodann insbesondere die Meinung, dass es sich beim Bezirksrat gar nicht um eine "von der Verwaltung unabhängige Rekursbehörde" im Sinne von Art. 7 Abs. 2 ELG, sondern um eine Verwaltungsbehörde handle. Insofern stelle sich das Problem der Zulässigkeit eines zweifachen gerichtlichen Instanzenzuges im Kanton Zürich nicht.
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Das Bundesamt für Sozialversicherung, welches seinerseits an die Ausführungen der Rekurskommission anknüpft, qualifiziert den Bezirksrat als Rechtspflege- und nicht als Verwaltungsorgan. Das Amt hält dieses Bestehen von zwei kantonalen Rekursinstanzen mit der aus den Materialien zum ELG sich ergebenden Absicht des Gesetzgebers nicht für vereinbar, weshalb es die Zuständigkeit des Bezirksrates verneint. Im übrigen erachtet es das Bundesamt als fraglich, ob die Genehmigung des Eidgenössischen Departements des Innern heute noch erteilt würde.
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c) Bei der Auslegung des Gesetzes ist von Bedeutung, dass der Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 Satz 1 ELG - mit einer identischen Formulierung wie Art. 85 Abs. 1 Satz 1 AHVG (BGE 110 V 58 Erw. 3b am Anfang) - nicht eindeutig ist. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 110 V 59 Erw. 3b festgestellt hat, lässt der Text dieser Bestimmungen namentlich nicht erkennen, ob den Kantonen die Schaffung einer einzigen Rekursbehörde zwingend vorgeschrieben oder ob ihnen die Möglichkeit belassen ist, ein mehrstufiges Rekursverfahren (mit mehreren Spruchbehörden) einzuführen. Aufgrund einer wörtlichen Auslegung der genannten Vorschriften erscheint daher ein zweistufiger innerkantonaler Instanzenzug nicht als ausgeschlossen. Zwar hat das Eidg. Versicherungsgericht im zitierten BGE 110 V 59 f. Erw. 3b anhand der - entgegen der Meinung der Beschwerdeführer durchaus klaren - Materialien (BBl 1946 II 514ff. und 553, 1958 II 1216; vgl. auch 1964 II 707) hinsichtlich des AHV/IV-Rechts und des bundesrechtlichen Grundsatzes der Parteientschädigungspflicht eine zweite kantonale Beschwerdeinstanz als unzulässig bezeichnet. Mit Bezug auf die hier zu beurteilende Frage der Zulässigkeit eines zweifachen innerkantonalen Instanzenzuges im Bereiche der Ergänzungsleistungen kann den Materialien jedoch nicht dieselbe Bedeutung zuerkannt werden wie im genannten Urteil. Abgesehen davon, dass es sich beim dortigen Problem hinsichtlich der Parteientschädigung im wesentlichen um einen Einzelfall handelte, dessen Entscheidung bis dahin - soweit ersichtlich - nie zur Diskussion stand, geht es im vorliegenden Zusammenhang um eine während Jahrzehnten geübte und unwidersprochen gebliebene Praxis (vgl. auch z.B. BGE 108 V 111 sowie ZAK 1989 S. 280 und S. 408) in einer Vielzahl von Fällen bezüglich Ergänzungsleistungen. Bei der Gesetzesauslegung schlägt darum im vorliegenden Zusammenhang die Berücksichtigung des historischen Elements und mithin der aus den Materialien sich ergebenden Absicht des Gesetzgebers (BBl 1964 II 695 und 707) nicht durch (MEIER-HAYOZ, N. 218 zu Art. 1 ZGB). Vielmehr ist unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit der seit langem befolgten Praxis im Sinne der zürcherischen Lösung zu Art. 7 Abs. 2 Satz 1 ELG gegenüber der aus den Materialien hervorgehenden Einstufigkeit des kantonalen Rekursverfahrens der Vorzug zu geben (MEIER-HAYOZ, N. 334 zu Art. 1 ZGB mit zahlreichen Hinweisen; vgl. auch GERMANN, Methodische Grundfragen, S. 40 und 58; ders., Probleme und Methoden der Rechtsfindung, 2. Aufl., 1967, S. 66 ff.; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 6. Aufl., 1986, Nr. 20 ff., S. 127 ff.; RIEMER, Einleitungsartikel, § 4, N. 25 ff., insbesondere N. 46 ff.). Bei Annahme einer Bundesrechtswidrigkeit der zürcherischen Regelung könnten sich unabsehbare Folgen ergeben, indem die Durchführungsstellen im Hinblick auf allfällige auch in anderen Verfahren erhobene Rücknahme-, Wiederaufnahme- oder Wiedererwägungsbegehren sich vor praktisch kaum lösbare Schwierigkeiten gestellt sähen. Zudem ist nicht ersichtlich, inwiefern der zweistufige innerkantonale Instanzenzug vorliegend - im Gegensatz zu der in BGE BGE 110 V 56 Erw. 3 und 60 Erw. 4 behandelten Zulässigkeit eines mehrstufigen Rekursverfahrens mit gleichzeitiger Gabelung des Rechtsweges - die Anwendung des materiellen Bundessozialversicherungsrechts wesentlich erschweren oder gar die Rechte der Versicherten schmälern könnte. Der in BGE 108 V 111 hinsichtlich Parteientschädigung an einen Beschwerdegegner beurteilte Fall belegt vielmehr, dass bei einer sachgerechten Auslegung und Anwendung der Verfahrensgrundsätze nach Art. 85 Abs. 2 lit. a-h AHVG den Eigenheiten des doppelten zürcherischen Instanzenzuges durchaus in genügendem Masse Rechnung getragen werden kann.
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Bei diesen Gegebenheiten braucht auf die in den Vernehmlassungen der Fürsorgedirektion sowie der Rekurskommission und des Bundesamtes erwähnte - im vorliegenden Zusammenhang ohnehin nicht entscheidende (vgl. Erw. 2a hievor in fine) - Genehmigung der fraglichen Bestimmungen durch das Eidgenössische Departement des Innern ebensowenig näher eingegangen zu werden wie auf das von Rekurskommission und Bundesamt erörterte Problem der Qualifikation des Bezirksrates als Verwaltungs- oder Rechtspflegeorgan. Demnach muss es bei der Feststellung sein Bewenden haben, dass der zweifache kantonale Instanzenzug, wie er im zürcherischen Verfahrensrecht aufgrund von Art. 7 Abs. 2 Satz 1 ELG vorgesehen ist, bundesrechtlich nicht als unzulässig bezeichnet werden kann. In diesem Sinne ist die in BGE 110 V 60 Erw. 3b in fine offengelassene Frage zu beantworten.
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