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53. Urteil vom 24. Oktober 1990 i.S. X gegen Regierungsrat des Kantons Schaffhausen und Obergericht des Kantons Schaffhausen | |
Regeste |
Art. 73 BVG: Rechtspflege. |
- Probleme des Nebeneinanders von vorsorgerechtlichem Rechtsweg nach Art. 73 BVG und innerkantonalem dienstrechtlichem Rechtsweg bezüglich der Beurteilung des vorsorgerechtlich relevanten Verschuldens an der Nichtwiederwahl (Erw. 3). |
- Keine Heilung des Verfahrensmangels, wenn das vorinstanzliche Verfahren nicht gegen die selbständige öffentlich-rechtliche Pensionskasse, sondern gegen den kantonalen Regierungsrat durchgeführt worden ist (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 21. September 1988 liess X gegen den Nichtwiederwahl-Beschluss des Regierungsrates vom 30. August 1988 beim Obergericht des Kantons Schaffhausen Verwaltungsgerichtsbeschwerde einreichen mit den Anträgen, Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses sei als willkürlich aufzuheben und der Regierungsrat sei anzuweisen, ihn für die Amtsperiode 1989/1992 wiederzuwählen; eventualiter sei festzustellen, dass die Nichtwiederwahl unverschuldet sei.
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Mit einer zweiten Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 11. Oktober 1988 beschwerte sich X beim Obergericht überdies gegen den zweiten regierungsrätlichen Beschluss, worin er den Eventualantrag der ersten Eingabe zum Hauptantrag erhob. Er stellte die Begehren, Ziffer 1 und 2 des zweiten Regierungsratsbeschlusses vom 20. September 1988 seien wegen Willkür aufzuheben und es ![]() | 3 |
Aus prozessökonomischen Gründen vereinigte das Obergericht die beiden Beschwerdeverfahren auf Antrag des Beschwerdeführers (Beschluss vom 21. Oktober 1988). Dagegen wies es ein Gesuch um vorsorgliche Massnahme in dem Sinne, dass der Regierungsrat angewiesen werde, X ab 1. Januar 1989 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verwaltungsgerichtsverfahrens weiterhin als kantonalen Beamten zu beschäftigen und entsprechend zu besolden, ab (Beschluss vom 16. Dezember 1988). In der Beschwerdebegründung liess X klarstellen, dass der Hauptantrag auf Anweisung an den Regierungsrat auf Wiederwahl laute und dass der Eventualantrag auf Feststellung unverschuldeter Nichtwiederwahl sowie auf Ausrichtung der entsprechenden Pensionskassenleistungen gerichtet sei. Der Regierungsrat trug auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Replikweise hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest.
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Mit Entscheid vom 7. Juli 1989 wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet ab, indem es einerseits die Nichtwiederwahl bestätigte und anderseits das Verschulden an der Nichtwiederwahl bejahte. In der Rechtsmittelbelehrung wurde festgehalten, dass der Entscheid, soweit er das kassenrechtliche Verschulden der Nichtwiederwahl betreffe, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidg. Versicherungsgericht angefochten werden könne.
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C.- X lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen:
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"1. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 7. Juli
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1989 sei vollumfänglich aufzuheben.
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2. Es sei festzustellen, dass die Nichtwiederwahl von X ... für die
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Amtsperiode 1989/1992 unverschuldet im kassenrechtlichen Sinn erfolgt ist.
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Demgemäss sei hinsichtlich der finanziellen Ansprüche des
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Beschwerdeführers gemäss § 16 Abs. 4 in Verbindung mit § 33 des Dekretes
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des Grossen Rates des Kantons Schaffhausen über die kantonale
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Pensionskasse Schaffhausen vom 18. März 1985 zu verfahren..."
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In den Vorbemerkungen wird der Verzicht auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen den obergerichtlichen Entscheid einerseits ![]() | 15 |
Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen verzichtet auf nähere Ausführungen und beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung enthält sich eines Antrages.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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§ 12 (Austrittsguthaben)
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1. Ein Mitglied, das freiwillig aus dem Dienste und zugleich aus der Kasse ausscheidet, hat Anspruch auf die von ihm geleisteten Zahlungen. Vor dem 20. Altersjahr geleistete Risikoprämien (§ 23) werden jedoch nicht zurückerstattet.
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2. Dazu kommt als Freizügigkeitsleistung für jedes über vier hinausgehende volle Beitragsjahr ein Zuschlag von 4% der vom Mitglied geleisteten ordentlichen Prämien und Prämiennachzahlungen. Vorbehalten bleiben weitere Leistungen aufgrund von Freizügigkeitsabkommen mit andern Pensionskassen.
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§ 16 (Unverschuldete Nichtwiederwahl oder Entlassung)
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1. Wird ein Versicherter ohne eigenes Verschulden nicht wiedergewählt oder entlassen, so hat er Anspruch auf eine Abgangsentschädigung. Diese beträgt für jedes volle Beitragsjahr 10%, jedoch im Maximum 300% der zuletzt versicherten Besoldung. Die Hälfte der Abgangsentschädigung wird sofort, der Rest nach einem Jahr ausbezahlt.
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2. Der Arbeitgeber entscheidet, ob die Nichtwiederwahl oder Entlassung unverschuldet erfolgt ist.
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4. Erfolgt die unverschuldete Nichtwiederwahl oder Entlassung eines Versicherten nach dem 12. Mitgliedschaftsjahr und nach dem zurückgelegten 45. Altersjahr, so kann er anstelle des Austrittsguthabens und der Abgangsentschädigung eine Rente nach den Ansätzen von § 33 beanspruchen, sofern es sich um das Hauptamt des Versicherten handelt.
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2. Es stellt sich vorab die Frage der sachlichen und zeitlichen Zuständigkeit des Richters nach Art. 73 BVG. Sie ist vom Eidg. Versicherungsgericht wie alle Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen zu prüfen (BGE 115 V 130 Erw. 1, BGE 114 V 95 Erw. 2, 242 Erw. 3a, BGE 113 V 203 Erw. 3d, BGE 112 V 83 Erw. 1 und 365 Erw. 1a). Das Obergericht Schaffhausen (als kantonale Instanz für Streitigkeiten nach Art. 73 BVG; § 1 der Verordnung des Regierungsrates ![]() | 25 |
a) Die Kantonale Pensionskasse Schaffhausen ist eine öffentlich-rechtlich ausgestaltete registrierte Vorsorgeeinrichtung im Sinne von Art. 48 BVG in Verbindung mit Art. 5 ff. BVV 1 (§ 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 1 PKD). Sie wirkt einerseits am Obligatorium gemäss Art. 7 ff. BVG mit (§ 2 Abs. 3 PKD) und ist anderseits im Bereich der weitergehenden Vorsorge tätig (§§ 20 ff., 33 ff. PKD). Diesbezüglich sind die Bestimmungen des BVG über die Rechtspflege aufgrund von Art. 49 Abs. 2 BVG ebenfalls anwendbar. Dies gilt auch bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, soweit es dabei um spezifische Fragen der beruflichen Vorsorge (im engern oder weitern Sinn) geht (nicht veröffentlichtes Urteil W. vom 30. Mai 1989; RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 127; MEYER-BLASER, Die Rechtswege nach dem BVG, in: ZSR 106/1987 I S. 614).
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b) Im Falle des Beschwerdeführers ist die (dienstrechtliche) Nichtwiederwahl rechtskräftig entschieden worden, nachdem mit Bezug auf diesen Punkt eine staatsrechtliche Beschwerde wohl kaum in Betracht gekommen wäre (vgl. BGE 107 Ia 182). Offen sind hingegen noch die vermögensrechtlichen bzw. vorsorgerechtlichen Folgen der Nichtwiederwahl. Dabei zielt das Begehren des Beschwerdeführers in erster und auch in zweiter Instanz auf die Feststellung, dass die Nichtwiederwahl unverschuldet sei, sowie auf Ausrichtung einer Rente nach § 16 Abs. 4 in Verbindung mit § 33 PKD anstelle von Austrittsguthaben und Abgangsentschädigung. Es fragt sich, ob eine solche Streitigkeit spezifisch vorsorgerechtliche Ansprüche gegen eine Vorsorgeeinrichtung zum Gegenstand hat, welche den Rechtsweg nach Art. 73 BVG öffnet.
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c) Nach RIEMER (a.a.O., S. 127) fallen Streitigkeiten des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber um die Abgangsentschädigung nach Art. 339d OR nicht in die Sonderzuständigkeit nach Art. 73 BVG, weil es sich dabei um ein rein arbeitsvertragliches Rechtsinstitut handle, von dem die Vorsorgeeinrichtung bzw. das ![]() | 28 |
d) Wie das Austrittsguthaben stellt auch die Abgangsentschädigung eine Kassenleistung dar. Vorsorgeeinrichtungen der öffentlichen Hand pflegen nämlich über die Berufsvorsorge im engeren Sinne (Absicherung gegen die Risiken Alter, Tod und Invalidität) hinaus ihre Mitglieder überdies gegen das Risiko der unverschuldeten Nichtwiederwahl oder Entlassung zu versichern (vgl. JUD, Besonderheiten öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse nach schweizerischem Recht, insbesondere bei deren Beendigung aus nichtdisziplinarischen Gründen, Diss. St. Gallen 1975, S. 249 ff.). Eine solche Erweiterung des klassischen Versicherungszweckes, die sich in der Ausgestaltung an die Regelung für das Altersrisiko anlehnt, kennt auch die kantonale Pensionskasse Schaffhausen (§ 1 Abs. 1 PKD). Diese berufliche Vorsorge im weitern Sinne fällt nicht aus dem Zuständigkeitsbereich von Art. 73 BVG heraus (MEYER-BLASER, a.a.O., S. 614). Die Abgangsentschädigung bei unverschuldeter Nichtwiederwahl oder Entlassung nach § 16 Abs. 1 PKD bzw. die Rente nach § 16 Abs. 4 PKD stellt eine Kassenleistung dar, auch wenn dies in der Systematik des Dekretes nicht zum Ausdruck kommt, dessen Abschnitt VI "Leistungen der Versicherungskasse" (§§ 30 ff. PKD) diese Leistungsarten nicht erwähnt. So qualifiziert sich auch das Austrittsguthaben nach § 12 PKD, das als Freizügigkeitsleistung nicht geringer sein darf als das BVG-Altersguthaben (Art. 28 Abs. 1 BVG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 und 3 PKD), als Kassenleistung. An dieser Rechtsnatur der umstrittenen Leistungen ändert der Umstand nichts, dass nach § 16 Abs. 5 PKD Renten und Abgangsentschädigungen an unverschuldet Nichtwiedergewählte oder Entlassene zu Lasten des Arbeitgebers ![]() | 29 |
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b) Wie der vorliegende Fall zeigt, wirft das Nebeneinander von dienstrechtlichen und vorsorgerechtlichen Gesichtspunkten verschiedene Probleme des Rechtsweges auf. Auszugehen ist davon, dass der regierungsrätliche Beschluss, die Nichtwiederwahl gelte als verschuldet, einen Feststellungsentscheid über einen Teilaspekt des Rechtsverhältnisses des Nichtwiedergewählten zu seiner Pensionskasse darstellt. Es fragt sich zunächst, ob bei solchen Entscheidungen angesichts des Rechtsweges nach Art. 73 BVG ein davon verschiedener, separater innerkantonaler Rechtsmittelzug von Bundesrechts wegen überhaupt zulässig ist. Sodann erhebt ![]() | 31 |
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b) Der Beschwerdeführer verlangte bei der Vorinstanz nicht einfach die Feststellung der unverschuldeten Nichtwiederwahl, sondern er machte gleichzeitig auch einen Rentenanspruch nach § 16 Abs. 4 in Verbindung mit § 33 PKD geltend. Primär ging es dem Beschwerdeführer dabei um Rentenleistungen, deren Durchsetzung eben von der Beseitigung der Feststellung abhängt, die Nichtwiederwahl gelte als selbstverschuldet. Dieser Rentenanspruch kann sich aber allein gegen die Pensionskasse richten (§§ 30 ff. PKD). Die Pensionskasse ist sodann eine selbständige "öffentlichrechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit" (§ 1 Abs. 2 PKD). Sie ist demzufolge - im Gegensatz zu der im Urteil BGE 116 V 198 beteiligten unselbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt - selber partei- und prozessfähig. Bei dieser Rechtslage hätte die Vorinstanz zunächst die Frage der Passivlegitimation klären müssen, nachdem der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 11. Oktober 1988 sowie in der dazugehörigen Ergänzung vom 24. Januar 1989 den Regierungsrat und nicht die Pensionskasse als Gegenpartei angeschrieben hatte. Da dies nicht geschehen ist, fragt sich nach den Rechtsfolgen dieses Verfahrensmangels.
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Der Umstand, dass ein kantonales Gericht gemäss Art. 73 BVG den Prozess formell im Beschwerde- anstatt richtigerweise im Klageverfahren durchgeführt hat, stellt - für sich allein betrachtet - keinen Grund dafür dar, den vorinstanzlichen Entscheid von Amtes wegen aufzuheben (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 115 V 243, dem in diesem Punkt ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde lag). Dagegen bildet die Tatsache, dass im vorinstanzlichen Verfahren der Regierungsrat und nicht die kantonale Pensionskasse als Gegenpartei ins Recht gefasst und der vorinstanzliche Entscheid nicht gegen die Kasse gefällt wurde, einen schwerwiegenden prozessualen Mangel, der im letztinstanzlichen ![]() | 35 |
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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