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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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24. Auszug aus dem Urteil vom 30. September 1991 i.S. C. gegen Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und Rekurskommission des Kantons Thurgau für die AHV | |
Regeste |
Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV, Art. 41 IVG. Eintretensvoraussetzungen und Prüfungsbefugnis der Verwaltung bei einer Neuanmeldung (Präzisierung der Rechtsprechung). | |
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Tritt die Verwaltung auf die Neuanmeldung ein, so hat sie die Sache materiell abzuklären und sich zu vergewissern, ob die vom Versicherten glaubhaft gemachte Veränderung des Invaliditätsgrades oder der Hilflosigkeit auch tatsächlich eingetreten ist. Nach der Rechtsprechung hat sie in analoger Weise wie bei einem Revisionsfall nach Art. 41 IVG vorzugehen. Stellt sie fest, dass der Invaliditätsgrad oder die Hilflosigkeit seit Erlass der früheren rechtskräftigen Verfügung keine Veränderung erfahren hat, so weist sie das neue Gesuch ab. Andernfalls hat sie zunächst noch zu prüfen, ob die festgestellte Veränderung genügt, um nunmehr eine anspruchsbegründende Invalidität oder Hilflosigkeit zu bejahen, und hernach zu beschliessen. Im Beschwerdefall obliegt die gleiche materielle Prüfungspflicht auch dem Richter (BGE 109 V 115 Erw. 2b).
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4. a) Im vorliegenden Fall lautet das Dispositiv der ersten unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Verfügung vom 19. Dezember 1988 dahin, dass dem Rentenbegehren "aus dem oben erwähnten Grunde" nicht entsprochen werden könne. In der Verfügungsbegründung, auf die damit verwiesen wurde, ist im wesentlichen die für Nichterwerbstätige, insbesondere für Hausfrauen massgebende spezifische Methode der Invaliditätsbemessung (Art. 27 IVV) festgehalten und ausgeführt worden, die Abklärungen hätten ergeben, dass die Versicherte in ihrem Aufgabenbereich als Hausfrau nicht zu mindestens 40% arbeitsunfähig sei. Aus den Akten ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte für eine seither eingetretene wesentliche Änderung ihrer persönlichen, ![]() | 4 |
b) Die Verwaltung hat sich - aufgrund dieser insoweit unveränderten Verhältnisse und in der Annahme, die Statutfrage sei durch die unangefochten gebliebene Ablehnungsverfügung vom 19. Dezember 1988 formell rechtskräftig entschieden - in der angefochtenen Verfügung darauf beschränkt, die Invalidität der Beschwerdeführerin erneut nur als Hausfrau zu beurteilen. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Mit Art. 87 Abs. 4 IVV soll verhindert werden, dass sich die Verwaltung nach vorangegangener rechtskräftiger Leistungsverweigerung immer wieder mit gleichlautenden und nicht näher begründeten, d.h. keine Veränderung des Sachverhalts darlegenden Gesuchen befassen muss (BGE 109 V 114 Erw. 2a, 264 Erw. 3). Hingegen kann diese Eintretensvorschrift nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die glaubhaft zu machende Änderung gerade jenes Anspruchselement betreffen muss, welches die Verwaltung der früheren rechtskräftigen Leistungsabweisung zugrunde legte. Vielmehr muss es genügen, wenn der Versicherte zumindest die Änderung eines Sachverhalts aus dem gesamten für die Rentenberechtigung erheblichen Tatsachenspektrum glaubwürdig dartut. Trifft dies zu, ist die Verwaltung verpflichtet, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten und es in tatsächlicher (wie selbstverständlich auch in rechtlicher) Hinsicht allseitig zu prüfen. In diesem Sinne ist die in Erw. 3a wiedergegebene Rechtsprechung zu präzisieren.
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c) Die Beschwerdeführerin leidet an Coxarthrose beidseits, rechtsbetont, mit Periarthropathia coxae rechts bei Dysplasie und Beinlängendifferenz von 1,5 cm und an einem Lumbo-vertebralsyndrom bei Osteochondrose L5/S1 und Status nach Diskushernienoperation 1968.
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Das Beschwerdebild besteht seit 1984 und hat sich zunehmend verschlechtert. Der rechtserhebliche Sachverhalt hat sich folglich seit der Verfügung vom 19. Dezember 1988 bis zur Verfügung vom 27. Juni 1990 diesbezüglich verändert. Das begründet nach dem eben Gesagten das Eintreten und die Pflicht der Verwaltung, das Neuanmeldungsgesuch allseitig zu prüfen.
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Dr. med. S. führte bereits im Bericht vom 15. Juni 1988 aus, die Beschwerden hätten dazu geführt, dass die Beschwerdeführerin ihre Arbeit als Bestückerin in einer Elektronikfirma habe aufgeben müssen. Sie sei auch aus finanziellen Gründen gezwungen gewesen, wieder eine Arbeit aufzunehmen. Demgegenüber gab Dr. med. K. an, die Beschwerdeführerin habe 1984 die Arbeit von sich aus aufgegeben (telefonische Auskunft vom 28. Juli 1988).
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Anlässlich der Neuanmeldung ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin einer Erwerbstätigkeit nachginge, wäre sie nicht invalid, überhaupt nicht geprüft worden, weil die Verwaltung von der unzutreffenden Meinung ausging, die Qualifizierung der Beschwerdeführerin als Hausfrau in der Verfügung vom 19. Dezember 1988 unterliege der materiellen Rechtskraftwirkung. Sie wird dies nachzuholen haben.
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(Es folgen Ausführungen über die massgebenden Grundsätze bei der Beantwortung der Frage, ob ein Versicherter als ganztägig oder zeitweilig Erwerbstätiger oder als Nichterwerbstätiger einzustufen ist; vgl. BGE 117 V 194.)
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Ist die Beschwerdeführerin als teil- oder ganzerwerbstätig einzustufen, wird die Verwaltung die nötigen beruflichen und erwerblichen Abklärungen vornehmen. Bei einer allfälligen Beurteilung des Aufgabenbereichs einer Hausfrau wird sie sich auch mit den neu eingereichten Zeugnissen von Dr. med. S. vom 6. Juli 1990, 15. November 1990 und vom 22. Januar 1991 auseinanderzusetzen haben. Sodann wird sie über den Anspruch neu verfügen.
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