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34. Auszug aus dem Urteil vom 4. Dezember 1991 i.S. A. gegen Ausgleichskasse des Kantons Solothurn und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn | |
Regeste |
Art. 141 Abs. 3 AHVV. |
Der volle Beweis ist nach den üblichen Beweisführungs- und Beweislastgrundsätzen der im Sozialversicherungsrecht geltenden Untersuchungsmaxime zu leisten, wobei der Mitwirkungspflicht des Betroffenen erhöhtes Gewicht zukommt. | |
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Laut Art. 141 AHVV hat der Versicherte das Recht, bei jeder Ausgleichskasse, die für ihn ein individuelles Konto führt, einen Auszug über die darin gemachten Eintragungen zu verlangen ![]() | 3 |
b) Wenn Art. 141 Abs. 3 AHVV voraussetzt, dass für die Berichtigung unzutreffender oder unvollständiger Eintragungen im individuellen Konto der "volle Beweis" erbracht sein muss (la rectification peut être exigée si l'inexactitude des inscriptions est "pleinement prouvée", la rettificazione può essere richiesta quando gli errori di registrazione siano "debitamente provati"), so hat der Verordnungsgeber damit zweifellos eine Beweiserschwerung getroffen. Es stellt sich aber die Frage, ob diese Norm in zweifacher Hinsicht auf eine Beweisverschärfung abzielt, nämlich dass zum einen praktisch ein sicherer Beweis gefordert wird, der weitergeht als der übliche im Sozialversicherungsrecht geltende Beweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 115 V 142 Erw. 8b), und dass zum andern die Beweisführung durch den Versicherten selbst unter Ausschaltung des Untersuchungsgrundsatzes zu erfolgen hat. Dieser Grundsatz besagt, dass die verfügende - im Beschwerdefall die urteilende - Instanz den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen, aus eigener Initiative und ohne Bindung an die Vorbringen oder Beweisanträge der Parteien, abklären und feststellen muss. Der Grundsatz der Offizialmaxime gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten ![]() | 4 |
c) Das Eidg. Versicherungsgericht hatte schon mehrmals Gelegenheit, die Frage der Zulässigkeit der Kontenberichtigung zu prüfen. In ZAK 1969 S. 72 Erw. 2 hat es erkannt, die Beweiskraft eines individuellen Kontos, dessen Eintragungen vor Eintritt des Versicherungsfalles unbestritten waren, entspreche derjenigen eines öffentlichen Registers; seine Unrichtigkeit müsse von demjenigen nachgewiesen werden, der sie geltend mache (bestätigt im nicht veröffentlichten Urteil F. vom 12. November 1984). Im unpublizierten Urteil B. vom 13. November 1987, in welchem ein Streitfall im Berichtigungsverfahren vor Eintritt des Versicherungsfalles (Art. 141 Abs. 2 AHVV) zur Diskussion stand, wurde erwähnt, diesfalls bestehe grundsätzlich keine Bindung an die in Art. 141 Abs. 3 AHVV festgesetzten einschränkenden Beweisregeln, es sei denn, der Versicherte mache geltend, Beiträge in Marken entrichtet zu haben. Die Aussage, wonach im Berichtigungsverfahren bei Eintritt des Versicherungsfalles einschränkende Beweisregeln gelten, hat das Gericht in einem weiteren unveröffentlichten Urteil A. vom 28. September 1988 wiederholt, wobei es - mehr beiläufig - bemerkte, die Untersuchungsmaxime sei ausgeschlossen. Wiederum in einem nicht veröffentlichten Urteil N. vom 24. Oktober 1989, wo ein Sohn wegen des Zerwürfnisses mit seinem Vater nicht in der Lage war, die zur Beweisführung notwendigen vollständigen Akten zu beschaffen, hat das Eidg. Versicherungsgericht hingegen die vorinstanzlich angeordnete Rückweisung an die Ausgleichskasse ![]() | 5 |
d) Ein Teil der erwähnten Urteile, namentlich dasjenige in Sachen A. vom 28. September 1988, geht von der Annahme einer in diesem Bereich vorhandenen subjektiven Beweisführungslast aus. Davon weichen die letzten Urteile in Fällen ab, in denen der Versicherte, aufgrund der gegebenen besonderen Umstände, einerseits ausserstande war, selber den vollen Beweis für den von ihm behaupteten Sachverhalt zu erbringen, in denen anderseits nach der Aktenlage gewichtige Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Verwaltung (oder die urteilende Instanz) kraft der ihr zur Verfügung stehenden Mittel, somit von Amtes wegen, mehr Licht in die Angelegenheit zu bringen vermöchte. Eine Überprüfung der Sache ergibt, dass an der Formulierung im Urteil A. vom 28. September 1988, wonach die Beweisregelung von Art. 141 Abs. 3 AHVV die Untersuchungsmaxime ausschliesse, nicht festgehalten werden kann. Diese Bestimmung stellt wohl für die Kontoberichtigung bei Eintritt des Versicherungsfalles die qualifizierte Beweisanforderung auf, dass dafür der volle Beweis erbracht sein muss. Darin erschöpft sich Sinn und Zweck von Art. 141 Abs. 3 AHVV. Diese Norm schreibt aber nicht vor, dass der Versicherte selber den geforderten Beweis zu erbringen hat. Zu einer anderen Auslegung besteht auch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs kein Anlass. Dieses dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung des einzelnen eingreift (BGE 115 Ia 11 Erw. 2b mit Hinweis). Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, ![]() | 6 |
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b) Dass der Beschwerdeführer die Frage der Verbuchung fehlender Beitragszahlungen nicht schon früher im Rahmen eines Berichtigungsverfahrens nach Art. 141 AHVV aufgeworfen hat, kann ihm nicht angelastet werden. Zum einen sind die Versicherten nicht verpflichtet, periodisch Kontenauszüge zu verlangen und hernach allenfalls ein Berichtigungsverfahren nach Art. 141 Abs. 2 AHVV durchzuführen. Zum andern kann ein Berichtigungsverfahren auch noch bei Eintritt des Versicherungsfalles eingeleitet ![]() | 8 |
Es steht unbestrittenermassen fest, dass für die Jahre 1948-1950 keine Beiträge in das individuelle Konto des Beschwerdeführers eingetragen wurden und im Jahre 1951 eine Eintragung bezüglich des Lohnes der K. AG fehlt. Mit den von den Ausgleichskassen getätigten Abklärungen wurde vorerst nur festgestellt, ob offenkundige Eintragungsfehler bestehen, was nach den vorliegenden Akten zu verneinen ist. Damit ist aber das Beweisthema von Art. 141 Abs. 3 AHVV nicht erschöpft; es kann sein, dass zwar Sozialversicherungsbeiträge abgezogen, aber nicht abgeliefert worden sind, ein Sachverhalt, worüber die Beschwerdegegnerin vorliegend nichts Schlüssiges aussagen kann. Da der Beschwerdeführer die üblichen "vollen" Beweismittel, wie Zahltagstäschlein, Lohnausweise, nicht mehr zur Hand hat, kann der Beweis des Beitragsabzugs praktisch nur noch über Firmendokumente geliefert werden. Solche Abklärungen sind zu tätigen, wenn glaubwürdige Vorbringen und konkrete Anhaltspunkte im gegebenen Einzelfall dies nahelegen. Der Arbeitgeber ist zur Auskunft verpflichtet; er hat der Ausgleichskasse - im Beschwerdefall dem Richter - insbesondere alle nötigen Angaben für die Verbuchung der Beiträge und für die Eintragung in das individuelle Konto zu liefern (Art. 51 Abs. 3 Satz 2 AHVG in Verbindung mit Art. 35 Abs. 1 und 209 Abs. 1 AHVV).
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c) Aufgrund der Einwände des Beschwerdeführers im vorinstanzlichen wie im vorliegenden Verfahren sind zusätzliche Abklärungen bezüglich der Lohnzahlungen der K. AG im Jahre 1951 notwendig. Die Sache wird daher an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie prüfe, ob der Beschwerdeführer 1951 einen Lohn von der K. AG bezogen hat und gegebenenfalls in welchem Umfang ihm damals AHV-Beiträge tatsächlich abgezogen worden sind. Sollte der Arbeitgeber die Beiträge bei der Lohnzahlung tatsächlich in Abzug gebracht haben, wäre die entsprechende Nachtragsbuchung vorzunehmen und die Rente neu zu berechnen.
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Keine weiteren Abklärungen drängen sich hingegen bezüglich des Sozialtherapeutischen Instituts M. auf. Aus den von der zuständigen Ausgleichskasse des Kantons Tessin im kantonalen Verfahren eingereichten Lohnlisten 1948 und 1949 geht eindeutig hervor, dass unter den abgerechneten Löhnen keine Zahlungen ![]() | 11 |
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