BGE 117 V 354 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
49. Auszug aus dem Urteil vom 17. September 1991 i.S. "Zürich" Versicherungsgesellschaft gegen M. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft | |
Regeste |
Art. 9 Abs. 1 und 2 UVG, Art. 68 Abs. 1 KUVG. |
Die zu Art. 68 Abs. 1 KUVG ergangene Rechtsprechung ist auch unter der Herrschaft des UVG anwendbar. | |
Aus den Erwägungen: | |
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Nach der Rechtsprechung ist eine "vorwiegende" Verursachung von Krankheiten durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten nur dann gegeben, wenn diese mehr wiegen als alle andern mitbeteiligten Ursachen, mithin im gesamten Ursachenspektrum mehr als 50% ausmachen. "Ausschliessliche" Verursachung hingegen meint praktisch 100% des ursächlichen Anteils der schädigenden Stoffe oder bestimmten Arbeiten an der Berufskrankheit (BGE 114 V 111 Erw. 3c mit Hinweisen).
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b) Als Berufskrankheiten gelten auch andere Krankheiten, von denen nachgewiesen wird, dass sie ausschliesslich oder stark überwiegend durch berufliche Tätigkeit verursacht worden sind (Art. 9 Abs. 2 UVG). Diese Generalklausel bezweckt, allfällige Lücken zu schliessen, die dadurch entstehen könnten, dass die bundesrätliche Liste gemäss Anhang 1 zur UVV entweder einen schädigenden Stoff, der eine Krankheit verursachte, oder eine Krankheit nicht auf führt, die durch die Arbeit verursacht wurde (BGE 116 V 141 Erw. 5a, 114 V 110 Erw. 2b mit Hinweisen).
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Nach der Rechtsprechung ist die Voraussetzung des "ausschliesslichen oder stark überwiegenden" Zusammenhangs gemäss Art. 9 Abs. 2 UVG erfüllt, wenn die Berufskrankheit mindestens zu 75% durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden ist (BGE 114 V 109 mit Hinweisen).
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a) Die Vorinstanz hat ihren Entscheid damit begründet, "in einem in Anwendung von Art. 9 Abs. 1 UVG (recte: Art. 68 Abs. 1 KUVG) gefällten Entscheid (stelle) das Eidgenössische Versicherungsgericht die berufsspezifische Verschlimmerung einer Krankheit deren Verursachung gleich (BGE 108 V 160)". Dies erscheine richtig und solle auch im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 UVG berücksichtigt werden, sei doch kein vernünftiger Grund ersichtlich, der eine Ungleichbehandlung der beiden Fälle rechtfertige. Gestützt auf die Aussage des Dr. med. H., welcher in seinem Bericht vom 28. Juni 1989 die vorbestandenen Veränderungen mit einem Viertel ansetzte, folgerte das kantonale Gericht sodann, die berufsbedingte Verschlimmerung betrage "unausgesprochen" 75%, womit rechtsgenüglich dargetan sei, dass der Verursachungsanteil der beruflichen Tätigkeit an der Krankheit mindestens drei Viertel betrage und demzufolge die Voraussetzungen für die Bejahung einer Berufskrankheit erfüllt seien.
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b) Wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren stellt sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, die berufsbedingte Verschlimmerung eines vorbestandenen Gesundheitsschadens genüge für die Anerkennung von Art. 9 Abs. 2 UVG nicht. Analog zu BGE 108 V 160 könne allenfalls unter der Geltung des UVG für Berufskrankheiten nach Abs. 1 von Art. 9 UVG entschieden werden, nicht aber auch für die "anderen" Krankheiten gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung. Diese Ungleichbehandlung sei um so mehr am Platz, als letzterer Absatz nach dem klaren Willen des Gesetzgebers ein Auffangstatbestand sei, laut BGE 114 V 109 die Trennung zwischen Krankheit und Berufskrankheit klar zutage liegen müsse und Lehre wie Rechtsprechung an den Nachweis einer Berufskrankheit im Sinne der Generalklausel strenge Anforderungen stellten.
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c) Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. In BGE 108 V 158, in dem es um die Verschlimmerung einer vorbestandenen Krankheit durch einen Listenstoff nach altem Recht (Art. 68 Abs. 1 KUVG in Verbindung mit Art. 1 der Verordnung über Berufskrankheiten) ging, hat das Eidg. Versicherungsgericht in Änderung der Rechtsprechung erkannt, die Unfallversicherung habe wesentlich den Zweck, die Arbeitnehmer vor den wirtschaftlichen Folgen unfall- bzw. berufskrankheitsbedingter Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit zu schützen. Unter diesem Gesichtspunkt sei es unerheblich, ob eine bestimmte Verminderung der Erwerbsfähigkeit bei einem bisher Gesunden eintrete oder auf einer Verschlimmerung eines vorbestandenen Leidens beruhe. Die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen seien für die Betroffenen in beiden Fällen grundsätzlich die gleichen. Es lasse sich daher nicht rechtfertigen, die ausschliesslich oder vorwiegend durch die Einwirkung eines Listenstoffes verursachte Verschlimmerung einer bereits bestehenden Krankheit rechtlich anders zu behandeln als eine Krankheit, die als solche ausschliesslich oder vorwiegend durch einen Listenstoff verursacht worden ist.
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Diese Überlegungen behalten auch unter der Herrschaft des neuen Rechts ihre volle Gültigkeit, und zwar im Rahmen von Abs. 1 wie Abs. 2 des Art. 9 UVG. Denn wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, lässt sich sachlich in der Tat kein vernünftiger Grund ausmachen, der eine unterschiedliche Behandlung der Verschlimmerung von Berufskrankheiten nach der Enumerationsmethode (Listenstoffe oder Listenkrankheiten) und denjenigen nach der Generalklausel als gerechtfertigt erscheinen liesse. Sodann entspricht das Krankheitsverzeichnis des Anhangs 1 UVV, von wenigen redaktionellen Abänderungen abgesehen, weitgehend der früheren Verordnung über Berufskrankheiten vom 17. Dezember 1973, so dass die zum alten Recht ergangene Rechtsprechung im Bereich des UVG nach wie vor anwendbar ist. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin vermögen die von ihr ins Feld geführten Argumente eine Ungleichbehandlung der Verschlimmerung von Berufskrankheiten nach dem ersten Absatz einerseits und dem zweiten Absatz anderseits nicht zu untermauern. Zutreffend ist zwar, dass es sich bei der Generalklausel um einen Auffangstatbestand handelt. Daraus kann aber mit Bezug auf die Verschlimmerung einer Krankheit ebensowenig etwas abgeleitet werden wie aus dem Umstand, dass die Anerkennung solcher Berufskrankheiten an einen strengen Massstab geknüpft ist, indem für deren Nachweis das Erfordernis des qualifizierten Kausalzusammenhanges ("stark überwiegende Ursache") erfüllt sein muss. Die beiden Bestimmungen unterscheiden sich darin, dass Art. 9 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Anhang 1 UVV die für Berufskrankheiten verantwortlichen schädigenden Stoffe (Listenstoffe) sowie die Krankheiten (Listenkrankheiten) und Arbeiten, die als Ursache für die jeweils aufgeführten Krankheiten zugelassen sind, abschliessend aufzählt (RKUV 1988 Nr. U 61 S. 449 Erw. 1a). Dieses Verzeichnis beinhaltet grundsätzlich jene Krankheiten, von denen man aus der Erfahrung weiss, dass sie durch krankmachende Stoffe oder durch den Beruf erworben worden sind (vgl. dazu MORGER, Berufskrankheiten, in: Schweizerischer Versicherungskurier, 1988, S. 120; vgl. auch MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 222 am Ende). In dem Sinne handelt es sich dabei um bekannte, nicht aber notwendigerweise auch typische Krankheitsbilder, wobei es in diesem Zusammenhang freilich zu präzisieren gilt, dass die Listenarbeiten und arbeitsbedingten Erkrankungen gemäss der Doppelliste stets mit bestimmten Krankheitsbildern korrespondieren, während die Anerkennung als Berufskrankheit im Rahmen der einfachen Liste des Stoffverzeichnisses kein bestimmtes, typisches Krankheitsbild voraussetzt (RKUV 1988 Nr. U 61 S. 449 f. Erw. 1; vgl. auch EVGE 1963 S. 6). Demgegenüber dient Art. 9 Abs. 2 UVG als Auffangbecken für alle durch die berufliche Tätigkeit verursachten Krankheiten, die in der bundesrätlichen Verordnung nicht figurieren, zumal das ihr zugrunde liegende Listensystem die Gefahr von Unvollständigkeit und Lücken in sich birgt. Davon erfasst sind nicht nur jene Krankheiten, die zum typischen Berufsrisiko des Betroffenen gehören (vgl. RKUV 1987 Nr. U 28 S. 401), sondern auch solche, die durch die Berufsarbeit verursacht werden, aber eben nicht typisch sind oder zwar typisch sind, aus irgend einem Grunde aber auf der Liste fehlen. Die Generalklausel bildet insoweit nichts anderes als das Auffangnetz für neue Erkenntnisse im Bereich der krankmachenden Arbeiten oder krankmachenden Stoffe (MORGER, a.a.O., S. 120); falls neue schädigende Stoffe oder neue beruflich bedingte Erkrankungen mit ausreichender Zuverlässigkeit festgestellt werden sollten, dürfte in der Regel der Anhang 1 UVV über die Berufskrankheiten zu ergänzen sein (MAURER, a.a.O., S. 222). Die neue Regelung von Art. 9 Abs. 2 UVG trat an die Stelle der bisherigen "freiwilligen Leistungen", welche die SUVA unter dem Regime des KUVG zur Schliessung von Lücken des Listensystems ausrichtete (Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung, BBl 1976 III 166).
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Nach dem klaren Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 UVG findet keine Beschränkung der gefährdenden Stoffe oder bestimmter Krankheiten statt. Grundsätzlich ist jede Einwirkung am Arbeitsplatz als Ursache für eine Berufskrankheit anerkannt, unter der Bedingung, der ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Krankheit sei "stark überwiegend", was im Verhältnis zum ersten Absatz von Art. 9 UVG ("vorwiegend") eine zusätzliche Quantifizierung bedeutet und nach der Rechtsprechung einen berufsbedingten Verursachungsanteil von mindestens 75% voraussetzt (BGE 114 V 109; vgl. dazu auch SCHLEGEL/GILG, Kausalitätsfragen bei der Beurteilung von Unfällen und Berufskrankheiten, in: Mitteilungen der medizinischen Abteilung der SUVA, Heft Nr. 57, November 1984, S. 15 f.). Daraus erhellt, dass kein Ansatzpunkt vorhanden ist, bezüglich der listenmässig erfassten und der "anderen" Berufskrankheiten einen Unterschied darin zu machen, dass bei jenen die Verschlimmerung des Leidens der Verursachung gleichgesetzt wird, bei den übrigen aber nicht. Die unterschiedliche Behandlung wäre im Gegenteil mit dem Sinn und Zweck der Generalklausel nicht zu vereinbaren und würde deren Grundgedanken zuwiderlaufen. So wie das Wort "verursacht" in Art. 9 Abs. 1 UVG die Verschlimmerung der bestehenden Krankheit durch die berufliche Tätigkeit miteinschliesst, kommt diesem Wort in Abs. 2 von Art. 9 UVG die gleiche Bedeutung zu. Sämtliche in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwände vermögen hieran nichts zu ändern.
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