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10. Urteil vom 11. Februar 1993 i.S. A. AG u. G. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zug und Verwaltungsgericht des Kantons Zug | |
Regeste |
Art. 1 Abs. 1 lit. b AHVG; Art. 5 des Sozialversicherungsabkommens mit der Bundesrepublik Deutschland vom 25. Februar 1964. |
- Für die Versicherungs- und Beitragspflicht genügt es, dass das im Ausland wohnende Verwaltungsratsmitglied aufgrund seiner formellen Organstellung in der Gesellschaft deren Geschäftstätigkeit massgebend beeinflussen kann (E. 4). |
Art. 1 Abs. 2 lit. c AHVG; Art. 2 AHVV. |
- Im Ausland wohnhafte Verwaltungsratsmitglieder von Aktiengesellschaften mit Sitz in der Schweiz gelten nicht als Personen, welche die Voraussetzungen der Versicherungs- und Beitragspflicht nur für eine verhältnismässig kurze Zeit erfüllen. |
- Rz. 3049 des KS über die Versicherungspflicht (KS), gültig ab 1.1.90, ist bundesrechtswidrig (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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Anlässlich einer im September 1990 durchgeführten Arbeitgeberkontrolle stellte die Revisionsstelle u.a. fest, dass die Firma A. AG in den Jahren 1986 bis 1989 an Wilhelm G. nebst einer pauschalen ![]() | 2 |
B.- Die von der A. AG gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 31. Januar 1991 abgewiesen.
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C.- Fürsprech K. erhebt "im Namen und Auftrag der A. AG und von Herrn Wilhelm G." Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass nach Art. 1 Abs. 2 lit. c AHVG und den Verwaltungsweisungen das Organ einer juristischen Person mit Wohnsitz im Ausland, welches keinen Einfluss auf die Geschäftsführung habe, der Beitragspflicht nicht unterliege. Während die Ausgleichskasse auf eine Stellungnahme verzichtet, lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) mit dem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vernehmen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidg. Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
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Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidg. Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.
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b) Gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. b AHVG sind nach Massgabe dieses Gesetzes die natürlichen Personen obligatorisch versichert, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben. Nach dem im Sozialversicherungsabkommen statuierten Erwerbsortsprinzip ist für die Annahme einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz im Sinne von Art. 1 Abs. 1 lit. b AHVG nicht erforderlich, dass die natürliche Person, welcher der wirtschaftliche Ertrag dieser Tätigkeit zufliesst, sich in ![]() | 10 |
Nach ständiger Rechtsprechung üben Personen mit Wohnsitz im Ausland, welche die Geschäftsleitung eines Unternehmens mit wirtschaftlichem Zweck und mit Sitz in der Schweiz haben, regelmässig eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz aus. Die geschäftsleitende Funktion einer Person ergibt sich insbesondere aus ihrer Organstellung und der damit verbundenen Dispositionsbefugnis, je nach den Umständen auch aus dem Umfang der Kapitalbeteiligung. Wer seinen Wohnsitz im Ausland hat, aber als Verwaltungsrat, als Direktor oder in einer andern leitenden Funktion einer juristischen Person mit Sitz in der Schweiz im Handelsregister eingetragen ist und demzufolge einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des schweizerischen Unternehmens auszuüben vermag, ist in der Schweiz erwerbstätig und daher für das ihm aus der Gesellschaft zufliessende Erwerbseinkommen beitragspflichtig, selbst wenn er die ihm zustehenden Befugnisse nicht ausübt und die eigentliche Geschäftsleitung andern Personen übertragen ist (ZAK 1983 S. 194, 1975 S. 246 und 369). Die Annahme einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz im Sinne von Art. 1 Abs. 1 lit. b AHVG setzt anderseits nicht voraus, dass die im Ausland wohnende Person in der schweizerischen Gesellschaft formell die Stellung eines leitenden Organs hat und als solches im Handelsregister eingetragen ist. Nach der massgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise genügt es, dass sie tatsächlich geschäftsleitende Befugnisse ausübt und ihr damit faktische Organstellung zukommt (ZAK 1991 S. 495; vgl. auch Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, S. 22 f.).
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4. a) Die Vorinstanz hat die streitige Nachzahlungsverfügung vom 22. November 1990 im wesentlichen mit der Begründung geschützt, dass Wilhelm G. seit 19. März/2. April 1986 als Mitglied und Vizepräsident des Verwaltungsrates der A. AG im Handelsregister eingetragen sei und im massgebenden Zeitraum aufgrund seiner Organstellung und der damit verbundenen Befugnisse zur ![]() | 12 |
Da er in seiner Eigenschaft als Verwaltungsratsmitglied Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit erziele (Art. 5 AHVG in Verbindung mit Art. 7 lit. h AHVV), sei die A. AG als Arbeitgeberin im Sinne von Art. 12 Abs. 1 AHVG für die ausbezahlte Entschädigung beitrags- und abrechnungspflichtig (Art. 14 Abs. 1 AHVG).
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Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, dass Wilhelm G. die A. AG nach aussen in keiner Weise vertrete und keine Einflussmöglichkeit auf deren Geschäftstätigkeit habe. Seitens der G. A. GmbH handle es sich um eine reine Finanzbeteiligung ohne Absicht auf Einflussnahme. Entsprechend der finanziellen Beteiligung der G.-Gruppe und von Jacques N. seien auch Honorar und Spesen paritätisch ausgestaltet. Nach der Rechtsprechung sei die Beitragspflicht jeweils bejaht worden, wenn ein direkter Einfluss auf die Geschäftsleitung festgestellt worden sei und aufgrund qualitativer Merkmale eine Erwerbstätigkeit habe angenommen werden können. Wenn die Vorinstanz als Indiz für einen Einfluss auf die Geschäftsleitung die paritätisch ausgestaltete Beteiligung und Entschädigung erwähne, bejahe sie die Beitragspflicht in unzulässiger Weise allein aufgrund eines quantitativen Merkmals. Des weitern sei darauf hinzuweisen, dass lediglich zwei Verwaltungsratssitzungen im Jahr stattfänden, so dass auch aufgrund dieses Umstandes kein Einfluss von Wilhelm G. auf die Geschäftsführung festgestellt werden könne.
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b) Wilhelm G. ist als Mitglied und Vizepräsident des Verwaltungsrates der A. AG im Handelsregister eingetragen und hat damit formelle Organstellung. Auch wenn die Geschäftsführung laut Aktionärbindungsvertrag vom 26. Mai 1986 beim Verwaltungsratspräsidenten Jacques N. liegt und Wilhelm G. im Rahmen der A. AG über keine Zeichnungsberechtigung verfügt, vermag er aufgrund seiner Aufsichts- und Kontrollrechte (Art. 713 OR), welche er schon im Hinblick auf die aktienrechtliche Verantwortlichkeit (Art. 752 ff. OR) ![]() | 15 |
Wenn die Vorinstanz unter diesen Umständen zum Schluss gelangt ist, dass Wilhelm G. in der fraglichen Zeit eine im Sinne von Art. 1 Abs. 1 lit. b AHVG beitragspflichtige Erwerbstätigkeit in der Schweiz ausgeübt hat, hat sie weder in unzulässiger Weise allein aufgrund quantitativer Merkmale entschieden noch sonstwie Bundesrecht verletzt.
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a) Nach Art. 1 Abs. 2 lit. c AHVG sind Personen, welche die in Art. 1 Abs. 1 AHVG genannten Voraussetzungen nur für eine verhältnismässig kurze Zeit erfüllen, nicht versichert. Mit Art. 2 AHVV hat der Bundesrat ergänzende Bestimmungen erlassen und den Begriff der verhältnismässig kurzen Zeit für einzelne Personenkategorien und Tätigkeiten näher umschrieben. Danach gelten als Personen, welche die Voraussetzungen für die obligatorische Versicherung nur für eine verhältnismässig kurze Zeit erfüllen, solche, die sich ausschliesslich zu Besuchs-, Kur-, Ferien-, Studien- oder sonstigen Ausbildungszwecken in der Schweiz aufhalten, sofern sie in der Schweiz ![]() | 18 |
Die Verordnungsbestimmung enthält keine Vorschriften hinsichtlich der Versicherungs- und Beitragspflicht von im Ausland wohnhaften Verwaltungsratsmitgliedern schweizerischer Aktiengesellschaften. Dagegen wird in Rz. 3049 des vom BSV herausgegebenen Kreisschreibens über die Versicherungspflicht (KSV), gültig ab 1. Januar 1990, festgestellt, dass im Ausland wohnhafte Personen, die als Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz nur an Verwaltungsratssitzungen teilnehmen und weder geschäftsleitende Funktionen ausüben noch über eine Zeichnungsberechtigung verfügen, als in der Schweiz nur für eine verhältnismässig kurze Zeit erwerbstätig gelten. Es fragt sich, ob diese Verwaltungsweisung mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen vereinbar ist (vgl. BGE 117 V 284 E. 4c, BGE 116 V 19 E. 3c mit Hinweisen).
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b) Mit Art. 1 Abs. 2 lit. c AHVG sollen jene Personen nicht in das Obligatorium einbezogen werden, welche die Voraussetzungen dafür nur für verhältnismässig kurze Zeit erfüllen, d.h. nur für eine verhältnismässig kurze Zeit in der Schweiz Wohnsitz nehmen, in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben oder im Ausland für einen Arbeitgeber in der Schweiz tätig sind (Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die AHV vom 20. Dezember 1946, BBl 1946 II 520). Dementsprechend betreffen die in Art. 2 AHVV genannten Ausnahmen von der Versicherungspflicht Personen, die sich nur vorübergehend in der Schweiz aufhalten, ohne hier eine Erwerbstätigkeit auszuüben (lit. a und e) oder nur während einer bestimmten (einmaligen oder jährlich begrenzten) Dauer in der Schweiz ![]() | 20 |
Der Ausnahmetatbestand gemäss Rz. 3049 KSV lässt sich unter keine der in Art. 2 AHVV genannten Kategorien subsumieren; entgegen der von Binswanger (Kommentar zum Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, S. 17) geäusserten Auffassung auch nicht unter lit. b der Bestimmung, welche Personen betrifft, die in der Schweiz nur bestimmte Aufträge ausführen oder Verpflichtungen zu erfüllen haben (vgl. hiezu ZAK 1990 S. 338). Nicht um eine solche, zum vornherein begrenzte Tätigkeit handelt es sich bei den im Ausland wohnhaften Verwaltungsratsmitgliedern schweizerischer Gesellschaften, welche ihre Funktion grundsätzlich während des ganzen Jahres (und nicht nur während der Verwaltungsratssitzungen) ausüben. Es kann bezüglich dieser Personen daher nicht von einer Erwerbstätigkeit während verhältnismässig kurzer Zeit im Sinne von Gesetz und Verordnung gesprochen werden.
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Sodann bilden weder der Umstand, dass ein Verwaltungsratsmitglied seine Tätigkeit auf die Teilnahme an den Verwaltungsratssitzungen beschränkt, noch die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte Anzahl der jährlichen Verwaltungsratssitzungen ein taugliches Abgrenzungskriterium. Abgesehen davon, dass der massgebende Sachverhalt in der Regel kaum festzustellen wäre (so auch Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, S. 40 N. 1.83), ändert nach dem Gesagten am Tatbestand der Erwerbstätigkeit nichts, ob ein Verwaltungsratsmitglied über die blosse Teilnahme an Verwaltungsratssitzungen hinaus in der Gesellschaft mitwirkt und damit geschäftsleitende Funktionen ausübt oder nicht. Die Versicherungs- und Beitragspflicht folgt unmittelbar aus der formellen Organstellung und den damit verbundenen Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsleitung, so dass auch dem Kriterium der Zeichnungsberechtigung nicht entscheidende Bedeutung zukommt. Das BSV räumt in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde denn auch selber ein, dass sich die getroffene Regelung sachlich als problematisch erweise und das Eidg. Versicherungsgericht bei der Beurteilung der Versicherungspflicht von im Ausland wohnenden Verwaltungsratsmitgliedern schweizerischer Aktiengesellschaften bisher nie zwischen geschäftsführenden und nichtgeschäftsführenden Verwaltungsräten unterschieden habe. Das ![]() | 22 |
Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass sich Rz. 3049 KSV als bundesrechtswidrig erweist, weshalb die Beschwerdeführerin hieraus nichts für sich ableiten kann.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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I. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Wilhelm G. wird nichteingetreten.
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