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12. Urteil vom 24. Februar 1993 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Zürich gegen D. und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | |
Regeste |
Art. 52 AHVG: Arbeitgeberhaftung - Verzugszins. |
Hingegen ist auch hier die ausnahmsweise Zusprechung möglich, und zwar in Fällen, wo ein Haftpflichtiger nach Konkurseröffnung bzw. Ausstellung des Pfändungsverlustscheines durch trölerische Machenschaften zur Verzögerung beiträgt. | |
Sachverhalt | |
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B.- Auf René D's Einsprache hin reichte die Ausgleichskasse bei der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Klage ein auf Zahlung des Schadenersatzes im verfügten Umfang, nebst Verzugszins von 5% pro Jahr auf Fr. 9'882.75.
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Mit Entscheid vom 19. November 1991 hiess die Rekurskommission die Klage hinsichtlich des replikweise auf Fr. 7'888.05 verminderten Schadenersatzbetrages gut, wies indes das Begehren um Verzugszins zufolge mangelnder gesetzlicher Grundlage ab.
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C.- Die Ausgleichskasse des Kantons Zürich erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei insoweit aufzuheben, als darin die Verzugszinspflicht verneint worden ist.
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René D. schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) deren Gutheissung beantragt.
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Auf die Begründung der Anträge wird - soweit erforderlich - in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
1. a) Nachdem die Vorinstanz die Schadenersatzpflicht des Beschwerdegegners nach Art. 52 AHVG bejaht hat, ist im vorliegenden Verfahren einzig streitig, ob die beschwerdeführende ![]() | 7 |
b) Auf die im Zusammenhang mit der Arbeitgeberhaftung gemäss Art. 52 AHVG erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur soweit eingetreten werden, als Schadenersatzforderungen kraft Bundesrechts streitig sind (vgl. BGE 118 V 69 E. 1b, BGE 101 V 3; NUSSBAUMER, Die Ausgleichskasse als Partei im Schadenersatzprozess nach Art. 52 AHVG, ZAK 1991 S. 439). Liegen nicht die Forderungen selbst, sondern einzig die sich daraus ergebenden Verzugszinsen im Streit, muss aufgrund deren Akzessorietät dasselbe gelten. Damit ist auf die hier zu beurteilende Verwaltungsgerichtsbeschwerde insoweit nicht einzutreten, als sie sich gegen die Abweisung des Verzugszinsbegehrens für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse richtet.
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c) (Kognition)
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Das BSV pflichtet dem bei und hebt seinerseits hervor, dass das Eidg. Versicherungsgericht in gewissen Fällen durchaus Verzugszinsen zugesprochen habe. Dies sei gleichermassen im Bereich der Schadenersatzforderungen nach Art. 52 AHVG geboten, weil diesbezüglich die von der Rechtsprechung für die Verneinung der Verzugszinspflicht üblicherweise angeführte, auf das Leistungs- und Beitragsrecht zugeschnittene Rechtfertigung nicht greife. Statt dessen ![]() | 11 |
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Das Eidg. Versicherungsgericht hat diese Grundsätze mit ihrer Anwendung auf schiedsgerichtliche Forderungsstreitigkeiten aus geltend gemachter Überarztung in der Krankenversicherung vor kurzem erneut bekräftigt; dies unter Hinweis darauf, dass in solchen Fällen eine zwischen den zuständigen Vertragspartnern allenfalls getroffene Abmachung über die Folgen verspäteter Zahlung zu beachten ist (BGE 117 V 352; vgl. ferner BGE 103 V 156 E. 7; RKUV 1984 Nr. K 573 S. 82). Zugleich hat das Gericht präzisiert, dass die ausnahmsweise Zusprechung von Verzugszinsen dann nicht angeht, vielmehr Klage aus Staatshaftung erhoben werden muss, wenn das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten nicht der Verwaltung, sondern einer kantonalen Rekursbehörde anzurechnen ist (BGE 117 V 352 E. 3).
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c) Was die besondere Frage der Zulässigkeit von Verzugszins auf einer Schadenersatzforderung im Sinne von Art. 52 AHVG anbelangt, bildete diese bislang noch nie Gegenstand materieller höchstrichterlicher Beurteilung, und zwar auch nicht in den beiden vom BSV angeführten Urteilen. Von diesen erging ersteres zum Verzugszins gemäss Art. 41bis AHVV, dessen Lauf das Eidg. Versicherungsgericht mit der Ausstellung des Pfändungsverlustscheines enden liess, nachdem die Vorinstanz hiefür das Datum ihres Entscheides als massgebend erachtet hatte (unveröffentlichtes Urteil E. vom 26. Juli 1984); mit dem anderen Urteil wurde - ohne jede Ausführung zur Frage der Verzinsung - ein Entscheid bestätigt, in dem ein kantonalrechtlicher Prozesszins zugesprochen worden war (unveröffentlichtes Urteil E. vom 7. Oktober 1988).
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Der besonderen Erwähnung verdient hingegen BGE 112 V 273 E. 6, worin bezogen auf die Haftung der Gründerverbände (Art. 70 AHVG) unter Hinweis auf die Rechtsprechung und das Fehlen einer besonderen gesetzlichen Grundlage vermerkt wurde, dass der Kläger zu Recht keinen Verzugszins gefordert habe. Hinsichtlich des auf kantonalrechtlicher Grundlage zugesprochenen Zinses ist des weiteren auf ein vor kurzem - in einer schiedsgerichtlichen Streitigkeit nach Art. 25 KUVG - ergangenes Urteil zu verweisen, in dem das Eidg. Versicherungsgericht die Verzinsung des Rückforderungsanspruchs ab Klageeinreichung als bundesrechtswidrig qualifizierte (unveröffentlichtes Urteil D. vom 14. Januar 1992).
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4. a) Der unter E. 3a dargelegten Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts ist seitens der Lehre auch nach BGE 108 V 13 ![]() | 17 |
b) Trotz dieser Kritik besteht kein Grund für eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung (zu den Voraussetzungen der Praxisänderung vgl. BGE 110 V 124 E. 2e; ZAK 1992 S. 131 E. 2c); dies um so weniger, als sich ein beachtlicher Teil des jüngeren Schrifttums keineswegs kritisch darüber ausgelassen hat (GYGI, Verwaltungsrecht - Eine Einführung, S. 296 HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Rz. 606 ff.; KNAPP, Précis de droit administratif, 4. Aufl. Rz. 760 ff.), und sich im vorliegenden Fall auch die Verwaltung nicht grundsätzlich dagegen zu wenden scheint.
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a) Dies folgt zunächst aus dem fehlenden Erfordernis der gesetzlichen Grundlage, welcher Mangel sich - entgegen der seitens der beschwerdeführenden Kasse vertretenen Auffassung - nicht einfach durch die analoge Anwendung der für den Beitragsbereich geschaffenen Verzugszinsordnung (Art. 41bis Abs. 1 AHVV in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 lit. e AHVG) beheben lässt. Denn selbst wenn der gemäss Art. 52 AHVG geschuldete Schadenersatz letztlich auf Beitragsverluste zurückgehen mag, scheint eine derartige Analogie schon aufgrund des Umstandes kaum haltbar zu sein (zum Analogieschluss: BGE 117 V 212 E. 4c mit Hinweisen), dass es sich bei Schadenersatz- und Beitragsforderungen rechtlich gesehen nicht um identische Forderungen handelt (NUSSBAUMER, a.a.O., S. 387 und 439; BGE 119 V 89). Davon abgesehen wäre die ausdrückliche Verankerung der generellen Verzugszinspflicht im Bereich von Art. 52 AHVG auf Gesetzesstufe auch deswegen einer nur den Anschein der Gesetzmässigkeit vermittelnden Analogie (Rhinow, Rechtsetzung und Methodik, S. 108, bei FN 200) vorzuziehen, weil - worauf im Schrifttum zu Recht verwiesen wird - für Schadenersatzforderungen im Sinne von Art. 52 AHVG in den ![]() | 21 |
b) Ebensowenig vermag sodann der Einwand des BSV zu verfangen, die Arbeitgeberhaftung nach Art. 52 AHVG liege ausserhalb des Beitrags- und Leistungsbereichs, womit sich eine vermehrt am öffentlichrechtlichen Haftpflichtrecht orientierte Sichtweise aufdränge. Wohl ist einzuräumen, dass die Rechtsprechung zum Verzugszins in erster Linie im Hinblick auf die genannten Bereiche ergangen ist. Gerade das unter E. 3c hievor erwähnte Urteil (BGE 112 V 273 E. 6) über die - dem Grundsatze nach wie die Arbeitgeberhaftung ausgestaltete (vgl. BINSWANGER, Kommentar zum Bundesgesetz über die AHV, S. 213) - Verantwortlichkeit der Gründerverbände (Art. 70 AHVG) belegt indes, dass das Eidg. Versicherungsgericht die bisherige Rechtsprechung durchaus über den eigentlichen Beitrags- und Leistungsbereich hinaus angewendet hat.
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Endlich lässt die Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung die allgemeine Verzugszinspflicht auf Schadenersatzforderungen nach Art. 52 AHVG auch deshalb nicht zu, weil einer ihrer zentralen Gedanken just darin besteht, Ausnahmen von der allgemeinen Unverzinslichkeit nicht für ganze Gruppen von Fällen, sondern nur einzelfallweise zuzubilligen (BGE 117 V 352 E. 2). Insofern besteht auch im Bereich von Art. 52 AHVG die grundsätzliche Möglichkeit, je nach den konkreten Umständen Verzugszinsen zuzusprechen, doch ist dies einzig dort gerechtfertigt, wo das Rechtsempfinden in besonderer Weise berührt wird (BGE 117 V 352 E. 2). Ob dies zutrifft, kann freilich nicht vom haftungsbegründenden Verhalten selbst abhängen. Denn der dadurch verursachte, unter dem Titel von Art. 52 AHVG zu ersetzende Schaden umfasst auch die Verzugszinsen für rückständige Beiträge (Art. 41bis AHVV) bis zur Ausstellung des Pfändungsverlustscheines (Art. 149 Abs. 4 SchKG) oder bis zur Eröffnung des Konkurses (Art. 209 SchKG) über die Arbeitgeberfirma (NUSSBAUMER, a.a.O., S. 433; unveröffentlichtes Urteil E. vom 26. Juli 1984). Soweit es mithin innerhalb dieser zeitlichen Grenzen zu verzugsbedingten Ausfällen kommt, wird ihnen bereits im Rahmen der Schadensbemessung Rechnung getragen, und es besteht ein Bedarf nach weiterem Ausgleich mittels eines Verzugszinses auf der Schadenersatzforderung selbst nur dort, wo ein Haftpflichtiger nach Konkurseröffnung bzw. Ausstellung des Pfändungsverlustscheines durch trölerische Machenschaften zur Verzögerung beiträgt.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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