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37. Urteil vom 17. Mai 1993 i.S. M. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | |
Regeste |
Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG, Art. 69 IVG, Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB. |
In jedem Fall ist die Zustimmung oder Genehmigung des Verbeirateten erforderlich. | |
Sachverhalt | |
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B.- Kurt G. reichte am 18. März 1991 für Peter M., den er "im Rahmen einer Beiratschaft zu beraten, betreuen und seine Interessen wahrzunehmen" habe, Beschwerde ein. Er verwies dabei auf die Urkunde der Vormundschaftsbehörde U. vom 23. März 1990 über die Ernennung zum Beirat. Trotz zweimaliger Aufforderung der Rekurskommission, eine Vollmacht des Verbeirateten oder die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde beizubringen (Schreiben vom 5. und 23. April 1991), gab Kurt G. lediglich ein weiteres Exemplar der erwähnten Ernennungsurkunde zu den Akten. Dementsprechend trat die Rekurskommission mit Entscheid vom 29. Mai 1991 mangels genügender Vollmacht androhungsgemäss auf die Beschwerde nicht ein.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, der eine von Peter M. am 18. Juni 1991 unterzeichnete Vollmachtserklärung beiliegt, beantragt Kurt G. für Peter M. die Aufhebung des kantonalen Nichteintretensentscheides. Es sei im Sinne eines "Grundsatzentscheides" festzustellen, dass der Beirat ohne Vollmacht des Verbeirateten und ohne Zustimmung der Vormundschaftsbehörde gegen eine Ablehnungsverfügung der Invalidenversicherung Beschwerde erheben könne, handle es sich doch hierbei um ein verwaltungsrechtliches Verfahren.
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Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Nach Art. 85 Abs. 2 lit. f erster Satz AHVG, ebenfalls anwendbar nach Art. 69 IVG auf dem Gebiet der Invalidenversicherung, ist das Recht, sich im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren verbeiständen zu lassen, gewährleistet. Nach der Rechtsprechung ist die kantonale Rekursbehörde befugt, vom Parteivertreter zu verlangen, dass er sich durch eine schriftliche Vollmacht ausweist (nicht veröffentlichte Urteile G. vom 30. Oktober 1990 und K. vom 21. Januar 1993). Soweit die Gültigkeit eines Vertretungsverhältnisses vom Nachweis einer schriftlichen Vollmacht abhängig gemacht wird, ist beim Fehlen einer solchen Vollmacht ein analoges Vorgehen zu Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG angezeigt. Denn wenn sogar ein Mangel bezüglich des Rechtsbegehrens oder der Begründung durch Ansetzung einer Nachfrist zur Verbesserung behoben werden kann, so muss dies a fortiori bei einem formellen Mangel einer Beschwerde zutreffen - und um einen solchen handelt es sich bei einer fehlenden Vollmacht.
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Liegt keine oder eine ungenügende Vollmacht vor, so hat die Rekursbehörde demzufolge dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist zur Nachreichung oder Verbesserung der Vollmacht anzusetzen und damit die Androhung zu verbinden, dass im Säumnisfall auf die Beschwerde nicht eingetreten wird (nicht veröffentlichte Urteile K. vom 21. Januar 1993 und K. vom 14. September 1992).
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3. Im vorliegenden Fall forderte die Rekurskommission den Beirat Kurt G. mit Formularbrief vom 5. April 1991 u.a. dazu auf, die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde gemäss Art. 421 Ziff. 8 ZGB beizubringen. Mit Antwortschreiben vom 16. April 1991 machte dieser geltend, das Zustimmungserfordernis erstrecke sich ![]() | 11 |
Mit dem erwähnten Vorgehen ist die Vorinstanz den in Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG angelegten verfahrensmässigen Anforderungen, wonach die kantonale Rekursinstanz vor einem Nichteintretensentscheid zur Verbesserung der mangelhaften Beschwerde aufzufordern hat, nachgekommen. Die Korrektheit dieser Verfahrensweise wird denn auch zu Recht nicht in Zweifel gezogen.
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Der Ernennungsurkunde zum Beirat vom 23. März 1990 ist zu entnehmen, dass die Vormundschaftsbehörde U. "gemäss Art. 379-391 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches" Kurt G. zum Beirat des 1942 geborenen, in U. wohnhaften Peter M. ernannt hat. Jedoch lassen weder die Urkunde selbst noch die übrigen Akten erkennen, ob es sich hierbei um eine Mitwirkungsbeiratschaft, eine Verwaltungsbeiratschaft oder eine kombinierte Beiratschaft handelt. Die Vorinstanz ist dieser Frage trotz der Pflicht, die Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen abzuklären, nicht weiter nachgegangen. Da die Art der Beiratschaft letztlich offenbleiben kann, wie nachstehende Erwägungen zeigen, lässt sich das Vorgehen der Rekurskommission im Ergebnis nicht beanstanden.
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Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung handelt der Mitwirkungsbeirat nicht anstelle des Verbeirateten. Dies bedeutet, dass seine Handlungen diejenigen des Verbeirateten nicht ersetzen. Beirat und Verbeirateter wirken vielmehr im Sinne einer notwendigen Ergänzung zusammen. Der Beirat kann ebensowenig wie der Verbeiratete allein im Bereich von Art. 395 Abs. 1 Ziff. 1 bis 9 Rechtswirkungen erzeugen; er ist mit anderen Worten nicht gesetzlicher Vertreter des Verbeirateten (RIEMER, Grundriss des Vormundschaftsrechts, § 5 N 23, S. 113; Kommentar SCHNYDER/MURER, Bern 1984, N 13, 66 und 80 zu Art. 395 ZGB; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 1982, N 10 zu §§ 27/28, S. 60; Kommentar EGGER, 2. Aufl. Zürich 1948, N 23, 43 und 48 zu Art. 395 ZGB; BGE 77 II 10). Weder der Verbeiratete noch der Beirat dürfen selbständig, ohne Mitwirkung des andern, Prozesshandlungen vornehmen. Dies gilt auf allen Stufen des Verfahrens, also etwa auch bei der Ergreifung eines Rechtsmittels (SCHNYDER/MURER, a.a.O., N 88 zu Art. 395 ZGB). Der Beirat ist ohne Vollmacht des Verbeirateten nicht zur Prozessführung berechtigt (STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N 10 zu §§ 27/28; EGGER, a.a.O., N 54 zu Art. 395 ZGB).
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Das Erfordernis des Zusammenwirkens zwischen dem Beirat und dem Verbeirateten bedeutet allerdings nicht, dass beide gleichzeitig handeln müssen; die Mitwirkung ist auch in Form der vorgängigen Zustimmung oder der nachträglichen Genehmigung möglich (RIEMER, a.a.O., § 5 N 24, S. 113 SCHNYDER/MURER, a.a.O., N 13 zu Art. 395 ZGB).
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b) Nach der Aktenlage steht fest, dass der verbeiratete Peter M. der vorinstanzlichen Beschwerdeführung - im Gegensatz zur ![]() | 18 |
Bei dieser Rechts- und Sachlage erübrigt es sich, auf die in Doktrin und Rechtsprechung umstrittene, nicht abschliessend geklärte Frage einzugehen, ob im Falle der Mitwirkungsbeiratschaft - kraft der Verweisung in Art. 367 Abs. 3 ZGB, wo der Begriff des Beistandes in einem weiteren Sinne verwendet wird - zusätzlich die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde nach Art. 421 Ziff. 8 ZGB erforderlich ist. Immerhin kann festgestellt werden, dass nach heute fast einhelliger Rechtsprechung und Lehre die Vormundschaftsbehörde nicht mitzuwirken hat (SCHNYDER/MURER, a.a.O., N 105 zu Art. 395 ZGB, mit zahlreichen Hinweisen; vgl. namentlich auch STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N 10 zu §§ 27/28, wonach die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde nach Zürcher Praxis nicht erforderlich ist).
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b) Die vorinstanzliche Beschwerde bezog sich auf eine Rente der Invalidenversicherung. Da eine solche Rente (pauschales) Erwerbsersatzeinkommen darstellt, ist sie den Einkünften und nicht dem Vermögen gleichzusetzen (vgl. ZAK 1988 S. 402 E. 2). Demzufolge liegt der Streit um die Invalidenrente ausserhalb des Bereiches der Verwaltungsbeiratschaft, womit zumindest eine nachträgliche Zustimmung des Verbeirateten zur Prozessführung durch den Beirat erforderlich gewesen wäre.
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7. Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass die von Kurt G. ohne Zustimmung des Verbeirateten eingereichte vorinstanzliche ![]() | 22 |
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