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46. Urteil vom 4. November 1993 i.S. Kantonaler Krankenkassen-Verband Schaffhausen gegen Kantonale Ärztegesellschaft Schaffhausen und Schiedsgericht nach Art. 25 KUVG des Kantons Schaffhausen | |
Regeste |
Art. 129 Abs. 1 lit. b OG: Frage der Tarifstreitigkeit. Der auf abstrakte Feststellung der Rechtslage lautende Entscheid eines kantonalen Schiedsgerichts nach Art. 25 KUVG über die generelle Anwendbarkeit einer zwischen Krankenkassen und Ärzten vereinbarten tarifvertraglichen Indexklausel unter der Geltung des dringlichen Bundesbeschlusses über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung vom 13. Dezember 1991 stellt keine Verfügung über einen Tarif im Sinne von Art. 129 Abs. 1 lit. b OG dar, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen zulässig ist (E. 2). |
- Dem Ärzte- und dem Krankenkassenverband kommt in einem Verfahren vor dem kantonalen Schiedsgericht auf Feststellung der Anwendbarkeit einer zwischen den Verbänden vereinbarten tarifvertraglichen Indexklausel die Aktiv- und Passivlegitimation zu (E. 4). |
- Der dargelegte Streitgegenstand bildet eine Tarifvertragsstreitigkeit nach Art. 16 und Art. 22 Abs. 1 KUVG, wofür das kantonale Schiedsgericht sachlich zuständig ist (E. 5). |
Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a des dringlichen BB über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der KV vom 13. Dezember 1991. Dieser Bundesbeschluss ist nicht anwendbar auf vor seinem Inkrafttreten am 14. Dezember 1991 durch die Kantonsregierungen bereits genehmigte Tarifverträge (E. 6). | |
Sachverhalt | |
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"Der vorliegende Tarif stellt ab 1.1.1987 einen
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TP(Taxpunkt)-Tarif dar.
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Der TP-Wert beträgt ab 1.1.87 75 Rappen.
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50% der Teuerung werden jeweils auf den 1.1. des
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nachfolgenden Jahres automatisch ausgeglichen, sofern der
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Landesindex der Konsumentenpreise (LIKP) des Monats Dezember seit
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der letztmals erfolgten Ausgleichung um 5% angestiegen ist.
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Als Berechnungsformel gilt:
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(neuer Indexstand LIKP)/(alter Indexstand LIKP)
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[letzte Anpassung]
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Ein Ausgleich der restlichen 50% erfolgt jeweils auf den
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nachfolgenden 1. Juli, entsprechend dem Ergebnis der auf
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Verlangen eines Vertragspartners zu führenden Verhandlungen."
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Wie der Grundvertrag wurde auch diese Änderung des Art. 6 Tarif vom Regierungsrat des Kantons Schaffhausen am 13. Januar 1987 mit Wirkung ab 1. Januar 1987 genehmigt.
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b) Am 13. Dezember 1991 verabschiedete die Bundesversammlung u.a. einen am darauffolgenden Tag in Kraft tretenden, längstens bis 31. Dezember 1992 geltenden dringlichen Bundesbeschluss über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung. Diesen Bundesbeschluss nahm der Kassenverband ![]() | 16 |
c) Demgemäss wandte sich die Ärztegesellschaft mit Eingabe vom 10. Juni 1992 an das Kantonale Schiedsgericht Schaffhausen nach Art. 25 KUVG. Dieses konstituierte sich, nachdem das Verfahren vor der paritätischen Vermittlungskommission als vertraglich eingesetzter Schlichtungsinstanz erfolglos verlaufen war. Im Rahmen des zweifachen Schriftenwechsels vor dem Schiedsgericht hielten die Parteien an ihren unterschiedlichen Standpunkten fest.
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Das Schiedsgericht bejahte seine sachliche Zuständigkeit, die Aktiv- und Passivlegitimation der beiden Verbände sowie insbesondere auch deren schützenswertes Interesse an der Feststellung der Rechtslage und prüfte im folgenden die Auswirkungen des dringlichen Bundesbeschlusses auf die tarifvertragliche Vereinbarung. Aus dem Fehlen spezieller übergangsrechtlicher Bestimmungen, aus dem Text des Art. 1 Abs. 2 lit. a Bundesbeschluss sowie aus den Materialien (Botschaft des Bundesrates vom 6. November 1991) und unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) vom 20. Dezember 1991 schloss das Schiedsgericht, man könne nicht von einer direkten materiellen Wirkung des ![]() | 18 |
"1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte (Kassenverband)
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auch während der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses über
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befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der
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Krankenversicherung vom 13. Dezember 1991 zur Einhaltung des von
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den Parteien vereinbarten und vom Regierungsrat des
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Kantons Schaffhausen am 13. Januar 1987 genehmigten Artikels 6
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des Tarifvertrages verpflichtet ist. Der Taxpunktwert ist demnach
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rückwirkend auf den 1. Januar 1992 bis auf weiteres um 2 Rappen
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von 83 auf 85 Rappen zu erhöhen.
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..."
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B.- Der Kassenverband führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen auf Aufhebung des schiedsgerichtlichen Entscheides, auf Feststellung, dass der dringliche Bundesbeschluss vollumfänglich auf den Schaffhauser Tarifvertrag anwendbar sei, dass gestützt darauf der Taxpunktwert auf den 1. Januar 1992 nicht erhöht werden könne; eventualiter auf Feststellung, dass gestützt auf die dringlichen Bundesbeschlüsse vom 13. Dezember 1991 der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen das Begehren um Erhöhung des Taxpunktwertes "hätte überprüfen und ihm zustimmen müssen". In prozessualer Hinsicht wird um Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels ersucht.
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Die Ärztegesellschaft schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei. U. a. führt die Ärztegesellschaft aus, das Verhalten des Kassenverbandes, der seit der Genehmigung von Art. 6 des Tarifvertrages - somit seit Anfang 1987 - bei keiner der bisher gestützt auf diese Bestimmung erfolgten Taxpunktanpassungen ein Genehmigungsgesuch an den Regierungsrat gestellt habe, zeige, dass auch er stets die Auffassung der Ärzteschaft geteilt habe, weitere regierungsrätliche Genehmigungen seien nicht mehr nötig.
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Das BSV schliesst in dem Sinne auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, als es die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides mangels sachlicher Zuständigkeit des Schiedsgerichtes, eventuell die Rückweisung der Sache an dieses zu ergänzender ![]() | 32 |
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Da im Lichte dieser Grundsätze weder die Vernehmlassung der Ärztegesellschaft noch diejenige des BSV einen zweiten Schriftenwechsel rechtfertigen, ist der entsprechende Antrag des beschwerdeführenden Kassenverbandes abzuweisen.
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2. Das BSV hält die gegen den Entscheid des Schiedsgerichtes erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Hinweis auf Art. 129 Abs. 1 lit. b OG für unzulässig. Laut dieser Bestimmung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen Verfügungen über Tarife. Nach der Rechtsprechung ist das genannte Rechtsmittel allerdings nur unzulässig gegen Verfügungen, welche den Erlass oder ![]() | 35 |
Anfechtungsgegenstand der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist der Entscheid des Schiedsgerichtes, welches eine letztinstanzliche richterliche kantonale Behörde im Sinne von Art. 128 in Verbindung mit Art. 98 lit. g OG darstellt. Dessen Entscheid ist keine Verfügung über einen Tarif im Sinne von Art. 129 Abs. 1 lit. b OG. Denn das Schiedsgericht hat mit seinem Entscheid nicht gestaltend in das zwischen den Parteien vereinbarte Tarifvertragswerk, sei es insgesamt, sei es in bezug auf eine einzelne Position, eingegriffen. Vielmehr hat das Schiedsgericht - in Form eines auf abstrakte Feststellung lautenden Erkenntnisses - entschieden, wie Art. 6 des Tarifvertrages unter der Geltung der dringlichen Bundesbeschlüsse und insbesondere mit Wirkung ab 1. Januar 1992 generell anzuwenden sei. Mit anderen Worten: Das Schiedsgericht hat, in Anwendung und Auslegung von Art. 6 Tarifvertrag und nach dessen vorfrageweiser Prüfung auf seine Vereinbarkeit mit dem dringlichen Bundesrecht, einen auf Feststellung der Rechtslage lautenden Entscheid getroffen. Das hat mit einer Tarifstreitigkeit im Sinne von Art. 129 Abs. 1 lit. b OG nichts zu tun, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist.
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3. Ist nach dem Gesagten auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten, stellt sich nunmehr die Frage, ob das Schiedsgericht seinerseits die Eintretensvoraussetzungen des vorinstanzlichen Verfahrens richtig behandelt hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung prüft das Eidg. Versicherungsgericht von Amtes wegen die formellen Gültigkeitserfordernisse des Verfahrens (BGE 119 V 12 E. 1b mit Hinweisen). Dies gilt auch hinsichtlich des Verfahrens vor den kantonalen Schiedsgerichten, welche gemäss Art. 25 Abs. 1 KUVG Streitigkeiten zwischen Kassen einerseits und Ärzten, Apothekern, Chiropraktoren, Hebammen, medizinischen Hilfspersonen, Laboratorien oder Heilanstalten anderseits entscheiden (BGE 111 V 346 E. 1a; RKUV 1993 Nr. K 917 S. 111 E. 1b). Hat die Vorinstanz übersehen, dass es an einer Prozessvoraussetzung fehlte, und hat sie materiell entschieden, ist dies im Rechtsmittelverfahren ![]() | 37 |
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b) Diese Bejahung der Aktiv- und Passivlegitimation hält sich im Ergebnis in dem durch die Rechtsprechung (BGE 111 V 347 E. 1c, BGE 110 V 347 mit Hinweisen; RKUV 1987 Nr. K 729 S. 179 E. 3) abgesteckten Rahmen: Wohl leuchtet das vom Schiedsgericht zur Verbandsbeschwerde Ausgeführte insofern nicht ohne weiteres ein, als die dazu ergangenen Grundsätze gemäss Lehre und Rechtsprechung im Bereich der Legitimation zur Verwaltungs- oder Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 48 lit. a VwVG, Art. 103 lit. a OG) entwickelt worden sind (vgl. etwa BGE 113 Ib 365 E. 2a mit Hinweis; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, S. 159 ff.). Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen nachträglicher (Beschwerdeverfahren) und ursprünglicher (Klageverfahren) Verwaltungsrechtspflege liegt darin, dass in der ersten jede durch eine ![]() | 39 |
5. Das BSV hält ferner die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes für in sachlicher Hinsicht nicht gegeben. Dem kann mit der Vorinstanz nicht beigepflichtet werden, da es vorliegend um eine Tarifvertragsstreitigkeit nach Art. 16 und 22 Abs. 1 KUVG geht, welche unter die Schiedsgerichtsbarkeit gemäss Art. 25 KUVG fällt. Anders verhielte es sich nur, wenn eine genehmigungspflichtige Abänderung ![]() | 40 |
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a) Gemäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesbeschlusses dürfen die Tarife und Preise für Leistungen der Krankenversicherung nur so weit erhöht werden, dass der Anstieg der durchschnittlichen Behandlungskosten je versicherte Person und Jahr voraussichtlich höchstens einen Drittel über dem Anstieg des Landesindexes der Konsumentenpreise liegt. Wenn nach den letzten verfügbaren Angaben der Anstieg der Behandlungskosten je versicherte Person und Jahr bereits um mehr als einen Drittel über der Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise liegt, untersagt die zuständige Behörde eine Erhöhung der Tarife und Preise. Nach Abs. 2 lit. a der genannten Bestimmung prüft die für die Genehmigung von Tarifverträgen zuständige Kantonsregierung, ob eine beantragte Tariferhöhung aufgrund der durchschnittlichen Behandlungskosten im Anwendungsbereich des Tarifvertrages zulässig ist.
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b) Der dringliche Bundesbeschluss sieht weder eine Rückwirkung in Form der Aufhebung bereits vor seinem Inkrafttreten erfolgter regierungsrätlicher Genehmigungen noch eine unmittelbare Wirkung auf früher genehmigte Tarife vor. Wie das Schiedsgericht im angefochtenen Entscheid zutreffend ausführte, kommt darin der ![]() | 43 |
Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage vermögen die geschilderten kassenseitigen Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu keiner anderen Betrachtungsweise zu führen. Der in Frage stehende dringliche Bundesbeschluss steht der Anwendung der am 13. Januar 1987 genehmigten tarifvertraglichen Indexklausel und somit der Erhöhung des schaffhausischen Taxpunktwertes auf 85 Rappen per 1. Januar 1992 nicht entgegen.
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