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50. Urteil vom 12. September 1994 i.S. K. gegen Bundesamt für Militärversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Aargau | |
Regeste |
Art. 23 aMVG. | |
Sachverhalt | |
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Nachdem K. die Zusprechung einer Invalidenrente ab Oktober 1986 auf unbestimmte Zeit sowie einer Integritätsrente beantragt hatte, erkannte das Bundesamt für Militärversicherung (BAMV), dass ein Zusammenhang zwischen den bestehenden Rückenbeschwerden und den seinerzeit erfolgten Einwirkungen nach wie vor wahrscheinlich sei; indes könne eine Integritätsrente mangels ![]() | 2 |
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit der K. im wesentlichen sein Leistungsbegehren erneuern liess, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau nach Einholung eines Gutachtens zur Frage der erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens mit Entscheid vom 5. Mai 1993 ab.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K. die Zusprechung einer unbefristeten Rente ab Juni 1986 gemäss einer vom Gericht festzusetzenden Invalidität beantragen.
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Das BAMV schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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D.- Auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsentscheides und der Anträge wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Im vorliegenden Fall hat die Militärversicherung die Verfügung am 8. August 1991 und damit unter der Herrschaft des Gesetzes vom 20. September 1949 erlassen, weshalb die Sache nach altem Recht zu beurteilen ist (aMVG).
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Streitig und zu prüfen bleibt somit, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Ausrichtung einer militärversicherungsrechtlichen Invalidenrente erheben kann.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich zur Hauptsache gegen diese Begründung. Im einzelnen wird ihr zunächst Art. 37 Abs. 1 aMVG entgegengehalten, nach welcher Bestimmung eine Invalidenrente jederzeit, auch gegen den Willen des Versicherten, nach ihrem Barwert unter anderem dann ausgekauft werden kann, wenn die Invalidität nicht mehr als 10% beträgt. Ferner verweist der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Entstehung von Art. 49 Abs. 2 MVG (in Kraft seit 1. Januar 1994) auf die bei Integritätsrenten feststellbare Entwicklung, nunmehr selbst Beeinträchtigungen von weniger als 5% abzugelten.
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Wie die Vorinstanz richtig festgehalten hat, ist diese sogenannte "Bagatellpraxis" vom Eidg. Versicherungsgericht nicht nur für die obligatorische Unfallversicherung bestätigt, sondern unter Hinweis auf die Identität des Invaliditätsbegriffs von ihm selbst auch für den Bereich der Militärversicherung angewandt worden (in RKUV 1988 Nr. 48 S. 235 Erw. 1c zitiertes nicht publiziertes Urteil B. vom 6. Dezember 1967 sowie unveröffentlichtes Urteil K. vom 11. April 1994).
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b) Die Entstehung dieser Praxis und der dazu ergangenen Rechtsprechung findet sich einlässlich dargestellt bei MAURER (Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2. Aufl. Bern 1963, S. 229 f.), der vermerkt, dass das Eidg. Versicherungsgericht anfänglich bei geringfügiger Invalidität eigentliche Minimalrenten zugesprochen hatte, die angesichts des unverhältnismässigen Verwaltungsaufwandes regelmässig ausgekauft wurden. Später setzte sich aufgrund medizinischer Erfahrung die Überzeugung durch, dass minimale Invaliditäten bis zu 7 oder 8% nach einer Phase der Angewöhnung und Anpassung in der Regel praktisch überhaupt wirkungslos, mithin rein theoretischer Natur sind. Dies führte mit der Zeit dazu, dass bei einem Invaliditätsgrad von weniger als 7 oder 8% keine Dauerrenten mehr zugesprochen wurden (vgl. EVGE 1928 S. 98 f., 116 f., 1935 S. 10 f. und 17 ff., 1936 S. 10 ff., 1937 S. 21 f., 1938 S. 21 f. und 98 ff., 1942 S. 28, 1944 S. 112; ferner SCHATZ, Kommentar zur Eidg. Militärversicherung, Zürich 1952, S. 142). Immerhin konnten (und können) für die Anpassungszeit befristete Renten auch geringen Umfanges ausgerichtet werden (MAURER, a.a.O., S. 230 FN 54; vgl. ferner vom gleichen Autor: Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 374).
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In seinen jüngeren Werken führt MAURER aus, dass die unfallversicherungsrechtliche Invalidenrente - da das Gesetz keine untere Grenze setze - auch bei einer Teilinvalidität von 10% geschuldet sei; was sodann die Praxis anbetrifft, bei Invaliditäten von weniger als 10% mangels praktischer erwerblicher Auswirkungen keine Dauerrenten zuzusprechen, ![]() | 18 |
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a) Zunächst ist klarzustellen, dass sich die von der Vorinstanz der Sache nach vertretene Auffassung, bei Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit von weniger als 10% schlechthin jegliche Rentenleistungen zu verweigern, für den Bereich der Militärversicherung nicht halten lässt. Eine solche Sichtweise, die durch die in RKUV 1988 Nr. U 48 S. 234 f. veröffentlichten Erwägungen begünstigt worden sein mag, steht bereits in Widerspruch zur Praxis, auch in Fällen geringerer Erwerbsunfähigkeiten wenigstens befristete Renten (Art. 24 Abs. 1 aMVG) auszurichten. Überdies findet die vorinstanzliche Auffassung nicht nur im Gesetz keine Stütze, welches für die Berentung keinen minimalen Invaliditätsgrad erfordert (Art. 23 f. aMVG); ihr steht insbesondere auch der im wesentlichen in das neue Recht überführte Art. 37 Abs. 1 aMVG entgegen (Art. 46 Abs. 1 MVG in der seit 1. Januar 1994 geltenden Fassung), der die Möglichkeit des Rentenauskaufs dann vorsieht, wenn "die Invalidität nicht mehr als 10% beträgt", was doch zumindest faktisch die Annahme einer anspruchsbegründenden Erwerbsunfähigkeit von weniger als 10% voraussetzt.
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In dieser Hinsicht kann den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beigepflichtet werden, die im übrigen selbst das BAMV nicht bestreitet. Dieses verweist vielmehr darauf, dass sich die ![]() | 21 |
b) Im weiteren ist in Abänderung der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, dass im Bereich von Art. 23 f. aMVG (und Art. 40 f. MVG in der seit 1. Januar 1994 geltenden Fassung) in jenen Fällen, in denen ein Invaliditätsgrad von weniger als 10% ermittelt wird, auch die Ausrichtung von unbefristeten Invalidenrenten nicht von vornherein unter Berufung auf die vermutete Angewöhnung des Versicherten verworfen werden darf. Vielmehr muss unter Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes (dazu BGE 117 V 263 f. mit Hinweisen) auch hier konkret geprüft werden, ob nach Berücksichtigung der Schadenminderungspflicht (BGE 117 V 278 Erw. 2b), insbesondere der dem Versicherten zumutbaren Anpassung und Angewöhnung, eine reale Erwerbsunfähigkeit verbleibt (vgl. SCHATZ, a.a.O., S. 142 unten), welche die Zusprechung einer (auskaufbaren) Rente auf unbestimmte Zeit zu rechtfertigen vermöchte. Nur auf diese Weise besteht Garantie, dass die aus der medizinischen Praxis gewonnenen Erfahrungen nicht zum Automatismus verkommen und die Rechte des Versicherten gewahrt bleiben.
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c) Wie es sich nach dem Gesagten mit der obligatorischen Unfallversicherung verhält, steht hier ausser Frage und wird zu gegebener Zeit gesonderter Klärung bedürfen. Ebensowenig braucht im vorliegenden Fall die Frage entschieden zu werden, ob statt der von der bisherigen Rechtsprechung bzw. der "Bagatellpraxis" verwendeten Grenze von 10% eine solche von 5% einzuführen ist. Denn der - aufgrund des im vorinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachtens - ermittelte Invaliditätsgrad liegt mit 5,5% noch knapp über dieser Grenze, und es ist nichts ersichtlich, was dessen mit viel Aufwand bestimmte Höhe als falsch erscheinen liesse. Insofern vermögen die Vorbringen der Parteien die Schlüssigkeit des betriebswirtschaftlichen Gutachtens nicht zu erschüttern.
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