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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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12. Auszug aus dem Urteil vom 6. Juli 1995 i.S. Schweizerische Ausgleichskasse gegen B. und Eidg. Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen | |
Regeste |
Art. 4 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c, Art. 29 Abs. 1 AHVG, Art. 50 AHVV, Art. 14 Abs. 2 VFV. | |
Sachverhalt | |
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B.- Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 30. November 1994 gut. Sie erwog im wesentlichen, zwar habe B. nie Beiträge an die schweizerische AHV/IV entrichtet; dies sei jedoch auf fehlerhafte Information durch das Konsulat zurückzuführen. Gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben bestehe deshalb Anspruch auf eine ordentliche Altersrente ab 1. April 1993, zu deren Berechnung die Rekurskommission die Akten an die SAK zurückwies.
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C.- Die SAK führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der Rekurskommission sei aufzuheben.
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B. schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Auf die Begründungen wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt den Bürger in seinem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten und bedeutet u.a., dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten. Gemäss Rechtsprechung und Doktrin ist eine falsche Auskunft bindend,
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1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat;
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2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war oder wenn der Bürger die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte;
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3. wenn der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte;
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5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat (BGE 119 V 307 Erw. 3a, BGE 118 Ia 254 Erw. 4b, BGE 118 V 76
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Erw. 7, 117 Ia 287 Erw. 2b, 418 Erw. 3b, je mit Hinweisen).
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b) Als Dispositionen in diesem Sinne gelten nach konstanter Rechtsprechung (BGE 111 V 72 Erw. 4c, BGE 110 V 156 Erw. 4b, BGE 106 V 72 Erw. 3b) auch Unterlassungen. Erforderlich ist, dass die Auskunft für die darauf folgende Unterlassung ursächlich war. Ein solcher Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn angenommen werden kann, der Versicherte hätte sich ohne die fehlerhafte Auskunft anders verhalten. An den Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen Auskunft und Disposition bzw. Unterlassung werden nicht allzu strenge Anforderungen gestellt. Denn bereits aus dem Umstand, dass ein Versicherter Erkundigungen einholt, erwächst eine natürliche Vermutung dafür, dass er im Falle eines negativen Entscheides ein anderes Vorgehen gewählt hätte. Der erforderliche Kausalitätsbeweis darf deshalb schon als geleistet gelten, wenn es aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung als glaubhaft erscheint, dass sich der Versicherte ohne die fragliche Auskunft anders verhalten hätte (unveröffentlichtes Urteil R. vom 25. November 1992).
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c) Hinsichtlich dieser Voraussetzungen ist von vornherein klar, dass das Konsulat in C. in einer konkreten Situation in bezug auf eine bestimmte Person gehandelt hat, für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war und die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat. Näher zu prüfen bleibt hingegen, ob eine falsche Auskunft des Konsulats vorliegt, welche die Beschwerdegegnerin nicht ohne weiteres als unrichtig erkennen konnte, und ob sie im Vertrauen darauf Dispositionen getroffen hat, die ohne Nachteil nicht mehr rückgängig zu machen sind.
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3. Mit Schreiben vom 30. Januar 1981 machte das Schweizer Konsulat die Beschwerdegegnerin auf die Möglichkeit eines Beitritts zur freiwilligen Versicherung aufmerksam. Es führte dabei in portugiesischer Sprache unter anderem folgendes aus: "(...) que tornandose participante deste Seguro, V.S. estara garantindo o seu futuro com una renda na velhice (...)" (... indem Sie dieser Versicherung beitreten, ist Ihnen in Zukunft eine Altersrente garantiert...). Es findet sich kein Hinweis auf die Mindestbeitragsdauer von einem Jahr. Am 12. Februar 1982 unterzeichnete die Beschwerdegegnerin eine Beitrittserklärung für die freiwillige Versicherung. Dabei gab sie an, noch nie der schweizerischen AHV/IV ![]() | 16 |
Die SAK antwortete der Schweizer Vertretung mit der Aufnahmebestätigung vom 7. Mai 1982, auf welcher sie unter "Bemerkungen" ausführte: "Anspruch auf eine ordentliche Rente haben die rentenberechtigten Personen, die während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet haben, oder ihre Hinterlassenen (vgl. Art. 29 Abs. 1 AHVG)." Am 24. Mai 1982 sandte das Konsulat der Beschwerdegegnerin ein auf portugiesisch vorgedrucktes Schreiben, womit es ihre Aufnahme in die freiwillige Versicherung bestätigte. Ferner enthielt dieser Brief die Aufforderung, auf einem beigelegten Fragebogen Einkommen und Vermögen für die Bemessung der Beiträge zu deklarieren. In deutscher Sprache fügte das Konsulat folgendes bei: "P.S. Sollten Sie keine Erwerbstätigkeit ausüben, so vermerken Sie bitte auf dem beiliegenden Formular unter Bemerkungen z.B. nichterwerbstätige Witwe." Unter den Beilagen fanden sich nebst dem Versicherungsausweis eine "Kopie Aufnahmebestätigung z.K.", womit das erwähnte Schreiben der SAK vom 7. Mai 1982 gemeint war, sowie ein Formular zur Deklaration von Vermögen und Einkommen. Auf diesem hatte die Schweizer Vertretung folgendes hinzugefügt: "Als Witwe müssen und können Sie nur Beiträge entrichten, sofern Sie eine Erwerbstätigkeit ausüben." Die Beschwerdegegnerin sandte das Formular leer mit einem Hinweis auf ihre Stellung als nichterwerbstätige Witwe zurück. Dasselbe tat sie in der Folge alle zwei Jahre bis zum Erreichen des Rentenalters.
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b) Vorliegend hat das Konsulat von seiner Befugnis zur Auskunftserteilung Gebrauch gemacht, und zwar erstmals mit dem Schreiben vom 30. Januar 1981. Hiebei wurde, wie erwähnt, jeder Hinweis auf die Mindestbeitragsdauer unterlassen. Damit ist dieses Schreiben in einem für die Adressatin wesentlichen Punkt unvollständig, denn diese musste bei der zitierten Formulierung irrigerweise annehmen, dass ein Beitritt für sich allein genüge, um Anspruch auf eine Altersrente zu erwerben. Insofern liegt eine in dieser Form unzutreffende Auskunft vor, die für sich allein betrachtet durchaus geeignet wäre, eine erfolgreiche Berufung auf den Vertrauensschutz zu rechtfertigen. Indessen ist dieses Schreiben nicht isoliert zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit den folgenden Ereignissen zu werten.
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c) Spätestens nach Erhalt der Beitrittserklärung erkannte die Vertretung in C., dass die Beschwerdegegnerin riskierte, trotz des Beitritts zur freiwilligen Versicherung nie eine Rente beziehen zu können. Aufgrund der Auskünfte war dem Konsulat klar, dass die Gesuchstellerin bislang noch keine Beiträge an die AHV entrichtet haben konnte; auch war ihm bekannt, ![]() | 21 |
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