![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
13. Auszug aus dem Urteil vom 21. Juli 1995 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen H. und R. O. und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | |
Regeste |
Art. 16 Abs. 1, Art. 29, 29bis und 30 AHVG, Art. 4 BV. |
- Auf den zusätzlich angerechneten Einkommen hat der Versicherte die entsprechenden Beiträge ohne Zins nachzuzahlen. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidg. Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 30. Mai 1989 ab. Die daraufhin von R. und H. O. eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das Eidg. Versicherungsgericht mit Entscheid vom 21. Juni 1990 in dem Sinne gut, dass es die Sache in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der beiden Rentenverfügungen an die SAK zurückwies, damit diese die Renten im Sinne der Erwägungen neu festsetze. Zur Begründung führte es im wesentlichen an, gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben seien die Beitragslücken ab 1951 bis zur Aufnahme der beitragspflichtigen Beschäftigung in der Schweiz ab 1. Juli 1962 zu schliessen. Die Ausgleichskasse habe daher die Ehepaar-Altersrente unter Berücksichtigung der Beitragsjahre ab 1951 neu festzusetzen. Dabei werde sie auch für die Zeit ab 1. Januar 1990 der auf diesen Zeitpunkt in Kraft getretenen neuen Fassung von Art. 52bis AHVV Beachtung zu schenken haben (ZAK 1990 S. 434).
| 2 |
B.- Im Anschluss an das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 21. Juni 1990 berechnete die Ausgleichskasse mit Verfügungen vom 9. August 1990 die Ehepaar-Altersrente neu und sprach R. und H. O. ab 1. Januar 1989 je eine halbe Ehepaar-Altersrente in Höhe von Fr. 619.-- bzw. von Fr. 696.-- ab 1. Januar bis 31. August 1990 zu. Die Rentenbetreffnisse wurden nach der Rentenskala 41 und aufgrund eines massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommens von Fr. 17'100.-- für eine Beitragsdauer von 38 Jahren bzw. ![]() | 3 |
C.- Mit Entscheid vom 7. September 1993 hiess die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich die daraufhin eingereichte Beschwerde von R. und H. O. teilweise gut und wies die Sache zur Neuberechnung der halben ordentlichen Ehepaar-Altersrenten im Sinne der Erwägungen an die SAK zurück. Im übrigen wies es die Beschwerde, soweit damit Verzugszinsen auf den Nachzahlungen beantragt wurden, ab.
| 4 |
D.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache an die SAK zur Neufestsetzung der Renten zurückzuweisen.
| 5 |
R. und H. O. schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Erneuerung ihres Antrages auf Zusprechung von Verzugszinsen. Die Ausgleichskasse beantragt die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
| 6 |
E.- Im Anschluss an das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 30. August 1994 in Sachen Sch. (AHI 1995 S. 109) zu den Wirkungen des Vertrauensschutzes bei Schliessung von Beitragslücken wurde ein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt. Das BSV zeigt drei verschiedene Möglichkeiten auf, welches Einkommen den Beschwerdegegnern im Rahmen des Vertrauensschutzes für die Jahre der Beitragslücken von 1951 bis 1. Juli 1962 anzurechnen ist. H. und R. O. machen geltend, als erster für die Ermittlung des Aufwertungsfaktors massgebender Eintrag im IK sei das Jahr 1951 mit dem Faktor 1,899 anzunehmen. Das Jahresgehalt habe ab Oktober 1946 mindestens Fr. 15'000.-- betragen und sei bis 1965 unverändert geblieben; ab 1966/67 sei es auf Fr. 18'000.-- erhöht worden.
| 7 |
Aus den Erwägungen: | |
1. Die ordentlichen Renten der AHV und IV gelangen als Vollrenten oder Teilrenten zur Ausrichtung, wobei Anspruch auf die volle Rente besteht, wenn die Beitragsdauer vollständig ist (Art. 29 Abs. 2 AHVG). Als vollständig gilt die Beitragsdauer, wenn der Versicherte vom 1. Januar des ![]() | 8 |
Nach Art. 30 Abs. 4 AHVG wird die Summe der Erwerbseinkommen entsprechend dem Rentenindex gemäss Art. 33ter aufgewertet. Der Bundesrat lässt die Aufwertungsfaktoren jährlich durch das BSV festlegen (Art. 51bis AHVV).
| 9 |
10 | |
Zu diesen Fragen hat das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil vom 30. August 1994 in Sachen Sch. (publiziert in AHI 1995 S. 109) folgendes ausgeführt:
| 11 |
"Welche Wirkung der Vertrauensschutz im Einzelfall hat, lässt sich nicht in genereller Weise beantworten. Dem Vertrauensschutz wird in der Regel jedoch Genüge getan, wenn der Bürger vor dem im Vertrauen erlittenen Nachteil bewahrt wird. Je nach Sachlage ist dieses Ziel durch Vermeiden von Rechtsnachteilen, durch Übergangslösungen oder durch den - im Gesetz ![]() | 12 |
Im Lichte dieser Grundsätze kann sich im vorliegenden Fall die Beseitigung der Nachteile der unrichtigen Auskunft nicht darauf beschränken, dass bei der Rentenberechnung lediglich die fehlenden Beitragsjahre berücksichtigt werden. Auszugehen ist davon, dass das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil vom 30. Oktober 1990 angenommen hat, der Beschwerdeführer wäre im Jahre 1950 der freiwilligen Versicherung beigetreten, wenn er darüber von der Schweizerischen Gesandtschaft in Rio auf seine Anfragen hin richtige Informationen erhalten hätte. Er hätte mithin nach seinem Beitritt die entsprechenden Beiträge geleistet, welche sich ab 1950 nicht nur hinsichtlich der Beitragsjahre, sondern auch hinsichtlich des Aufwertungfaktors und der Höhe des massgebenden durchschnittlichen Renteneinkommens ausgewirkt hätten. Der Nachteil durch die unrichtige Information beschränkt sich demnach nicht auf die fehlenden Beitragsjahre allein. Es geht hier um den Fall einer "negativ lautenden Vertrauensgrundlage" (RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 74 B XIV b, S. 238; WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 131), indem sich der Beschwerdeführer auf die damaligen ausweichenden Auskünfte verlassen und dadurch eine für ihn günstige Möglichkeit zum Beitritt zur freiwilligen Versicherung verfehlt hat. In diesem Falle ist er so zu halten, dass ihm daraus kein Nachteil erwächst. Es ist daher im vorliegenden Fall der ganze Nachteil auszugleichen, zumal einer solchen Lösung das öffentliche Interesse nicht mehr entgegensteht als bei einer bloss teilweisen Beseitigung des Nachteils. Dieses Vorgehen ist um so gerechtfertigter, als Verwaltung und Vorinstanz mit der Berücksichtigung lediglich der Beitragsjahre letztlich auf halbem Weg stehengeblieben sind. Sie haben zwar die Beitragsjahre angerechnet, was sich zugunsten der Höhe der Rente auswirkte. Anderseits haben sie jedoch diese Beitragsjahre auch beim Divisor berücksichtigt, was zu einem niedrigeren jährlichen Erwerbseinkommen geführt hat. Dies zeigt die Widersprüchlichkeit des Vorgehens von Verwaltung und Vorinstanz. Eine befriedigende Lösung kann im vorliegenden Fall lediglich dadurch erreicht werden, wenn der ganze entstandene Nachteil beseitigt wird.
| 13 |
Der Vergleich der Vorinstanz im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 52bis AHVV ist nicht stichhaltig. Die Schliessung von Beitragslücken gestützt auf Art. 52bis AHVV erfolgt unabhängig davon, weshalb die entsprechenden Beitragsjahre fehlen, und insbesondere unabhängig davon, ob die Verwaltung in irgendeiner Art und Weise ein Versäumnis trifft. Demgegenüber geht es beim Vertrauensschutz gerade darum, die Folgen einer unzutreffenden Auskunft der staatlichen Behörde zu beseitigen ![]() | 14 |
Zusammenfassend hielt das Gericht fest, dass bei der Schliessung von Beitragslücken, die vor dem ersten Eintrag im IK entstanden sind, im Rahmen des Vertrauensschutzes bei Fällen der vorliegenden Art der ganze erlittene Nachteil auszugleichen ist. Die Wirkungen sind bei der Rentenberechnung nebst zusätzlichen Beitragsjahren auf die weiteren rentenbildenden Faktoren wie Erwerbseinkommen und Aufwertungsfaktor auszudehnen (AHI 1995 S. 114 Erw. 2d).
| 15 |
Offengelassen hat hingegen das Eidg. Versicherungsgericht die Frage, welches fiktive Einkommen bei der Schliessung von Beitragslücken anzurechnen ist (AHI 1995 S. 116 Erw. 3c).
| 16 |
b) Die vorstehenden Ausführungen sind in genau gleicher Weise auf den vorliegenden, gleichgelagerten Fall anzuwenden. Das heisst, die Ehepaar-Altersrente der Beschwerdegegner ist so zu berechnen, wie wenn der Beschwerdegegner gestützt auf eine richtige Auskunft der freiwilligen Versicherung für Auslandschweizer beigetreten und ab 1951 Beiträge geleistet hätte. Als erster für die Ermittlung des Aufwertungsfaktors massgebender Eintrag im IK ist demzufolge das Jahr 1951 anzusehen. Gemäss Rententabelle 1989 beträgt der Aufwertungsfaktor für das Jahr 1989, als der Anspruch auf eine Ehepaar-Altersrente entstanden ist, beim ersten IK-Eintrag im Jahre 1951 1,899.
| 17 |
Die vollständige Beitragsdauer des Jahrganges 1923 beträgt bis zur Entstehung des Rentenanspruchs im Januar 1989 41 Jahre. Der Beschwerdegegner weist für die Jahre 1948 bis und mit 1950 eine Beitragslücke auf, so dass die anrechenbare Beitragsdauer 38 Jahre beträgt. Gemäss der Rententabelle 1989 entspricht dies der Rentenskala 41. Für den Rentenanspruch ab 1. Januar 1990 resultiert durch Anrechnung von Zusatzjahren aufgrund der neuen Fassung von Art. 52bis AHVV die Skala 44.
| 18 |
c) Es bleibt zu prüfen, welches Einkommen den Beschwerdegegnern für die Jahre der zu schliessenden Beitragslücken von 1951 bis 1. Juli 1962 anzurechnen ist.
| 19 |
Das BSV vertritt in der Eingabe vom 4. November 1994 die Auffassung, im vorliegenden Fall seien die Einkommensverhältnisse in den fraglichen Jahren so zu rekonstruieren, wie sie seinerzeit beim Beschwerdegegner geherrscht oder annähernd geherrscht haben dürften. Die sicherste und wohl praktikabelste Lösung sei es, wenn der Beschwerdegegner mittels Lohnbescheinigungen oder Lohnabrechnungen Aufschluss über die seinerzeitigen Einkommen geben könne. Möglicherweise sei sogar die frühere Arbeitgeberin noch in der Lage, Angaben über die damals ausgerichteten ![]() | 20 |
21 | |
d) Dem BSV ist darin beizupflichten, dass bei Schliessung von Beitragslücken gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben die Einkommensverhältnisse in erster Linie so zu rekonstruieren sind, wie sie in den fraglichen Jahren geherrscht haben. Aus den der Eingabe vom 29. November 1994 beigelegten Fotokopien ergibt sich, dass der Beschwerdegegner von der E. SA in den Jahren 1960 bis 1965 den Gegenwert in Cruzeiros von Fr. 15'000.-- als Salär erhalten hat. In den Jahren 1966 und 1967 betrug das Salär Fr. 18'000.--. Gestützt auf diese Belege ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner in den Jahren 1960 bis 1962 pro Jahr Fr. 15'000.-- verdient hat. Diese Einkommen sind der Rentenberechnung für die Jahre 1960 bis 1962 (bis 30. Juni) zugrundezulegen. Für die Jahre 1951 bis und mit 1959 bedarf es zusätzlicher Abklärungen, welche durch die Verwaltung vorzunehmen sind. Dementsprechend wird der Beschwerdegegner aufzufordern sein, Lohnbescheinigungen oder Lohnabrechnungen für die fraglichen Jahre einzureichen. Sollte er hiezu nicht in der Lage sein, sind Abklärungen bei der früheren Arbeitgeberin über die damaligen Lohnverhältnisse im Betrieb und des Beschwerdegegners in Brasilien im speziellen zu tätigen. Insbesondere ist die damalige Arbeitgeberin auch darüber zu befragen, ob die Darstellung des Beschwerdegegners zutrifft, wonach er ab Oktober 1946 in den fraglichen Jahren jeweils Fr. 15'000.-- jährlich verdient hat. Allfällige auf diese Weise glaubhaft gemachte Einkommen sind sodann, wie das BSV in der Eingabe vom 4. November 1994 zutreffend festhält, für die Rentenberechnung zu berücksichtigen.
| 22 |
Sollte es aufgrund der zusätzlichen Abklärungen nicht möglich sein, die Einkommensverhältnisse in den Jahren 1951 bis und mit 1959 zu rekonstruieren, so sind die Jahreseinkommen den "Tabellen zur Ermittlung der mutmasslichen Beitragsdauer in den Jahren 1948 bis 1968" entsprechend dem Erwerbszweig 32 gestützt auf die vom Beschwerdegegner für die Jahre 1962 (ab 1. Oktober) bis 1966 geleisteten jährlichen Beiträge von Fr. 600.-- zu entnehmen (Variante 2). Trotz der vom BSV geäusserten Bedenken rechtfertigt sich dieses Vorgehen im vorliegenden Fall, da aufgrund der vom Beschwerdegegner eingereichten Belege feststeht, dass er in den Jahren 1960 und 1961 in Brasilien einen Lohn von Fr. 15'000.-- bezogen hat.
| 23 |
![]() | 24 |
Da die Beschwerdegegner seit 26. Januar 1990 in Y wohnhaft sind und in der Zwischenzeit bereits der Kassenwechsel stattgefunden hat (vgl. Art. 125 lit. b AHVV), rechtfertigt es sich, mit den vorzunehmenden Abklärungen die nunmehr zuständige Ausgleichskasse des Kantons Zürich zu betrauen.
| 25 |
26 | |
Mit BGE 116 V 298 hat das Eidg. Versicherungsgericht seine bisherige Rechtsprechung im Bereich des Vertrauensschutzes dahingehend geändert, dass inskünftig bei Erfüllung der fünf Voraussetzungen auf die Prüfung der Frage zu verzichten ist, ob eine unmittelbar und zwingend sich aus dem Gesetz ergebende Sonderregelung vorliegt, vor welcher das Vertrauensprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz zurückzutreten hat. Eine solche Sonderregelung stellte Art. 16 Abs. 1 AHVG nach dem vom BSV zitierten Entscheid BGE 100 V 154 dar. Da diese Verwirkungsregel der Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht mehr entgegensteht, sind folgerichtig bei Schliessung von Beitragslücken mit Anrechnung von zusätzlichem Einkommen die entsprechenden Beiträge nachzuzahlen. Dies ergibt sich auch daraus, dass - wie bereits ausgeführt (Erw. 2a und b hievor) - der ganze durch die unzutreffende Auskunft entstandene Nachteil beseitigt wird und der Beschwerdegegner so zu halten ist, wie wenn er gestützt auf eine richtige Auskunft der freiwilligen Versicherung für Auslandschweizer beigetreten und ab 1951 Beiträge geleistet hätte. Letzterer Umstand verbietet es indessen, auf den ![]() | 27 |
28 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |