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22. Urteil vom 16. August 1995 i.S. "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft gegen J. und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | |
Regeste |
Art. 20 Abs. 2 und Art. 40 UVG. |
- Bei Nichterfüllung der Voraussetzungen von Art. 31 Satz 2 UVV gelangen die Generalklausel des Art. 40 UVG und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Tragen. | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 13. Juni 1994 in dem Sinne gut, dass es die Sache in Aufhebung des Einspracheentscheides an die Versicherungs-Gesellschaft zurückwies, damit diese über die Höhe der Invalidenrente im Sinne der Erwägungen neu verfüge.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides.
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J. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Denselben Antrag stellt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV).
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Vorbehältlich besonderer Koordinationsregeln werden gemäss Art. 40 UVG Geldleistungen, ausgenommen Hilflosenentschädigungen, so weit gekürzt, als sie mit anderen Sozialversicherungsleistungen zusammentreffen und den ![]() | 7 |
Die Vorschrift von Art. 40 UVG stellt eine Generalklausel zur Vermeidung von Überentschädigungen dar (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 536 f.). Sie gilt ihrem Wortlaut nach nur subsidiär, d.h. wenn keine andere Koordinationsnorm anwendbar ist. So finden Art. 40 UVG und die entsprechenden gemäss altrechtlicher Rechtsprechung (namentlich zu Art. 74 Abs. 3 KUVG) entwickelten Grundsätze im allgemeinen keine Anwendung beim Zusammentreffen von Renten der obligatorischen Unfallversicherung mit solchen der AHV oder IV, da die Art. 20 Abs. 2 und 31 Abs. 4 UVG diesbezüglich eine besondere Koordinationsregel enthalten. Demgegenüber greift Art. 40 UVG beispielsweise dann Platz, wenn - wie im vorliegenden Fall - Taggelder der Unfallversicherung mit Renten der Invalidenversicherung zusammentreffen (BGE 117 V 395 Erw. 2b und 115 V 279 Erw. 1c mit Hinweisen).
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b) Demgegenüber hat das kantonale Gericht erwogen, dass die spezielle Koordinationsregel des Art. 20 Abs. 2 UVG im vorliegenden Fall nicht greife, weil der Versicherten kein eigener Anspruch auf die Ehepaar-Altersrente zustehe und folglich die allgemeine Generalklausel in Art. 40 UVG zum Tragen gelange. Und da bei der Überversicherungsberechnung die Rentenansprüche, die der Ehegatte des betroffenen Versicherten unabhängig von dessen Invalidität beanspruchen könne, rechtsprechungsgemäss ausser acht zu lassen seien, müsse dies um so mehr gelten, wenn der eine Invalidenrente nach Art. 18 UVG anbegehrenden Versicherten überhaupt kein eigener Anspruch auf eine AHV-Rente zustehe. Daran ändere selbst der Umstand nichts, dass sie die Hälfte der Ehepaarrente direkt ausbezahlt erhalte.
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Zur Begründung stützte sich das Gericht auf den Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 UVG, der bei einem Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung und dem gleichzeitigen "Anspruch auf eine Rente der IV oder auf eine Rente der AHV" generell die Gewährung einer "Komplementärrente" vorsieht, deren Höhe grundsätzlich der Differenz zwischen 90% des versicherten Verdienstes und "der Rente der IV oder der AHV" entspricht. Ebenso ist in Art. 31 Abs. 4 UVG bei dem
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Anspruch auf eine Hinterlassenenrente der Unfallversicherung und dem gleichzeitigen "Anspruch auf Renten der AHV oder der IV" generell und uneingeschränkt von der Gewährung einer "Komplementärrente" die Rede, welche ebenfalls grundsätzlich der Differenz zwischen 90% des versicherten Verdienstes und "den Renten der AHV oder der ![]() | 14 |
Nach dieser Rechtsprechung bleibt aufgrund des klaren Wortlautes von Art. 20 Abs. 2 (und 31 Abs. 4) UVG kein Raum für eine gestützt auf die allgemeinen Grundsätze der Überversicherung oder der Kongruenz abweichende Auslegung mit einer nur teilweisen Anrechnung der genannten Renten (vgl. zur Auslegung: BGE 120 V 324 Erw. 5a mit Hinweisen). Dazu besteht um so weniger Anlass, als sich die vollumfängliche Berücksichtigung der IV- und AHV-Renten auch mit Sinn und Zweck der Bestimmungen deckt. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der Komplementärrenten die früheren allgemeinen Überentschädigungsregeln (Art. 45 IVG bzw. Art. 39bis IVV; Art. 48 AHVG resp. Art. 66quater AHVV), die nach laufenden Überprüfungen und Anpassungen der Kürzungssätze verlangt hatten, bewusst vereinfachen und durch das neue Koordinationssystem ersetzen, womit er eines der wichtigsten Revisionsziele zu verwirklichen beabsichtigte (BGE 115 V 270 f. Erw. 2a und 287 Erw. 3a, je mit Hinweisen auf Materialien und Literatur).
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b) Im vorliegenden Fall tritt allerdings eine Problematik zutage, die vom Eidg. Versicherungsgericht bislang nicht zu beurteilen war. Denn anders als in BGE 115 V 281 steht die hier unter Berücksichtigung einer Ehepaarrente der AHV festzusetzende Invalidenrente nach Art. 18 UVG nicht einem männlichen Versicherten zu, sondern einer verheirateten Frau. Insofern ist daran zu erinnern, dass die grundsätzliche Anspruchsberechtigung für Ehepaarrenten nach dem bis zum Inkrafttreten der 10. AHV-Revision (vgl. BBl 1994 III 1804 ff., insb. 1808; BGE 120 V 3 unten f. sowie Alfons BERGER, Die 10. AHV-Revision - ein sozialpolitischer Wendepunkt, CHSS 1994 S. 248 ff.) noch immer geltenden Recht (Art. 22 Abs. 1 AHVG und Art. 33 Abs. 1 IVG) - trotz des nunmehr gesetzlich verankerten Grundsatzes der getrennten Auszahlung (Art. 5 des Bundesbeschlusses über die Leistungsverbesserungen in der AHV und der IV sowie ihre Finanzierung vom 19. Juni 1992) - allein beim Ehemann liegt (BGE 120 V 2 Erw. 1a, BGE 115 V 127 Erw. 2a, BGE 107 V 74 Erw. 1 sowie CHSS 1993 S. 19 f.; vgl. ferner MAURER, a.a.O., S. 89; Nathalie KOHLER, La situation de la femme dans l'AVS, Lausanne 1986, S. 182 ff.; Gabriela RIEMER-KAFKA, Die Gleichstellung von Mann und Frau in der schweizerischen Sozialversicherung, SZS 35/1991 S. 296).
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Verfügt demnach die Ehefrau über keinen eigenen Anspruch auf die Ehepaarrente, kann diese im Rahmen von Art. 20 Abs. 2 UVG strenggenommen ![]() | 17 |
Ausgehend hievon wird im Schrifttum die Meinung vertreten, dass es kein Zusammentreffen von Renten und damit auch keine Komplementärrentenberechnung gebe, wenn der Anspruch auf eine Rente der AHV oder der IV einer (weiblichen) Versicherten zu einer Ehepaarrente führe (vgl. Rudolf WIPF, Koordinationsrechtliche Fragen des UVG, SZS 1994 S. 14 und 19). Dieser Auffassung, der sich die Vorinstanz angeschlossen hat und die auch vom BSV geteilt wird, ist beizupflichten. Dem steht, entgegen den Vorbringen des beschwerdeführenden Unfallversicherers, das Recht der Ehefrau auf getrennte Auszahlung der halben Ehepaarrente nicht entgegen (Art. 22 Abs. 2 AHVG und Art. 5 des vorerwähnten Bundesbeschlusses vom 19. Juni 1992), nachdem dadurch - wie schon erwähnt - die Anspruchsberechtigung in bezug auf die Rente in keiner Weise beschlagen wird (vgl. CHSS 1993 S. 19 f.). Selbst die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken vermögen angesichts des klaren Gesetzeswortlautes und der vom Richter zu beachtenden Verbindlichkeit bundesgesetzlicher Regelungen (Art. 113 Abs. 3 und 114bis Abs. 3 BV) nicht zu verfangen; dies um so weniger, als die mit einer wörtlichen Auslegung von Art. 20 Abs. 2 UVG einhergehende Bevorzugung verheirateter weiblicher Versicherter in ihrer eigenen - seit Inkrafttreten von Art. 4 Abs. 2 BV offensichtlichen - Benachteiligung hinsichtlich des Ehepaarrentenanspruchs gründet und all diese Mängel mit Inkrafttreten der 10. AHV-Revision behoben sein werden. Ebensowenig besteht mit Blick auf die noch bestehende, indes bald der Vergangenheit angehörende Ordnung gemäss Art. 22 Abs. 1 AHVG und Art. 33 Abs. 1 IVG Notwendigkeit für ein von Zweckgedanken geleitetes Abweichen vom klaren Gesetzeswortlaut.
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