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45. Urteil vom 13. Dezember 1995 i.S. Helvetia Krankenkasse gegen S. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft | |
Regeste |
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a KUVG, Art. 14 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Vo III, Anhang Ziff. 3 Vo 9. |
- Die künstliche Insemination kann als wissenschaftlich anerkannt gelten und erfüllt im konkreten Fall auch die Voraussetzungen der Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der therapeutischen Massnahme, weshalb sie von der Krankenkasse als Pflichtleistung zu übernehmen ist. | |
Sachverhalt | |
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Im Hinblick auf eine zweite Schwangerschaft unterzog sich S. ab Februar 1990 erneut einer Hormonbehandlung. Als diese erfolglos blieb, wurden ergänzende medizinische Abklärungen getroffen, die ergaben, dass nebst der Gelbkörperinsuffizienz eine immunologische Ursache (Antisperma-Antikörper) für die Sterilität verantwortlich war. Auf Anraten des Arztes entschloss sich S. für eine Weiterführung der Hormonbehandlung unter gleichzeitiger Vornahme einer homologen Insemination. Diese zweite Behandlungsphase begann im Dezember 1990 und wurde im November 1991 mangels Erfolgs eingestellt.
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Die Krankenkasse Helvetia übernahm die Kosten von Untersuchungen und Behandlungen im Kantonsspital X und der teilweise gleichzeitig durchgeführten Behandlung durch PD Dr. med. B. an der Universitäts-Frauenklinik Y in der Zeit vom 12. Februar bis 17. August 1990. Die Vergütung weiterer Rechnungen des behandelnden Arztes für die Zeit vom 4. September bis 14. November 1990 und 5. Dezember 1990 bis 31. Januar 1991 lehnte sie gestützt auf eine Stellungnahme ihres Vertrauensarztes ab mit der Begründung, dass "die mit der Insemination gekoppelten Ultraschalle inklusive Behandlung" nicht übernommen werden könnten (Schreiben vom 19. Juni und 2. Juli 1991). Mit Verfügung vom 10. Dezember 1991 teilte die Krankenkasse der Versicherten mit, dass die künstliche Insemination zwar aufgrund eines krankhaften Zustandes vorgenommen worden sei, jedoch keine therapeutische Massnahme im Sinne des KUVG darstelle, weil die Krankheit als solche nicht geheilt werde. Sowohl die Insemination als auch die damit verbundene Stimulations-Behandlung bildeten daher keine Pflichtleistungen der Krankenkasse. Die in Zusammenhang mit der Insemination bereits erbrachten Leistungen seien irrtümlich erfolgt; von einer Rückforderung werde indessen abgesehen.
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B.- S. liess gegen diese Verfügung Beschwerde erheben mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass es sich bei den von der Krankenkasse bisher nicht übernommenen Kosten für Ultraschall-Untersuchungen, Arztkonsultationen und Medikamente um Pflichtleistungen handle, und es sei die Kasse - unter ![]() | 4 |
Die Krankenkasse beantragte Abweisung der Beschwerde; eventuell sei ein medizinisches Gutachten über die streitige Frage anzuordnen. Sie hielt daran fest, dass die künstliche Befruchtung keine therapeutische Massnahme im Sinne des Gesetzes darstelle, weshalb die damit in Zusammenhang stehenden Kosten nicht als Pflichtleistung gelten könnten. Was die streitige Hormonbehandlung betreffe, sei diese nicht geeignet gewesen, die immunologische Ursache der Sterilität (Antisperma-Antikörper) zu beseitigen. Nach den Angaben des Vertrauensarztes sei eine künstliche Befruchtung ohne gleichzeitige hormonelle Stimulation praktisch ausgeschlossen. Sinn und Zweck der Stimulation und der Ultraschall-Untersuchungen sei es gerade, den für die Ovulation günstigsten Zeitpunkt zu ermitteln. Aus dem Umstand, dass die Kasse gewisse Leistungen erbracht habe, könne die Versicherte nichts für sich ableiten. Die anfänglich eingereichten Rechnungen hätten keinen Rückschluss auf die Behandlungsart erlaubt, und es seien zu Unrecht Leistungen erbracht worden. Zudem habe auch der behandelnde Arzt wissen müssen, dass künstliche Befruchtungen und damit zusammenhängende Behandlungen gemäss langjähriger Verwaltungspraxis von den Kassen nicht als Pflichtleistungen übernommen würden.
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Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft gelangte mit Entscheid vom 13. Mai 1992 zum Schluss, dass die künstliche Insemination therapeutischen Charakter im Sinne des Gesetzes aufweise und den ![]() | 6 |
C.- Die Krankenkasse Helvetia erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei die Kassenverfügung vom 10. Dezember 1991 zu bestätigen.
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S. lässt sich mit dem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vernehmen. Das Bundesamt für Sozialversicherung schliesst auf Gutheissung der Beschwerde.
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Auf die Begründung der Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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b) (Kognition)
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2. a) In tatsächlicher Hinsicht ist aufgrund der Arztberichte davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin an sekundärer Sterilität leidet, die vorab auf eine chronische Lutealinsuffizienz (Gelbkörperinsuffizienz), somit auf eine endokrine Störung zurückzuführen ist. Die Behandlung dieser Störung erfolgte mit HMG (Human menopausal gonadotropin)-Präparaten (Pergonal, Humeron), welche die Follikelreifung anregen (Bericht PD Dr. B. vom 4. Juni 1991). Im Laufe der Behandlung zeigte sich, dass die Versicherte zusätzlich an einem (vermutlich immunologisch bedingten) ![]() | 12 |
b) Die gesetzlichen Pflichtleistungen nach Art. 12 KUVG sind nur geschuldet, wenn der Versicherte an einer Krankheit leidet (Art. 14 Abs. 1 Vo III über die Krankenversicherung vom 15. Januar 1965; SR 832.140). Ob eine Krankheit im Sinne des KUVG besteht, ist nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu beantworten. Dabei wird man kaum je von Krankheit sprechen können, wenn nicht Störungen vorliegen, die durch pathologische Vorgänge verursacht worden sind (BGE 116 V 240 Erw. 3a). Solche Störungen liegen in der Regel auch der Sterilität zugrunde. Nach ständiger Rechtsprechung gilt die Sterilität daher als Krankheit, die zu Pflichtleistungen der Krankenkassen Anlass gibt (BGE 119 V 28 Erw. 2 mit Hinweisen; vgl. auch RSKV 1971 S. 39 f.). Die Krankenkasse bestreitet ihre Leistungspflicht denn auch nicht grundsätzlich, sondern lediglich hinsichtlich der bei der Versicherten vorgenommenen künstlichen Insemination und der damit in Zusammenhang stehenden Massnahmen.
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b) Die Beschlüsse des Departements über die Leistungspflicht der Krankenkassen bei umstrittener Wissenschaftlichkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit diagnostischer oder therapeutischer Massnahmen werden im ![]() | 15 |
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Bei der vom EDI gestützt auf Art. 21 Abs. 2 und 3 der Vo III über die Krankenversicherung erlassenen Vo 9 über die Leistungspflicht der anerkannten Krankenkassen für bestimmte diagnostische und therapeutische Massnahmen vom 18. Dezember 1990 handelt es sich um eine auf Subdelegation beruhende Rechtsverordnung, die als solche für den Richter verbindlich ist, soweit sie sich als gesetzeskonform erweist. Dabei muss dem Departement ein gewisser Beurteilungsspielraum zuerkannt werden. Der Sozialversicherungsrichter wird deshalb eine solche Verfügung nur dann als gesetzwidrig bezeichnen und ihr die Anwendung versagen, wenn sie auf einer klaren Fehlbeurteilung beruht, d.h. insbesondere im Falle einer willkürlichen Beurteilung der Frage nach der Wissenschaftlichkeit einer Massnahme (BGE 105 V 184 f. Erw. 2c).
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Wie die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zu Recht feststellt, kann dieser Begründung nicht gefolgt werden. Wohl liegt der Zweck der ärztlichen Behandlung als gesetzliche Pflichtleistung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 KUVG in der möglichst vollständigen Beseitigung der körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung (BGE 113 V 45 Erw. 4c). Die ärztliche Behandlung umfasst jedoch nicht nur Massnahmen, die der Heilung von Krankheiten dienen, sondern u.a. auch blosse Symptombehandlungen sowie Vorkehren, die auf die Beseitigung sekundärer krankheitsbedingter Beeinträchtigungen gerichtet sind (BGE 111 V 232 Erw. 1c, BGE 104 V 96 Erw. 1, BGE 102 V 71 f. Erw. 3; RKUV 1985 Nr. K 638 S. 199 Erw. 1b). Demzufolge kann auch der Begriff der "therapeutischen Massnahmen" gemäss Art. 21 Abs. 1 Vo III über die Krankenversicherung nicht eng in dem Sinne ausgelegt werden, dass darunter nur ärztliche Vorkehren zu rechnen sind, die auf die Heilung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung gerichtet sind. Der Ausschluss der künstlichen Insemination von der Leistungspflicht der Krankenkassen gemäss Stellungnahme der Fachkommission vom 22. März 1973 und Ziff. 3 des Anhangs zur Vo 9 des EDI beruht somit nicht auf medizinischen, sondern auf rechtlichen Überlegungen, die zudem nicht als gesetzes- und verordnungskonform erachtet werden können. Es ist vom Richter daher selbständig zu prüfen, wie es sich hinsichtlich der Leistungspflicht der Krankenkasse für die streitige Massnahme verhält.
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5. a) Die Vorinstanz hat den therapeutischen Charakter der künstlichen Insemination mit der Begründung bejaht, Ziel der ärztlichen Behandlung sei es zwar, die physischen und psychischen Schädigungen der Gesundheit möglichst vollständig zu beseitigen. Eine ärztliche Massnahme verfolge aber auch dann einen therapeutischen Zweck im Sinne des Gesetzes, wenn sie nicht die Ursachen der Krankheit, sondern deren Symptome oder Folgeerscheinungen bekämpfe. Es gebe zahlreiche Krankheiten, die nach dem heutigen Stand der ![]() | 20 |
b) Die beschwerdeführende Krankenkasse hält dem entgegen, die Leistungspflicht für die Symptombehandlung bei Diabetes und Epilepsie ergebe sich daraus, dass die Therapie lebenserhaltend oder zumindest geeignet sei, eine schwere Beeinträchtigung der Gesundheit zu verhindern. Demgegenüber ändere die künstliche Insemination nichts am Krankheitsbild der Sterilität. Eine Symptombehandlung sei nicht notwendig und schon gar nicht lebenserhaltend. Die Unfruchtbarkeit bleibe bestehen, mit oder ohne ärztliche Behandlung. Des weitern sei davon auszugehen, dass die Sterilität in der Regel auf einem anatomischen oder physiologischen Hindernis beruhe, welches das Eintreten einer Schwangerschaft verunmögliche. Solche Hindernisse könnten heute vielfach durch die ärztliche Kunst beseitigt werden. So sei die Hormonstimulation bei der Ovarialinsuffizienz von der Methode her durchaus vergleichbar mit der Insulinsubstitution bei Diabetes. Gelinge es jedoch nicht, das Hindernis zu beseitigen, vermöge nur noch die künstliche Befruchtung weiterzuhelfen. Wenn es das Ziel jeder ärztlichen Behandlung sei, die physischen und psychischen Schädigungen der Gesundheit zu beseitigen, könne die Insemination nur dann eine Pflichtleistung der Krankenkassen sein, wenn die Kinderlosigkeit als Krankheit begriffen werde. Es sei indessen nicht Aufgabe der Krankenkassen, das Risiko der Kinderlosigkeit zu decken. Wer sich mit den Folgen von Fertilitätsstörungen nicht abzufinden vermöge, könne zwar Zuflucht bei den Methoden der Fortpflanzungshilfe nehmen. Es gehe aber nicht an, die Kosten für die Inanspruchnahme der modernen Fortpflanzungsmedizin der Versichertengemeinschaft zu überbinden.
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b) Nach dem in Erw. 4b Gesagten ist sodann festzuhalten, dass sich die therapeutischen Massnahmen im Sinne des KUVG nicht auf ärztliche Vorkehren beschränken, die auf eine Heilung gesundheitlicher Störungen gerichtet sind. Würde bezüglich der Sterilität anders entschieden, so hätte dies stossende Rechtsungleichheiten zur Folge, weil eine Heilung nur in besondern Fällen, so bei der operativen Beseitigung organisch-anatomischer Ursachen möglich ist. Dagegen führen insbesondere Hormonbehandlungen in der Regel zu keiner Heilung, da sie am Zustand der Sterilität lediglich vorübergehend etwas ändern. Dass auch den Hormonbehandlungen der therapeutische Charakter abzusprechen ist, wird von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht geltend gemacht.
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Richtig ist, dass sich die künstliche Insemination von andern Behandlungsformen der Sterilität, insbesondere der Hormonbehandlung, dadurch unterscheidet, dass nicht unmittelbar die Ursachen der Sterilität angegangen werden. Das angestrebte Ziel, nämlich die Herbeiführung einer Befruchtung und damit einer Schwangerschaft, wird vielmehr indirekt zu erreichen versucht, indem das bestehende organische oder immunologische Hindernis durch das instrumentelle Einbringen von Samenzellen in die Geschlechtsorgane der Frau überwunden wird. Ob eine ärztliche Vorkehr ![]() | 25 |
Was die Beschwerdeführerin schliesslich unter Hinweis auf die Aufgaben der Krankenversicherung in grundsätzlicher Hinsicht vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Die Auffassung der Krankenkasse verkennt die besondere Natur der Sterilität als Funktionsstörung mit Krankheitswert und trägt dem Behandlungsziel der streitigen Massnahme (Behebung der Kinderlosigkeit) nicht hinreichend Rechnung. Sie hätte zudem Rechtsungleichheiten zur Folge, indem je nach Ursache der Sterilität Leistungen zu erbringen wären oder nicht. Mit der Vorinstanz ist der therapeutische Charakter der streitigen Massnahme daher zu bejahen.
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c) An diesem Ergebnis vermag nichts zu ändern, dass für die Sterilitätsbehandlung keine medizinische Notwendigkeit besteht. Abgesehen davon, dass andernfalls eine Leistungspflicht der Krankenkassen bei Sterilität praktisch entfiele, bildet die medizinische Notwendigkeit für eine ärztliche Vorkehr kein geeignetes Abgrenzungskriterium, da es nicht Sache der Krankenkassen oder des Richters sein kann, darüber zu befinden, was im Einzelfall unter medizinischen Gesichtspunkten notwendig ist und was nicht. Praxisgemäss genügt es daher für die Leistungspflicht der Krankenkassen, wenn eine ärztliche Vorkehr als medizinisch indiziert gelten kann (vgl. hiezu RKUV 1986 Nr. K 679 S. 226), sofern die übrigen Voraussetzungen gemäss Art. 21 Abs. 1 der Vo III über die Krankenversicherung erfüllt sind.
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a) Nach der Rechtsprechung gilt eine Behandlungsmethode dann als wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis anerkannt ist. Entscheidend sind dabei das Ergebnis der Erfahrungen und der Erfolg einer bestimmten Therapie (BGE 120 V 122 Erw. 1a, 211 Erw. 7a).
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Die künstliche Insemination wird in der Schweiz seit Jahrzehnten praktiziert und ist klinisch längst erprobt. Im Gegensatz zu andern Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung (vgl. diesbezüglich BGE 119 V 29 Erw. 3b) hat sie weder experimentellen Charakter noch sind damit besondere Risiken verbunden. Nach den Angaben im Begleitbericht zum Vorentwurf eines Humanmedizingesetzes vom Juni 1995 kommt die homologe künstliche Insemination sehr häufig (mehrere tausend Mal pro Jahr) zur Anwendung, wogegen die Zahl der heterologen Inseminationen zurückgegangen ist (S. 27 Ziff. 151.2).
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Die Wissenschaftlichkeit der künstlichen Insemination lässt sich auch unter dem nach der Rechtsprechung massgebenden Gesichtspunkt des zu erwartenden Erfolgs bejahen. Im Bericht der Expertenkommission Humangenetik und Reproduktionsmedizin vom 19. August 1988 wurde die Schwangerschaftsrate bei der homologen Insemination je nach Ursache der Unfruchtbarkeit mit 3 bis 10% und bei der heterologen Insemination mit 10 bis 15% pro Inseminationsversuch angegeben. Die Erfolgsrate der Behandlung insgesamt ![]() | 32 |
Die Wissenschaftlichkeit der künstlichen Insemination ist nach dem Gesagten zu bejahen, ohne dass es ergänzender Abklärungen bedarf. Es besteht auch kein Anlass zur Einholung einer Stellungnahme der Fachkommission zu dieser Frage, da die vorhandenen Unterlagen, insbesondere der Begleitbericht zum Vorentwurf eines Humanmedizingesetzes, eine hinreichende Entscheidungsgrundlage darstellen.
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b) Nachdem im vorliegenden Fall andere Methoden zur Überwindung der Sterilität versagt haben und eine medizinische Indikation zur künstlichen Insemination gegeben ist, kann ohne weiteres auch die Zweckmässigkeit der Massnahme bejaht werden.
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Wie im bereits wiederholt erwähnten Begleitbericht zum Vorentwurf eines Humanmedizingesetzes ausgeführt wird, betragen die Kosten der künstlichen Insemination bei homologer Anwendung rund Fr. 200.- und bei heterologer künstlicher Insemination etwa Fr. 200.- bis 300.- pro Behandlung (S. 27 Ziff. 151.2). Damit lässt sich generell auch die Wirtschaftlichkeit der Massnahme bejahen, zumal die Hormonbehandlung in der Regel erheblich höhere Kosten verursacht. Über die Zahl der Versuche, die im Einzelfall dem Wirtschaftlichkeitsgebot noch entsprechen, braucht im vorliegenden Verfahren nicht abschliessend entschieden zu werden. Nach den Angaben des behandelnden Arztes waren bei der Beschwerdegegnerin in der Zeit von Dezember 1990 bis November 1991 insgesamt sechs Zyklen mit homologer Insemination durchgeführt worden (Bericht PD Dr. B. vom 31. Januar 1992). Dies kann weder im Hinblick auf die Zahl der Versuche noch in bezug auf die ![]() | 35 |
c) Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass jedenfalls der homologen künstlichen Insemination nach herrschender Auffassung keine ethischen Gründe entgegenstehen, soweit es um die Behandlung von Ehepaaren oder von unverheirateten Paaren in stabilen Verhältnissen geht. Sie bildete nicht Gegenstand der medizinisch-ethischen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) zur Fortpflanzungsmedizin von 1981 und 1985 (Schweizerische Ärztezeitung 1982 S. 623, 1985 S. 1127; veröffentlicht auch von FRANK, a.a.O., Anhang Nr. 1 und 2), so dass davon ausgegangen werden kann, dass sie in dieser Hinsicht als problemlos betrachtet wurde (vgl. auch Bericht der Expertenkommission Humangenetik und Reproduktionsmedizin, BBl 1989 III 1094, 1101 sowie BUCHLI-SCHNEIDER, a.a.O., S. 63). Nach der neuesten Fassung der Richtlinien der SAMW vom 31. Dezember 1990 dürfen die Methoden ärztlich assistierter Fortpflanzung nur bei verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden unverheirateten Paaren angewendet werden, welche die Elternpflichten gegenüber dem Kind selber übernehmen wollen. Im übrigen werden für die homologe künstliche Insemination keine über die medizinische Indikation hinausgehenden Einschränkungen gemacht (Schweizerische Ärztezeitung 1991 S. 374 ff.). Nach dem gestützt auf Art. 24novies BV ergangenen Vorentwurf zu einem Humanmedizingesetz dürfen gependete Samenzellen nur bei Ehepaaren verwendet werden (Art. 4 Abs. 3 VE), wogegen die homologe Insemination auch unverheirateten Paaren offensteht. Eine Einschränkung besteht lediglich insofern, als nach dem Tode des Partners eine Insemination mit Keimzellen nicht zulässig ist (Art. 4 Abs. 5 VE).
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