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50. Urteil vom 28. Dezember 1995 i.S. R. gegen Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI und Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung des Kantons Zürich | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 1, Art. 13 AVIG. Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bei gewünschter Erweiterung einer Teilzeitbeschäftigung. | |
Sachverhalt | |
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Ab 22. April 1993 unterzog sich R. der Stempelkontrolle und beantragte die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung. Mit Verfügung vom 9. Juni 1993 ![]() | 2 |
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung des Kantons Zürich mit Entscheid vom 22. September 1994 ab.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt R., es seien ihr ab 22. April 1993 für den Arbeitsausfall von 50% Arbeitslosentaggelder zuzusprechen; zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung.
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Die Arbeitslosenkasse und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Zu den gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen gehört ferner, dass der Versicherte einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (Art. 8 Abs. 1 lit. b AVIG). Nach Art. 11 Abs. 1 AVIG ist der Arbeitsausfall anrechenbar, wenn er einen Verdienstausfall zur Folge hat und mindestens zwei aufeinanderfolgende volle Arbeitstage dauert. Als voller Arbeitstag gilt der fünfte Teil der wöchentlichen Arbeitszeit, die der Versicherte normalerweise während seines letzten Arbeitsverhältnisses geleistet hat (Art. 4 Abs. 1 AVIV). Der Arbeitsausfall von teilweise Arbeitslosen ist anrechenbar, wenn er innerhalb von zwei Wochen mindestens zwei volle Arbeitstage ausmacht (Art. 5 AVIV).
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Im weitern muss der Versicherte die Beitragszeit erfüllen oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sein (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG). Nach Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt die Beitragszeit, wer innerhalb der Rahmenfrist ![]() | 8 |
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a) Die Rekurskommission hat eine (Teil-)Arbeitslosigkeit verneint. Unter Hinweis auf das Urteil H. des Eidg. Versicherungsgerichts vom 31. Mai 1994 (auszugsweise veröffentlicht in SVR 1994 ALV Nr. 22 S. 51) hat sie erwogen, die Rechtsprechung, wonach es für die Qualifizierung einer Tätigkeit als Zwischenverdienst nicht mehr auf das Kriterium des Übergangscharakters ankomme, führe dazu, dass sämtliche Formen unselbständiger Erwerbstätigkeit innerhalb einer Kontrollperiode unter Art. 24 AVIG zu subsumieren seien. Da demnach die Entschädigung nach dem Verdienst- und nicht nach dem Arbeitsausfall zu erfolgen habe, müsse nicht mehr geprüft werden, ob ein Arbeitsverhältnis den gewünschten Beschäftigungsumfang abdeckt. Die Annahme von zumutbarer Arbeit führe zwingend zum Austritt aus der Arbeitslosigkeit. Für die Feststellung eines zusätzlichen Arbeitsausfalls bestehe daher ebensowenig Raum wie für eine darauf gründende Entschädigung. Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG, welcher die teilweise Arbeitslosigkeit für den Fall vorsehe, wo ein Teilzeitbeschäftigter eine Vollzeit- oder eine weitere Teilzeitstelle sucht, sei damit grundsätzlich nicht mehr anwendbar. Der ![]() | 10 |
b) Zu unterscheiden ist zunächst zwischen den Anspruchsnormen (Art. 8-17 AVIG) und den Bestimmungen über die Bemessung der Arbeitslosenentschädigung (Art. 18-29 AVIG). Danach ist die am 1. Januar 1992 in Kraft getretene neuumschriebene Zwischenverdienstregelung (Art. 24 AVIG) aufgrund ihrer systematischen Einordnung im Gesetz eine Entschädigungs- oder, genauer gesagt, eine Entschädigungsbemessungsnorm (BGE 120 V 242 Erw. 2b; in SVR 1994 ALV Nr. 22 S. 51 nicht publizierte Erwägung 3b). Ob ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung in einer bestimmten Kontrollperiode besteht, beurteilt sich primär nach Art. 8 Abs. 1 lit. a-g in Verbindung mit Art. 9 ff. AVIG. Sind diese Anspruchsvoraussetzungen gegeben, kommt es zur Zusprechung einer Arbeitslosenentschädigung, die in betraglicher Hinsicht nach den Art. 18 ff. AVIG festgelegt wird (vgl. GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. III, N. 10 zu Art. 24; GEHRHARDS, Arbeitslosenversicherung:"Stempelferien", Zwischenverdienst und Kurzarbeitsentschädigung für öffentliche Betriebe und Verwaltungen - Drei Streitfragen, in SZS 1994 S. 348). Das ist auch im Falle, da der Versicherte in der fraglichen Kontrollperiode einen Zwischenverdienst erzielt, grundsätzlich nicht anders (unveröffentlichtes Urteil F. vom 1. Juni 1994). Eine Sonderregelung besteht indes für den Fall, dass der Versicherte zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit für wenigstens eine ganze Kontrollperiode eine Vollzeitbeschäftigung annimmt und ihn dabei ein Verdienstausfall trifft, ohne dass er einen erheblichen Arbeitsausfall erleidet. Für diesen speziellen Tatbestand gewährt Art. 24 Abs. 4 AVIG, beschränkt auf die ersten sechs Monate einer solchen Beschäftigung, die Befreiung vom gesetzlichen Anspruchserfordernis des anrechenbaren Arbeitsausfalles im Sinne von Art. 11 Abs. 1 AVIG.
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c) Zu einer anderen Betrachtungsweise besteht auch unter dem Gesichtswinkel des Urteils H. vom 31. Mai 1994 kein Anlass. Wenn das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 120 V 249 f. Erw. 5b (worauf Erwägung 6a des Urteils H. verweist) festhielt, sämtliche Formen unselbständiger Erwerbstätigkeit, welche bisher unter die verschiedenen Bemessungsnormen oder -grundsätze der Teilzeitarbeit (Art. 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 f. AVIG), des Zwischenverdienstes (alt Art. 24 AVIG) und der Ersatzarbeit (alt Art. 25 AVIG) subsumiert wurden, bildeten nunmehr Gegenstand des revidierten Art. 24 AVIG, kann daraus nicht abgeleitet werden, in Fällen wie dem vorliegenden bestehe gar keine Arbeitslosigkeit ![]() | 12 |
d) Die vorinstanzlichen Darlegungen vermögen auch deshalb nicht zu überzeugen, weil sie dazu führen, dass Art. 14 Abs. 2 AVIG - insoweit er den Fall der Erweiterung einer bisherigen Tätigkeit regelt - schlechthin aus den Angeln gehoben würde. Für eine Versicherte, welche zufolge Scheidung die bisherige Halbtagesstelle erweitern möchte, würde dies bedeuten, dass ihr Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung in Ermangelung der ersten Voraussetzung des in Art. 8 Abs. 1 AVIG aufgeführten Katalogs verneint werden müsste und es ihr nichts nützen würde, dass sie aufgrund von Art. 14 Abs. 2 AVIG - mit Bezug auf die gesuchte zusätzliche Tätigkeit - an sich von der Erfüllung der Beitragszeit befreit wäre. Die in Art. 14 Abs. 2 AVIG bewusst kodifizierte Erweiterung einer Tätigkeit (vgl. ARV 1987 Nr. 5 S. 69 Erw. 2c) wäre damit obsolet.
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Im vorliegend zu beurteilenden Fall führt dies dazu, dass die Beschwerdeführerin, welche unbestrittenermassen eine Teilzeitbeschäftigung ausübt und eine Vollzeitbeschäftigung sucht, vom Zeitpunkt, ab welchem sie sich beim Arbeitsamt zur Vermittlung gemeldet hat (Art. 10 Abs. 3 AVIG), d.h. ab 22. April 1993, als teilarbeitslos zu betrachten ist.
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Zu unterscheiden ist zwischen der Tätigkeit, die der Beitragspflicht unterliegt, und der anderen Beschäftigung. Aus Art. 14 Abs. 2 AVIG folgt, dass Versicherte, welche ihre Tätigkeit erweitern wollen, bezüglich der gewünschten Ausdehnung ihrer Tätigkeit die Voraussetzungen der Beitragszeit ![]() | 18 |
Die Beschwerdeführerin kann innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist für die Beitragszeit (Art. 9 Abs. 1 und 3 AVIG) nur auf einem Teilpensum von 21 1/4 Wochenstunden Beiträge ausweisen. Damit genügt sie bezüglich der gewünschten Ausdehnung der Beschäftigung den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG nicht, insoweit dort die Erfüllung der Beitragszeit nach Art. 13 AVIG verlangt wird.
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b) Nach dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 AVIG beziehen sich diese Bestimmungen auf Versicherte, die nicht in einem Arbeitsverhältnis standen und deshalb durch die dort genannten Gründe an der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung gehindert worden sind. Es muss somit ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichterfüllung der Beitragszeit und der Krankheit (ARV 1986 Nr. 3 S. 14 Erw. 2 mit Hinweisen) bzw. der Schulausbildung, Umschulung oder Weiterbildung vorliegen (ARV 1991 Nr. 8 S. 86 Erw. 3a mit Hinweisen). Um wirklich kausal für die fehlende Beitragszeit zu sein, muss das Hindernis zudem während mehr als zwölf Monaten bestanden ![]() | 21 |
Die Beschwerdeführerin steht unbestrittenermassen seit 1981 ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis, welches auch während der rund zweimonatigen Krankheit fortbestand. Des weitern besuchte sie den Kurs an der Schule Y zugegebenermassen neben dieser Teilzeitbeschäftigung. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit aufgrund von Art. 14 Abs. 1 AVIG sind somit nicht erfüllt.
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c) Die Versicherte beruft sich des weitern darauf, dass ihr geschiedener Ehemann nicht mehr in der Lage sei, ihr die Unterhaltsbeiträge zu bezahlen. Es stellt sich somit die Frage, ob sie aus den in Art. 14 Abs. 2 AVIG erwähnten "ähnlichen Gründen" einen Befreiungstatbestand verwirklicht.
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aa) Die Formel "aus ähnlichen Gründen" stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, welcher vom Gesetzgeber bewusst nicht näher umschrieben wurde, um die Vorschrift entsprechend der Vielfalt des Lebens flexibel handhaben zu können (Botschaft des Bundesrates zum AVIG vom 2. Juli 1980, BBl 1980 III 565). Entscheidend ist, dass der unmittelbar Betroffene oder dessen Ehepartner durch ein bestimmtes Ereignis in eine wirtschaftliche Zwangslage gerät (BGE 119 V 54 Erw. 3a mit Hinweis).
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Anderseits gilt es zu beachten, dass das Gesetz die enumerierten oder ähnlichen Befreiungsgründe im Rahmen der Generalklausel nicht mehr zulässt, wenn das betreffende Ereignis mehr als ein Jahr zurückliegt (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 AVIG). Dies ist Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung, ein solches Ereignis nicht mehr als kausal für die über ein Jahr später versuchte Arbeitsaufnahme zu betrachten.
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cc) Wie dem Schreiben der Beschwerdeführerin an ihren geschiedenen Ehemann vom 16. Februar 1993 zu entnehmen ist, kam dieser seiner Unterhaltspflicht bis Ende Januar 1993 stets pünktlich nach. Erst ab Februar 1993 konnte er die Zahlungen infolge finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr leisten. Gemäss den Darlegungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hatte sich die Versicherte indessen bereits seit Mitte 1992 um eine Vollzeitstelle bemüht. Im vorinstanzlichen Verfahren hat sie dies zudem mit zahlreichen Unterlagen dokumentiert. Daraus folgt, dass sie bereits vor dem Wegfall der Unterhaltsbeiträge einer ganztägigen Beschäftigung nachgehen wollte. Es waren somit nicht erst die fehlenden Beiträge, welche die Beschwerdeführerin dazu zwangen, die Erwerbstätigkeit auszudehnen. Zwischen dem Ausbleiben der Zahlungen ihres Ex-Mannes und dem Wunsch nach einer Vollzeitstelle besteht somit kein Kausalzusammenhang (vgl. ARV 1987 Nr. 5 S. 70 Erw. 2d). Weitere Befreiungsgründe, welche innerhalb der Jahresfrist nach Art. 14 Abs. 2 in fine AVIG liegen, werden keine geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aufgrund der Akten. Insbesondere fällt die in Art. 14 Abs. 2 AVIG angeführte Ehescheidung im vorliegenden Fall ausser ![]() | 27 |
Da somit die Voraussetzungen von Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG nicht erfüllt sind, lassen sich die Verfügung vom 9. Juni 1993 und der vorinstanzliche Entscheid im Ergebnis insofern nicht beanstanden, als der Leistungsanspruch zu verneinen ist.
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