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14. Urteil vom 18. März 1996 i.S. W. gegen Bundesamt für Sozialversicherung und Eidgenössisches Departement des Innern | |
Regeste |
Art. 21 Abs. 6 KUVG, Art. 2 Vo VI KUVG und Art. 1 Abs. 1 Vo 7 KUVG, Art. 101 Abs. 1 KVG, Art. 34bis BV, Art. 4 und 31 BV. |
- Nichtzulassung eines medizinischen Masseurs mit zweijähriger Ausbildung und mehrjähriger Praxiserfahrung im Bereich der passiven physikalischen Therapie zur Betätigung für die Krankenversicherung trotz kantonaler Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung. | |
Sachverhalt | |
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Am 20. September 1988 stellte W. bei der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern das Gesuch um Erteilung der kantonalen Bewilligung für die selbständige Ausübung des Berufes des medizinischen Masseurs. Die Gesundheitsdirektion und in der Folge der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Bern lehnten seinen Antrag ab. Gegen diesen Gerichtsentscheid erhob W. staatsrechtliche Beschwerde, welche das Bundesgericht mit Urteil vom 27. September 1991 wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit teilweise guthiess. Das höchste Gericht stellte insbesondere fest, W. könne die selbständige Ausübung des Berufs des medizinischen Masseurs nicht aus gesundheitspolizeilichen Gründen verboten oder von einer Zusatzausbildung als Physiotherapeut abhängig gemacht werden. Die Verweigerung der nachgesuchten Bewilligung allein deshalb, weil der Gesuchsteller nicht über die Ausbildung eines Physiotherapeuten verfüge, erweise sich als unverhältnismässiger Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit.
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Unter Hinweis auf das bundesgerichtliche Urteil vom 27. September 1991 beantragte W. beim Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) die Anerkennung als medizinische Hilfsperson im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes. Mit Verfügung vom 7. April 1994 wies das BSV das Begehren ab mit der Begründung, die Zulassung zur Kassenpraxis setze seit jeher zwingend eine ![]() | 3 |
B.- W. erhob Verwaltungsbeschwerde beim Eidg. Departement des Innern (EDI) und beantragte, die Nichtzulassungsverfügung sei aufzuheben und er sei zur Betätigung für die Krankenversicherung als medizinischer Masseur zuzulassen. Er rügte eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit sowie die Missachtung der vom Bundesgericht geforderten Gleichstellung des medizinischen Masseurs mit dem Physiotherapeuten, soweit es um die passive Therapie gehe. Zudem wies er darauf hin, dass ihm der Kanton Bern im Anschluss an das Urteil des Bundesgerichts vom 27. September 1991 die kantonale Bewilligung erteilt und seither sich die Zulassung des medizinischen Masseurs zur selbständigen Berufsausübung gesamtschweizerisch durchgesetzt habe. In seiner Vernehmlassung machte das BSV unter anderem geltend, die Zulassung zur Kassenpraxis gemäss KUVG könne nicht durch eine kantonale Berufsausübungsbewilligung ersetzt werden.
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Mit Entscheid vom 30. März 1995 wies das Departement die Beschwerde ab.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert W. das im Verfahren vor dem Eidg. Departement des Innern gestellte Begehren um Zulassung zur Betätigung für die Krankenversicherung als medizinischer Masseur.
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Das BSV beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das EDI hat sich ebenfalls in abweisendem Sinne vernehmen lassen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Will das Eidg. Versicherungsgericht eine Rechtsfrage abweichend von einem früheren Entscheid einer Abteilung oder mehrerer vereinigter Abteilungen des Bundesgerichts oder des Gesamtgerichts entscheiden, darf es nur mit Zustimmung der andern Abteilung oder auf Beschluss der Vereinigung der beteiligten Abteilungen oder des Gesamtgerichtes geschehen (Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 127 Abs. 2 OG). Diese Bestimmung kommt zum Zuge, wenn das Eidg. Versicherungsgericht die gleiche, vom Bundesgericht schon beurteilte Rechtsfrage abweichend entscheiden und damit eine Praxisänderung vornehmen will. Mit diesem verfahrensrechtlichen Institut soll die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sowie die Rechtsgleichheit in der Rechtsanwendung gewährleistet werden (vgl. BGE 111 Ia 354 unten, BGE 109 Ia 254 Erw. 4a am Ende; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 114). Dagegen bezweckt Art. 16 OG nicht die Identität von Einzelfallösungen (POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. I, N. 3 zu Art. 16). Nebenbei bemerkt schliesst diese Koordinationsbestimmung nicht aus, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichts einerseits und jene des Eidg. Versicherungsgerichts anderseits in bezug auf eine Rechtsfrage voneinander abweichen (vgl. BGE 115 V 314 Erw. 4b).
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b) Im erwähnten Urteil vom 27. September 1991 (BGE 117 Ia 440) hatte das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerde hin zu prüfen, ob die Verweigerung der kantonalen Bewilligung zur selbständigen Ausübung der Tätigkeit eines medizinischen Masseurs mit der Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 BV) vereinbar sei. Es gelangte dabei zur Auffassung, dass die seinerzeitige Regelung im Kanton Bern, welche die selbständig ausgeübte medizinische Massage den Physiotherapeuten vorbehielt, einen unverhältnismässigen, insbesondere mit gesundheitspolizeilichen Gründen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit darstelle.
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Demgegenüber hat das Eidg. Versicherungsgericht in diesem Verfahren zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer aufgrund der (im Anschluss an das ![]() | 12 |
3. Bundesamt und Departement haben die Zulassung des Beschwerdeführers als medizinischer Masseur zur Kassenpraxis im Lichte von Art. 21 Abs. 6 KUVG (in der Fassung gemäss Bundesgesetz über die Änderung des Ersten Titels des KUVG vom 13. März 1964) in Verbindung mit der Verordnung VI über die Krankenversicherung betreffend die Zulassung von medizinischen Hilfspersonen zur Betätigung in der Krankenversicherung vom 11. März 1996 (Vo VI) geprüft und verneint. Während des Beschwerdeverfahrens vor dem Eidg. Versicherungsgericht ist das neue Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG) in Kraft getreten (AS 1995 1367). Das neue Krankenversicherungsgesetz regelt nicht ausdrücklich, welches Recht auf ein hängiges Verfahren anzuwenden ist. Hinsichtlich der hier streitigen Zulassung zur Kassenpraxis ist mit Blick auf die Übergangsbestimmungen zum KVG die Frage des anwendbaren Rechts im Sinne der allgemeinen Regel zu entscheiden, wonach die Rechtmässigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich nach der Rechtslage zur Zeit seines Erlasses zu beurteilen ist (BGE 112 Ib 42 Erw. 1c; HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., S. 61 Rz. 263a; vgl. auch RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 15 B II a). Denn Art. 101 Abs. 1 KVG hält fest, dass unter anderem medizinische Hilfspersonen, die unter dem bisherigen Recht zur Tätigkeit zu Lasten der Krankenversicherung zugelassen waren, ![]() | 13 |
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"Die Masseure, Heilgymnasten und Physiotherapeuten haben sich auszuweisen:
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1. über eine vom Kanton anerkannte, mindestens dreijährige Fachausbildung mit erfolgreich abgelegter Prüfung in folgenden Fächern:
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a. allgemeine Anatomie und Physiologie, mit besonderer Berücksichtigung des Bewegungsapparates;
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b. allgemeine Krankheitslehre, angepasst an die Tätigkeit der betreffenden Hilfspersonen;
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c. physikalische Therapie in Theorie und Praxis: Massage, Heilgymnastik und Elektrotherapie.
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2. über eine mindestens zweijährige praktische Tätigkeit bei einem gemäss dieser Verordnung zugelassenen Masseur, Heilgymnasten oder Physiotherapeuten oder in einer physikalisch-therapeutischen Spezialabteilung einer Heilanstalt."
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Die von den Krankenkassen zu übernehmenden wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. b KUVG und Art. 1 Abs. 1 Vo VI werden in Art. 1 Abs. 1 der gleichnamigen Vo 7 vom 13. Dezember 1965 (mit Änderung vom 31. Januar 1995), erlassen durch das EDI ![]() | 21 |
b) Nach der Praxis gilt ein Lehrgang als Fachausbildung im Sinne von Art. 2 Vo VI, wenn er hinsichtlich des Umfangs der vermittelten Kenntnisse und Qualität der Ausbildung dem dreijährigen Kurs an einer anerkannten schweizerischen Physiotherapeutenschule gleichwertig ist (BGE 106 V 104 Erw. 2c; RSKV 1983 Nr. 545 S. 190 Erw. 3). Überdies hat, wer als Masseur, Heilgymnast oder Physiotherapeut zur Kassenpraxis zugelassen werden will, die geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen eines ordnungsgemässen (Physiotherapeuten) Prüfungsverfahrens mit Erfolg unter Beweis zu stellen. Nur so ist eine einigermassen verlässliche, überprüfbare und vor allem auch rechtsgleiche Zulassungspraxis gewährleistet (RKUV 1984 Nr. K 567 S. 38 Erw. 3a).
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c) aa) Der Beschwerdeführer macht vorab geltend, dass die Verordnung VI als medizinische Hilfspersonen ausdrücklich auch die Masseure nenne. Das BSV hat dazu im vorinstanzlichen Verfahren ausgeführt, die Aufnahme der Masseure in die Verordnung sei historisch bedingt und auf die unterschiedlichen Bezeichnungen in den Kantonen zurückzuführen.
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Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass es bei der Frage der Zulassung als Masseur, Heilgymnast oder Physiotherapeut nicht primär auf die Berufsbezeichnung ankommen kann. Einer solchen dem Wortlaut allzu sehr verhafteten Betrachtungsweise steht schon Art. 1 Abs. 1 Vo VI entgegen, wonach der Gesuchsteller "die Bedingungen dieser Verordnung erfüllen" muss. Dieser Vorbehalt bezieht sich klarerweise auf alle in dieser Bestimmung genannten Berufe, insbesondere auch auf die Tätigkeit des Masseurs. In diesem Sinne hat das Eidg. Versicherungsgericht die Zulassung einer "Krankengymnastin" (BGE 106 V 101), einer "Masseuse" (RSKV 1983 Nr. 545 S. 188) und eines "Masseurs und medizinischen Bademeisters" (RKUV 1984 Nr. K 567 S. 33) zur Kassenpraxis jeweils aufgrund der in Art. 2 Vo VI festgelegten Kriterien geprüft.
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bb) Hinsichtlich der Ausbildungsdauer sodann steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer nicht über eine dreijährige Fachausbildung im Sinne von Art. 2 Vo VI verfügt. Nach seiner Auffassung schliesst dies die Anerkennung als medizinische Hilfsperson nicht aus. Denn ![]() | 25 |
cc) Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer sodann aus dem Umstand, dass er seit 1992 die kantonal-bernische Bewilligung für die selbständige Berufsausübung als medizinischer Masseur besitzt und er von einzelnen Krankenkassen in die Liste der anerkannten Therapeuten aufgenommen worden ist. Denn nach der Rechtsprechung kann bei Nichterfüllung der Zulassungsbedingungen gemäss Art. 2 Vo VI die Zulassung als (Masseur, Heilgymnast oder) Physiotherapeut zur Kassenpraxis nicht aus einer kantonalen Bewilligung zur Berufsausübung abgeleitet werden. Eine solche Bewilligung hat lediglich innerkantonalen Charakter, und eine bedingte Zulassung bestimmter Tarifpunkte oder eine provisorische Zulassung kommt mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Frage. Ebensowenig kann die Anerkennung durch die Statuten einzelner Krankenkassen massgeblich sein, da kasseninterne Satzungen auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis keinen ![]() | 26 |
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a) aa) Die Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht im Rahmen von Art. 104 lit. a OG grundsätzlich zulässig (BGE 116 V 206 Erw. II/1b, BGE 110 V 363 Erw. 1c mit Hinweisen; GYGI, a.a.O., S. 288; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., S. 286). Bei der materiellen Prüfung der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit sind jedoch die Art. 113 Abs. 3 und Art. 114bis Abs. 3 BV zu beachten. Danach ist es den rechtsanwendenden Behörden untersagt, Bundesgesetze auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen (BGE 120 V 3 Erw. 1b mit Hinweisen). Dies schliesst die Anwendung allgemein anerkannter Prinzipien, insbesondere die Regel, dass Bundesgesetze verfassungskonform auszulegen sind (BGE 108 V 240 Erw. 4b, BGE 105 Ib 53 Erw. 3a; vgl. BGE 114 IV 26 Erw. 4), nicht aus. In diesem Sinne statuieren Art. 113 Abs. 3 BV und Art. 114bis Abs. 3 BV lediglich ein Anwendungsgebot, nicht ein Prüfungsverbot (BGE 117 Ib 373 Erw. 2f). Allerdings findet die verfassungskonforme Interpretation - auch bei einer festgestellten Verfassungswidrigkeit - im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung ihre Schranke (BGE 117 V 321 Erw. 2a, BGE 111 Ia 297 Erw. 3b, je mit Hinweisen; KÄLIN, a.a.O., S. 16 f.).
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bb) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht (unselbständige) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, daraufhin prüfen, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, ist dieser Spielraum für das Gericht nach Art. 113 Abs. 3/Art. 114bis Abs. 3 BV verbindlich. Deshalb muss sich das Eidg. Versicherungsgericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus ![]() | 29 |
b) aa) Die Verordnung VI über die Krankenversicherung stützt sich auf die Delegationsnorm des Art. 21 Abs. 6 KUVG. Danach erlässt der Bundesrat nach Anhören der zuständigen Organisationen unter anderem Vorschriften über die Zulassung von medizinischen Hilfspersonen (Satz 1). Strengere kantonale Vorschriften bleiben vorbehalten (Satz 2). Wie auch der Beschwerdeführer richtig festhält, räumt Art. 21 Abs. 6 KUVG dem Verordnungsgeber einen weiten Ermessensspielraum ein. Ebenso anerkennt er grundsätzlich, dass sich der Bundesrat bei Erlass der Verordnung VI an diesen Delegationsrahmen gehalten hat, und zwar auch insoweit, als er in Abs. 2 Vo VI minimale Anforderungen an die Ausbildung der zulassungswilligen Masseure, Heilgymnasten und Physiotherapeuten festgelegt hat. In der Tat kommt in Art. 21 Abs. 6 KUVG der klare Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dem Bundesrat die alleinige Kompetenz zur Regelung der Zulassungsbedingungen für die medizinischen Hilfspersonen zu geben und zwar im Sinne einer gesamtschweizerischen Ordnung. Namentlich war im gesamten Gesetzgebungsverfahren nie davon die Rede, dass den Kantonen in diesem Bereich eigene Regelungsbefugnisse zukommen sollten (vgl. Botschaft zur Änderung des Ersten Titels des KUVG vom 5. Juni 1961, BBl 1961 I 1417, S. 1426). Soweit Satz 2 von Art. 21 Abs. 6 KUVG strengere kantonale Vorschriften vorbehält, sollte damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Gesetzgebung über die Berufsausübung der medizinischen Personen Sache der Kantone ist (Botschaft, a.a.O., S. 1492). Gerade dieser Vorbehalt bestätigt hinsichtlich der Auslegung des Art. 21 Abs. 6 KUVG, dass der Gesetzgeber die Kantone weder direkt noch indirekt ermächtigen wollte, die Zulassungsbedingungen gemäss Art. 2 Vo VI zu erleichtern, indem beispielsweise eine gesundheits- und gewerbepolizeilich abgestützte ![]() | 30 |
bb) Der Beschwerdeführer erblickt in der Nichtzulassung zur Kassenpraxis insofern einen Verstoss gegen Art. 31 BV, als er bzw. der medizinische Masseur allgemein als Anbieter von Dienstleistungen im Bereich der passiven Therapie direkter Konkurrent des Physiotherapeuten sei. Er habe daher Anspruch auf gleiche berufliche Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen wie der Physiotherapeut als Anbieter von passiver Therapie, und zwar um so mehr, als nach Feststellung des Bundesgerichts ein medizinischer Masseur für die von ihm ausgeübte Tätigkeit, die passive Therapie, ebenso gut ausgebildet sei wie ein Physiotherapeut (vgl. BGE 117 Ia 447 Erw. 4b). Dass bei diesen Gegebenheiten auch für die Zulassung der medizinischen Masseure zur Kassenpraxis eine Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren verlangt und die berufsspezifisch kürzere Ausbildung der Masseure nicht anerkannt werde, stelle überdies eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 4 BV dar.
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aaa) Es stellt sich zunächst die Frage, ob der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit im Zusammenhang mit der Zulassung oder Nichtzulassung zur Kassenpraxis überhaupt angerufen werden kann.
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Nach Art. 31 Abs. 1 BV ist die Handels- und Gewerbefreiheit nur soweit gewährleistet, als sie nicht durch die Bundesverfassung und die auf ihr beruhende Gesetzgebung eingeschränkt ist. Art. 34bis BV ermächtigt und beauftragt zugleich den Bund, auf dem Wege der Gesetzgebung die Kranken- und Unfallversicherung unter Berücksichtigung der bestehenden Krankenkassen einzurichten (Abs. 1), wobei er den Beitritt allgemein oder für einzelne Bevölkerungsgruppen obligatorisch erklären kann (Abs. 2). Aufgrund dieser Verfassungsbestimmung besitzt der Bund im Bereich der sozialen Krankenversicherung ein mittelbar rechtliches Monopol, das als solches bereits eine Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit darstellt (BGE 109 V 217 Erw. 4d/bb mit Hinweisen; HÄFELIN/ MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., S. 472 ff., Rz. 1993 und 2000; vgl. RHINOW, Kommentar BV, Rz. 128 ff. zu Art. 31). Im Rahmen dieser umfassenden Regelungszuständigkeit ist der Bund insbesondere befugt, den Zugang zur ![]() | 33 |
Die Nichtzulassung eines selbständigen medizinischen Masseurs zur Betätigung für die Krankenversicherung stellt insofern einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Physiotherapeuten dar, als der versicherte Patient die Kosten für die Applikation von Heilmethoden der passiven physikalischen Therapie nicht auf die Krankenkasse überwälzen kann. Dadurch wird der Masseur zumindest mittelbar in der Berufsausübung gehindert, indem er in der Wahl seiner Vertragspartner eingeschränkt ist (vgl. BÜHLMANN, Die rechtliche Stellung der Medizinalpersonen im Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 20. März 1981, Diss. Bern 1985, S. 52 f.). Dabei kann diese faktische Benachteiligung des medizinischen Masseurs gegenüber einem anerkannten Physiotherapeuten nicht einfach damit begründet werden, die Anerkennung dieser Berufskategorie als Leistungserbringer im Bereich der passiven Therapie führe tendenziell zu einer Kostensteigerung im Gesundheitswesen, wie das Bundesgericht in Erw. 5d seines Urteils vom 27. September 1991 mit guten Gründen dargelegt hat. Namentlich setzt die Anerkennung passiver therapeutischer Massnahmen als Pflichtleistung der Krankenkassen stets voraus, dass sie von einem Arzt als ![]() | 34 |
bbb) Zu prüfen bleibt somit, ob die Regelung des Art. 2 Vo VI gegen Art. 4 BV verstösst, insoweit diese Vorschrift den medizinischen Masseur den gleichen Zulassungsbedingungen unterwirft wie den Physiotherapeuten. Nach Auffassung des Beschwerdeführers lässt sich diese nicht differenzierende Zulassungsordnung nicht auf ernsthafte Gründe stützen und sich vernünftigerweise nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen rechtfertigen. Zur Begründung verweist er zur Hauptsache auf das schon mehrfach erwähnte Bundesgerichtsurteil vom 27. September 1991, wo "überzeugend dargelegt" werde, dass der Physiotherapeut auf dem Gebiet der passiven Therapie über keine umfassendere oder gründlichere Ausbildung verfüge als der medizinische Masseur (vgl. BGE 117 Ia 447 Erw. 4b). Im vorinstanzlichen Verfahren hatte er zudem geltend gemacht, seit diesem höchstrichterlichen Urteil habe sich die Zulassung des medizinischen Masseurs zur selbständigen Berufsausübung gesamtschweizerisch durchgesetzt. Diese Vorbringen lassen die angefochtene Regelung noch nicht als willkürlich erscheinen.
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Die bundesrätliche Verordnung VI und die Verordnung 7 des EDI wurden im Rahmen der Änderung des KUVG vom 13. März 1964 erlassen und auf den 1. Januar 1966 in Kraft gesetzt. Eine bedeutende Neuerung dieser Revision bestand in der Anerkennung der von den medizinischen Hilfspersonen auf Anordnung des Arztes, jedoch selbständig und auf eigene Rechnung angewendeten physikalisch-therapeutischen Massnahmen als Pflichtleistung der Krankenkassen (Botschaft, a.a.O., S. 1425 f.). Dabei sollten nach dem klaren Willen des Verordnungsgebers zur Betätigung für die Krankenversicherung in diesem Bereich nur Personen zugelassen werden, die von ihrem Ausbildungsprofil her über ausreichende theoretische Kenntnisse und praktische Fähigkeiten in der aktiven und passiven Therapie verfügen ![]() | 36 |
Nach dem Gesagten erweist sich der in Ausführung zu Art. 21 Abs. 6 KUVG erlassene Art. 2 Vo VI auch als verfassungsmässig.
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c) Mit Blick auf die nicht ganz befriedigende Stellung der medizinischen Masseure im Vergleich zu den Physiotherapeuten stellt sich die Frage, ob Raum besteht für eine richterliche Normenkorrektur im Sinne der Füllung einer unechten Gesetzeslücke. Eine solche kommt praxisgemäss nur in Frage, wenn der Gesetzgeber sich offenkundig über gewisse Tatsachen geirrt hat oder wo sich die Verhältnisse seit Erlass des Gesetzes in einem solchen Masse gewandelt haben, dass die Vorschrift unter gewissen Gesichtspunkten nicht bzw. nicht mehr befriedigt und ihre Anwendung rechtsmissbräuchlich wird (BGE 111 V 327 Erw. 2 mit Hinweisen; MEYER-BLASER, Die Bedeutung von Art. 4 BV für das Sozialversicherungsrecht, in: ZSR NF 111 [1992] II/3 S. 342 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Im Rahmen des KUVG ![]() | 38 |
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