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27. Auszug aus dem Urteil vom 15. Mai 1996 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen G. und P. E. und Versicherungsgericht des Kantons Aargau | |
Regeste |
Art. 52 AHVG. | |
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In dem in AHI-Praxis 1994 S. 102 ff. veröffentlichten Urteil F.+T. vom 1. Oktober 1993 hat das Eidg. Versicherungsgericht ausgeführt, dass bei der Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers eine Verschuldenskompensation nicht in Betracht fällt und allfällige Unterlassungen der Ausgleichskasse zu keiner Herabsetzung des Schadenersatzes führen. Das Gericht hat diesen in der Folge wiederholt bestätigten Entscheid (nicht veröffentlichte Urteile L. vom 22. November 1993 und T. vom 5. Oktober 1994 sowie das in SVR 1996 AHV Nr. 74 S. 223 auszugsweise publizierte Urteil S. vom 31. August 1995) nicht näher begründet und sich auf die Urteile W.+S. und H. vom ![]() | 2 |
b) Das AHV-Recht enthält keine Bestimmung hinsichtlich der Zulassung von Herabsetzungsgründen im Rahmen der Arbeitgeberhaftung nach Art. 52 AHVG. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers im Sinne eines Ausschlusses von Herabsetzungsgründen vorliegt. Gesetz und Verordnung regeln die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers lediglich in allgemeiner Form, und es lässt sich den Materialien nichts entnehmen, was auf eine negative Stellungnahme des Gesetzgebers schliessen liesse. Weder äussert sich die Botschaft des Bundesrates zum AHVG vom 24. Mai 1946 zur Herabsetzungsfrage (BBl 1946 II 540), noch bildete die Frage Gegenstand der parlamentarischen Beratungen (Sten.Bull. 1946 N 636, S 411). Es ist daher davon auszugehen, dass das Gesetz in diesem Punkt lückenhaft ist (MAURER, a.a.O., S. 70; KNUS, a.a.O., S. 56).
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Bezüglich der zivilrechtlichen Haftung aus unerlaubter Handlung bestimmt Art. 44 Abs. 1 OR, dass der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden kann, wenn der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt hat oder wenn Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert haben. Die Zulassung von Herabsetzungsgründen, wie sie Art. 44 Abs. 1 OR vorsieht, entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Haftungsrechts (vgl. OFTINGER/STARK, Schweiz. Haftpflichtrecht, 5. Aufl., Bd. I § 7 N. 9), welcher auch im öffentlichen Recht, insbesondere im Staatshaftungsrecht, Anwendung findet (SCHWARZENBACH-HANHART, Die Staats- und Beamtenhaftung in der Schweiz, 2. Aufl., S. 40). Das Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 1958 (VG; SR 170.32) sieht in Art. 4 denn auch eine Art. 44 Abs. 1 OR analoge Regelung bezüglich der Haftung des Bundes für den Schaden vor, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit einem Dritten widerrechtlich zugefügt hat. Danach kann die zuständige Behörde die Ersatzpflicht u.a. dann ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden, wenn der Geschädigte auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt hat.
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Wie das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt ausgeführt hat, stellt Art. 52 AHVG eine Spezialbestimmung innerhalb des Verantwortlichkeitsrechts des ![]() ![]() | 5 |
c) Nach dem Gesagten ist in Änderung der bisherigen Praxis festzustellen, dass die Schadenersatzpflicht nach Art. 52 AHVG einer Herabsetzung wegen Mitverschuldens der Verwaltung zugänglich ist. Voraussetzung ist, dass sich die Verwaltung einer groben Pflichtverletzung schuldig gemacht hat, was namentlich dann der Fall ist, wenn sie elementare Vorschriften der Beitragsveranlagung und des Beitragsbezugs missachtet hat.
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Wie im übrigen öffentlichen Verantwortlichkeitsrecht setzt die Herabsetzung des Schadenersatzes im Rahmen von Art. 52 AHVG des weitern voraus, dass zwischen dem rechtswidrigen Verhalten und dem Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht (SCHWARZENBACH-HANHART, a.a.O., S. 73 f.; GROSS, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, S. 180 f. mit weiteren Hinweisen; vgl. auch OFTINGER/STARK, a.a.O., § 7 N. 14). Eine Herabsetzung kann daher nur erfolgen, wenn und soweit das pflichtwidrige Verhalten der Verwaltung für die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens adäquat kausal gewesen ist (vgl. zur Haftung des Arbeitgebers nach Art. 52 AHVG: BGE 119 V 406 Erw. 4a).
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