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36. Urteil vom 10. Juli 1996 i.S. A. gegen Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 1 lit. e, Art. 9 Abs. 3, Art. 13 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1bis, Art. 23 Abs. 4, Art. 24 Abs. 1 AVIG, Art. 11 Abs. 1 und 4 AVIV. | |
Sachverhalt | |
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B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 16. November 1994 ab.
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C.- A. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren um Zusprechung von Arbeitslosenentschädigung ab 23. Juli 1994.
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Das kantonale Amt verweist auf seinen im vorinstanzlichen Verfahren vertretenen Standpunkt, an welchem es festhält. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) hat sich nicht vernehmen lassen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht darin, dass der Versicherte die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 13 und 14 AVIG). Die Beitragszeit erfüllt hat laut ![]() | 7 |
c) Gemäss Art. 11 AVIV zählt als Beitragsmonat jeder volle Kalendermonat, in dem der Versicherte beitragspflichtig ist (Abs. 1); Beitragszeiten, die nicht einen vollen Kalendermonat umfassen, werden zusammengezählt, wobei je 30 Kalendertage als ein Beitragsmonat gelten (Abs. 2); die Beitragszeit von Teilzeitbeschäftigten wird nach den gleichen Regeln ermittelt wie bei Arbeitnehmern mit Vollzeitbeschäftigung (Abs. 4 Satz 1); übt der Versicherte gleichzeitig mehrere Teilzeitbeschäftigungen aus, so wird die Beitragszeit nur einmal gezählt (Abs. 4 Satz 2).
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Für die Ermittlung der Beitragsdauer sind die Kalendertage massgebend und nicht etwa die Tage, an welchen der Leistungsansprecher tatsächlich einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachging. Die Beschäftigungstage, wozu auch solche zählen, an denen der Versicherte unter Umständen nur kurz, z.B. eine Stunde, gearbeitet hat, müssen deshalb mit dem Faktor 1,4 in Kalendertage umgerechnet werden (ARV 1992 Nr. 1 S. 70; GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Band I, S. 170 f., N. 9 ff. zu Art. 13 AVIG; vgl. auch Rz. 52 f. des Kreisschreibens des BIGA über die Arbeitslosenentschädigung [KS-ALE; gültig ab 1. Januar 1992] sowie nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 20. Oktober 1993, wonach eine Teilzeitbeschäftigung mit Bezug auf die Erfüllung der Minimalbeitragszeit einer Vollzeitbeschäftigung gleichgestellt ist).
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3. a) Während der vom 23. Juli 1992 bis 22. Juli 1994 dauernden zweijährigen Rahmenfrist für den Beitragsnachweis, welche identisch ist mit der ersten zweijährigen Rahmenfrist für den Leistungsbezug, war die Beschwerdeführerin jeweils vorübergehend bei drei verschiedenen Arbeitgebern, nämlich der Institution X, der Drogerie Y und dem Verlag Z beschäftigt. Was die Drogerie Y anbelangt, liegt ein ab 1. Januar 1994 auf ![]() | 10 |
b) Verwaltung und ihr folgend die Vorinstanz wollen die Qualifikation der in diesen drei Arbeitgeberfirmen, namentlich in der Drogerie Y, ausgeübten Beschäftigungen als beitragspflichtige Arbeitnehmertätigkeiten im von Art. 13 Abs. 1 AVIG geforderten zeitlichen Mindestumfang von 6 Monaten deswegen nicht gelten lassen, weil die Beschwerdeführerin während dieser Kontrollperioden Lohn aus Teilzeiteinsätzen erhielt, welcher als Zwischenverdienst behandelt wurde, weshalb sie von der Arbeitslosenversicherung zusätzlich Differenzausgleich nach Art. 24 AVIG bezog. Gestützt auf die Weisungen des BIGA im KS-ALE zählte die Verwaltung die in den Zwischenverdienstformularen der Institution X und des Verlags Z bestätigten einzelnen Arbeitstage resp. Arbeitseinsätze zusammen. Gleich ging sie bezüglich des Arbeitsverhältnisses mit der Drogerie Y vor, wofür sie aber, da ein dauernder Anstellungsvertrag vorlag, keine Zwischenverdienstformulare über die je einmonatigen Kontrollperioden beigezogen hatte. Die Verwaltung liess somit das auf volle 6 Monate angelegte, rechtlich und tatsächlich vollzogene Arbeitsverhältnis mit der Drogerie Y nicht als sechsmonatige Mindestbeitragszeit gelten, sondern berücksichtigte bei der Ermittlung der Beitragszeit nur einzelne Arbeitseinsätze zwischen 4 und 13 Tagen monatlich, multiplizierte diese mit dem Faktor 1,4 und gelangte so zu einem Ergebnis von Kalendertagen, welches deutlich unter den vom Gesetz geforderten 6 Monaten liegt.
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c) Verwaltung und Vorinstanz stützen sich auf die Rz. 47 ff., insbesondere auf Rz. 54 KS-ALE (gültig ab 1. Januar 1992). Diese Verwaltungsweisung hält, nach Darlegung der Rechtsgrundsätze (Rz. 47-51), zutreffend fest, dass ein Arbeitsverhältnis, welches mindestens einen vollen Kalendermonat umfasst, als Beitragsmonat zählt; dabei sei es unerheblich, ob eine beitragspflichtige Beschäftigung (Voll- und Teilzeitbeschäftigung) während aller möglichen Arbeitstage oder nur während eines oder einzelner Arbeitstage (z.B. Aushilfsstelle, Abrufertätigkeit) ausgeübt worden ist; ![]() | 12 |
"Eine Besonderheit ist jedoch dann zu beachten, wenn der Versicherte während der gleichen Beschäftigungsperiode noch Leistungen der Arbeitslosenversicherung beansprucht (Zwischenverdienst). In diesen Fällen ist der Versicherte als Arbeitsloser zu behandeln. Es dürfen nur die Arbeitstage, wie sie z.B. der Arbeitgeber in der Bescheinigung über den Zwischenverdienst ausweist, als Beitragszeiten angerechnet werden. Die Kasse muss die als Beitragszeiten während der Leistungsrahmenfrist angerechneten Arbeitstage tel quel als Beitragszeiten auf eine parallel laufende Beitragsrahmenfrist übertragen. Die gegenteilige Lösung (Anrechnung der Zwischenverdienstzeiten gemäss Arbeitgeberbescheinigung) würde dem Versicherten den Nachweis einer genügenden Beitragsdauer zwar erleichtern, aber anderseits seinen versicherten Verdienst in einer neuen Rahmenfrist ungerechtfertigterweise herabsetzen."
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d) Nach ständiger Rechtsprechung (BGE 119 V 259 Erw. 3a, BGE 118 V 131 Erw. 3a, 210 Erw. 4c, BGE 117 V 284 Erw. 4c, BGE 116 V 19 Erw. 3c, je mit Hinweisen) sind Verwaltungsweisungen keine Rechtsnormen und daher für den Richter - im Gegensatz zu den der Aufsichtsbehörde untergeordneten Durchführungsstellen - nicht verbindlich. Der Richter berücksichtigt aber die Lösung gemäss Verwaltungsweisung, wenn sie eine überzeugende Interpretation des Gesetzes durch die Aufsichtsbehörde zum Zwecke der rechtsgleichen Anwendung des Gesetzes darstellt.
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e) Im vorliegenden Verfahren stellt sich die Frage, ob Rz. 54 KS-ALE (gültig ab 1. Januar 1992), auf welche sich die vorinstanzlich bestätigte Ablehnungsverfügung stützt, als rechtmässig betrachtet werden kann.
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aa) Wie das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 120 V 233 ausführte, hat die auf den 1. Januar 1992 in Kraft getretene Revision des AVIG ergeben, dass sämtliche Arten von Einkommenserzielung während Perioden kontrollierter Arbeitslosigkeit nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers gleich zu behandeln sind (BGE 120 V 248 f. Erw. 5b). Dies ist denn im revidierten Art. 24 Abs. 1 AVIG auch deutlich zum Ausdruck gekommen, indem diese Bestimmung als Zwischenverdienst ausdrücklich jedes während einer Kontrollperiode erzielte Einkommen aus unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit bezeichnet. Unter diesem Gesichtswinkel der ![]() | 16 |
bb) Abgesehen davon trägt Rz. 54 KS-ALE den durch den auf den 1. April 1993 in Kraft getretenen und bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen dringlichen Bundesbeschluss vom 19. März 1993 über Massnahmen in der Arbeitslosenversicherung bewirkten Rechtsänderungen nicht Rechnung. Mit diesem Bundesbeschluss hat der Gesetzgeber den Begriff der zumutbaren Arbeit, zu deren Annahme der Versicherte nach Art. 17 AVIG verpflichtet ist, erweitert, indem er Art. 16 AVIG einen Abs. 1bis angefügt hat. Danach gilt eine Arbeit, die alle Bedingungen der Zumutbarkeit mit Ausnahme derjenigen von Abs. 1 Buchstabe e erfüllt, solange als zumutbar, als der Versicherte Kompensationsleistungen nach Art. 24 AVIG erhält. Aus dieser vorliegend intertemporalrechtlich ohne weiteres anwendbaren Bestimmung ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet war, die Beschäftigung in der Drogerie Y ab 1. Januar 1994 anzunehmen, nachdem keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind und auch nicht behauptet wird, dass es sich dabei um ein - ausser in der Lohnfrage - unzumutbares Arbeitsverhältnis gehandelt hätte.
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Bedeutsam ist, dass der Bundesgesetzgeber die Pflicht zur Annahme einer lohnmässig unzumutbaren Arbeit nach Art. 16 Abs. 1bis AVIG bei Erhalt von Kompensationsleistungen im Sinne des revidierten Art. 24 AVIG auch in bezug auf die Entwicklung des versicherten Verdienstes berücksichtigte. So fügte er mit dem erwähnten dringlichen Bundesbeschluss dem Art. 23 AVIG einen neuen Abs. 4 an, gemäss welchem in Fällen, in denen die Verdienstberechnung auf einem Zwischenverdienst nach Art. 24 AVIG beruht, den der Versicherte in der Beitragsrahmenfrist von Art. 9 Abs. 3 AVIG erzielt hat, die ergänzende Arbeitslosenentschädigung für die Ermittlung des versicherten Verdienstes mitberücksichtigt wird, wie wenn darauf Beiträge zu entrichten wären. Nationalrat Allenspach führte dazu in der vorberatenden ![]() | 18 |
Aufgrund dieser Materialien, welche in dem seit 1. April 1993 geltenden Gesetzestext ihren Niederschlag gefunden haben, ist einwandfrei erstellt, dass genau jenes Motiv gemäss Rz. 54 KS-ALE, welches für die Berücksichtigung bloss der einzelnen Einsatztage, an welchen auch effektiv gearbeitet wurde, und nicht der gesamten Zeiten arbeitsvertraglich vereinbarter beitragspflichtiger Zwischenverdienstbeschäftigungen sprach - nämlich die Gefahr, dass sich in der nachfolgenden Rahmenfrist der versicherte Verdienst wegen des Zwischenverdienstes ungerechtfertigterweise ![]() | 19 |
4. Die Beschwerdeführerin ging vom 1. Januar bis 30. Juni 1994 in der Drogerie Y ununterbrochen einer beitragspflichtigen Beschäftigung nach, welche ihr Einkünfte von monatlich Fr. 1'100.-- bis Fr. 1'200.-- einbrachte. Nach dem Gesagten ist damit das in Art. 13 Abs. 1 AVIG aufgestellte Erfordernis einer Mindestbeitragszeit von 6 Monaten erfüllt. Die Beschwerdeführerin ist demnach berechtigt, für die Zeit ab 23. Juli 1994 Arbeitslosenentschädigung zu beziehen, sofern auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind.
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