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37. Urteil vom 17. Mai 1996 i.S. Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn gegen B. und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 1 lit. e,Art. 9 Abs. 3, Art. 13 Abs. 1 AVIG, Art. 11 Abs. 1 und 2 AVIV. |
- Umrechnung von Beschäftigungstagen in Kalendertage. Ermittlung des Umrechnungsfaktors. | |
Sachverhalt | |
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Am 14. Dezember 1993 meldete sich B. bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug an und machte für die Zeit ab 1. Januar 1994 Taggelder geltend. Montag, den 3. Januar 1994, unterzog er sich erstmals der Stempelkontrolle. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn setzte deshalb den Beginn der Rahmenfrist für die Beitragszeit auf den 3. Januar 1992 fest und lehnte in der Folge das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 3. März 1994 mangels Erfüllung der gesetzlich vorgesehenen Mindestbeitragszeit ab.
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B.- Beschwerdeweise beantragte B. die Aufhebung der Ablehnungsverfügung vom 3. März 1994 und die Anerkennung seiner Anspruchsberechtigung. - Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn stellte fest, der Leistungsansprecher erfülle die erforderliche sechsmonatige Beitragszeit innerhalb der ab 3. Januar 1992 bis 2. Januar 1994 dauernden zweijährigen Rahmenfrist nur unter der Voraussetzung, dass der Monat Januar 1992 als voller Beitragsmonat angerechnet werden könne; bei "wörtlicher Gesetzesauslegung" hingegen weise er eine Beitragszeit von lediglich 5 Monaten und 29,4 Tagen aus, was für die Anspruchsberechtigung nicht genüge; angesichts der damit bloss "knapp verfehlten" Beitragszeit führe die wörtliche Interpretation aber zu einem unbefriedigenden Ergebnis. Vor diesem Hintergrund erwog das Gericht, der Versicherte habe für den Januar 1992 gleichviel Beiträge geleistet wie die anderen Arbeitnehmer der Firma X, welche am 1. und 2. Januar 1992 ebenfalls nicht gearbeitet hatten; es wäre deshalb "stossend und würde dem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderlaufen", wollte man den Monat Januar 1992 nicht als vollen Beitragsmonat anerkennen; das sonst "stossende" Ergebnis erlaube und gebiete es geradezu, ausnahmsweise vom Gesetzeswortlaut abzuweichen. Dementsprechend berücksichtigte das kantonale Gericht den Monat Januar 1992 ![]() | 3 |
C.- Die Arbeitslosenkasse erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren um Aufhebung des kantonalen Entscheids.
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B. und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) verzichten auf eine Stellungnahme.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Aufgrund von Art. 9 AVIG gelten für den Leistungsbezug wie auch für die Beitragszeit je zweijährige Rahmenfristen (Abs. 1). Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginnt am ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Abs. 2), diejenige für die Beitragszeit zwei Jahre vor diesem Tag (Abs. 3).
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Die Beitragszeit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG erfüllt hat gemäss Art. 13 Abs. 1 AVIG, wer innerhalb der Rahmenfrist nach Art. 9 Abs. 3 AVIG während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Bei der Ermittlung der Beitragszeit zu beachten ist Art. 11 AVIV. Nach dessen Absatz 1 zählt als Beitragsmonat jeder volle Kalendermonat, in dem der Versicherte beitragspflichtig ist. Absatz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass Beitragszeiten, die nicht einen vollen Kalendermonat umfassen, zusammengezählt werden (Satz 1), wobei je dreissig Kalendertage als ein Beitragsmonat gelten (Satz 2). Da für die Ermittlung der Beitragszeit somit nicht die Beitragstage - d.h. die Tage, an welchen der Arbeitslose eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat -, ![]() | 9 |
b) Unter dem Randtitel "Pflichten der Versicherten und Kontrollvorschriften" schreibt Art. 17 Abs. 2 AVIG vor, dass sich der Arbeitslose am ersten Tag, für den er Arbeitslosenentschädigung beansprucht, persönlich beim Arbeitsamt seines Wohnortes zur Arbeitsvermittlung zu melden und von da an die Kontrollvorschriften des Bundesrates zu befolgen hat.
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Diese Kontrollvorschriften finden sich in den Art. 18 bis 27 AVIV. Nach Art. 19 Abs. 4 AVIV macht das Arbeitsamt den Versicherten bei der Anmeldung zum Taggeldbezug auf seine Pflichten gemäss Art. 17 AVIG aufmerksam. Art. 21 Abs. 1 AVIV verpflichtet den Versicherten, sich entsprechend der Anordnung des Kantons, mindestens aber zweimal wöchentlich, zur Arbeitsvermittlung sowie zur Überprüfung seiner Arbeitslosigkeit und Vermittlungsfähigkeit beim Arbeitsamt persönlich zu melden.
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c) Zu beachten ist indessen, dass es überall dort, wo gesetzlich festgelegte Limiten zu berücksichtigen sind, zwangsläufig auch zu streng anmutenden Grenzfällen kommen kann, in welchen die geforderten Werte nur um wenig nicht erreicht resp. verfehlt werden. Nicht anders verhält es sich beim Erfordernis der sechsmonatigen Beitragszeit als Anspruchsvoraussetzung für die Arbeitslosenentschädigung. Der Sinn gesetzlicher Limiten liegt aber gerade darin, klar bestimmbare Abgrenzungen zu schaffen. Dieses Bedürfnis besteht in allen Bereichen des Rechts und findet sich in positivrechtlicher Ausgestaltung in vielen Gesetzen, so beispielsweise bei Rechtsmittelfristen oder etwa dem für einen Invalidenrentenanspruch vorausgesetzten prozentualen Erwerbsunfähigkeitsgrad (Art. 28 Abs. 1 IVG). Die mit solch präzisen Grenzen verbundenen Härten sind denn in der Regel vom Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit auch bewusst in Kauf genommen worden (vgl. BGE 115 V 79 Erw. 4b). Es lässt sich deshalb kaum je rechtfertigen, an klar sich aus dem Gesetz ergebenden Grenzwerten nicht strikte festzuhalten. Mit einer lockereren Handhabung - etwa mittels Auf- oder Abrundens - liesse sich ausser für den konkreten Einzelfall auch kaum etwas gewinnen, würde dadurch doch einzig eine faktische Verschiebung der gesetzlichen Limite erreicht, ohne dass damit neue Grenz- und Härtefälle vermieden werden könnten.
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Es ist kein Anlass ersichtlich, welcher es rechtfertigen liesse, den massgebenden Stichtag einzig im Hinblick auf das dadurch für den Leistungsansprecher erreichbare günstigere Ergebnis entgegen der dargelegten gesetzlichen Ordnung um zwei Tage auf den 1. Januar 1994 vorzuverschieben. Insbesondere lässt sich aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdegegner bereits am 14. Dezember 1993 bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug meldete, nichts Abweichendes ableiten, da für die Festsetzung der Rahmenfristen nach ständiger Rechtsprechung - sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. a bis d und f AVIG gegeben sind - auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in welchem sich der Arbeitslose erstmals zur Erfüllung der Kontrollpflicht auf dem Arbeitsamt meldet und sich der Stempelkontrolle unterzieht (ARV 1990 Nr. 13 S. 81 Erw. 4b mit Hinweisen; nicht veröffentlichtes Urteil F. vom 4. August 1993). Grundsätzlich kann die Rahmenfrist für den Leistungsbezug denn auch nur an einem Wochentag von Montag bis Freitag beginnen, da nur an solchen Werktagen die Kontrollpflicht erfüllt werden kann (GERHARDS, a.a.O., S. 118, N. 12 zu Art. 9 AVIG). Ebensowenig vermag dem Beschwerdegegner zu helfen, dass sich der Beginn der Rahmenfrist dann, wenn der Beginn der Arbeitslosigkeit auf einen entschädigungsberechtigten Feiertag fällt und sich der Arbeitslose am nächsten möglichen Arbeitstag zur Arbeitsvermittlung meldet, nach diesem Feiertag richtet (ARV 1990 Nr. 13 S. 81 Erw. 4b in fine; GERHARDS, a.a.O., S. 118 f., N. 12 und N. 18 zu Art. 9 AVIG). Diese Regelung kann sich im vorliegenden Fall nicht zugunsten des Beschwerdegegners auswirken, weil der Neujahrstag im Jahre 1994 auf einen Samstag und damit nicht auf einen Arbeitstag fiel, so dass er laut Art. 19 AVIG nicht als entschädigungsberechtigter Feiertag gilt.
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c) Fragen liesse sich noch, ob - entsprechend der Anregung des Leistungsansprechers im vorinstanzlichen Verfahren - "angebrochene Tage" allenfalls als ganze Kalendertage gezählt werden können.
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aa) Unter der Geltung des früheren Rechts (Art. 24 Abs. 2 lit. b AlVG und Art. 13 in Verbindung mit Art. 1 AlVV) hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt entschieden, es dürfe selbst dann nicht auf die gesetzliche Mindestzahl von (damals) 150 Arbeitstagen aufgerundet werden, wenn diese vom Arbeitslosen nur knapp nicht erreicht wird (ARV 1954 Nr. 23 S. 19 f., 1953 Nr. 60 S. 54; vgl. ferner ARV 1967 Nr. 19 S. 62 und HOLZER, Kommentar zum Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung, Zürich 1954, S. 114, N. 6b zu Art. 24 AlVG). Daran ist auch unter der Herrschaft von Art. 13 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 11 AVIV festzuhalten. Wollte man anders entscheiden, würde der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, bezüglich des Erfordernisses einer Mindestbeitragsdauer eine klar zu handhabende Abgrenzung zu schaffen, unterlaufen (vgl. Erw. 3c).
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bb) Daran ändert nichts, dass nach früherem Recht genügend überprüfbare Arbeitsstunden auszuweisen waren, die jeweils in volle Arbeitstage ![]() | 21 |
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a) Nachdem eine Anfrage der Vorinstanz bei der Firma X ergeben hat, dass in ihrem Betrieb am 2. Januar 1992 nicht gearbeitet wurde, kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdegegner im Januar 1992 an sämtlichen in diesem Monat möglichen Beschäftigungstagen eine beitragspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat. Werden diese 21 Tage mit dem - von keiner Seite in Frage gestellten - Faktor 1,4 (Erw. 2a) in Kalendertage umgerechnet, ergeben sich zwar - wie sowohl die beschwerdeführende Arbeitslosenkasse als auch das kantonale Gericht zutreffend festgestellt haben - statt der erforderlichen 30 tatsächlich nur 29,4 als Beitragszeit anrechenbare Tage. Zu beachten ist nun allerdings, dass die Umrechnung mit dem praxisgemäss angewandten und von der Rechtsprechung wiederholt auch unbeanstandet ![]() ![]() | 23 |
b) Da der Beschwerdegegner im Januar 1992 mit 21 möglichen Beschäftigungstagen (Erw. 5a) auch an 21 Tagen eine beitragspflichtige Beschäftigung ausübte, sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines vollen Beitragsmonats im Sinne von Art. 11 Abs. 2 AVIV automatisch erfüllt. Dies zeigt die Multiplikation des im Sinne der vorstehenden Ausführungen genau ermittelten Umrechnungsfaktors (30 [fiktive] Kalendertage : 21 mögliche Beschäftigungstage = 1,42857... [genau: 1 3/7]) mit den 21 effektiven Beschäftigungstagen (somit 30 : 21 x 21 = 30) ohne weiteres. Im Ergebnis erweist sich der kantonale Entscheid vom 17. August 1994 demnach als rechtmässig, was zur Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde führt.
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