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10. Auszug aus dem Urteil vom 9. April 1997 i.S. B. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich | |
Regeste |
Art. 15 UVG, Art. 24 Abs. 2 und 4 UVV. | |
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Streitig und zu prüfen ist, welcher Jahresverdienst der Rentenberechnung zugrunde zu legen ist.
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b) Gestützt auf Art. 15 Abs. 3 UVG hat der Bundesrat in Art. 24 UVV unter dem Titel "Massgebender Lohn für Renten in Sonderfällen" ergänzende Vorschriften erlassen. Die Absätze 2 und 4 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
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"2 Beginnt die Rente mehr als fünf Jahre nach dem Unfall oder dem
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Ausbruch der Berufskrankheit, so ist der Lohn massgebend, den der
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Versicherte ohne den Unfall oder die Berufskrankheit im Jahre vor dem
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Rentenbeginn bezogen hätte, sofern er höher ist als der letzte vor dem
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Unfall oder dem Ausbruch der Berufskrankheit erzielte Lohn.
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4 Erleidet der Bezüger einer Invalidenrente einen weiteren versicherten
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Unfall, der zu einer höheren Invalidität führt, so ist für die neue Rente
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der Lohn massgebend, den der Versicherte im Jahre vor dem letzten Unfall
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bezogen hätte, wenn früher kein versicherter Unfall eingetreten wäre. Ist
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dieser Lohn kleiner als der vor dem ersten versicherten Unfall bezogene
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Lohn, so ist der höhere Lohn massgebend."
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Der Beschwerdeführer vertritt demgegenüber die Auffassung, auf die Festsetzung des für die Rentenberechnung massgebenden Jahresverdienstes sei Art. 24 Abs. 2 UVV anwendbar mit der Folge, dass auf den (höheren) mutmasslichen Verdienst in der Lohnperiode vom 1. November 1991 bis 31. Oktober 1992 abzustellen sei. Er beruft sich auf den Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 lit. a UVG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 UVV und macht geltend, die Anwendbarkeit von Art. 24 Abs. 2 UVV ergebe sich auch aus Sinn und Zweck von Art. 15 UVG, indem die in Abs. 3 dieser Bestimmung vorgesehenen Sonderregeln darauf gerichtet seien, Versicherte vor unbilligen Nachteilen zu schützen, welche sich aus der Grundregel von Abs. 1 ergäben.
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b) Im angefochtenen Entscheid vom 15. März 1994 ist die Vorinstanz der Auffassung der SUVA gefolgt, wonach Art. 24 Abs. 4 UVV die einzige Bestimmung ist, die sich mit der Rentenfestsetzung nach mehreren Unfällen befasst. Allerdings gehe der Wortlaut der Verordnung davon aus, dass der erneut Verunfallte bereits eine Invalidenrente beziehe. Wenn aber schon bei Rentenbezügern frühere Unfalldaten ausser Betracht gelassen würden, rechtfertige es sich um so mehr, bei Taggeldbezügern analog vorzugehen. Einerseits sei nicht einzusehen, weshalb die beiden Versichertenkategorien unterschiedlich behandelt werden sollten; anderseits sei in Fällen, in denen keine Rente festgesetzt worden sei, ungewiss, ob es ohne neuen Unfall ![]() | 18 |
Die Auffassung des Beschwerdeführers, wonach die Anwendung von Art. 24 Abs. 4 UVV gesetzwidrig sei, weil Art. 15 Abs. 3 UVG hiezu keine gesetzliche Grundlage enthalte, ändere hieran nichts. Die Delegationsnorm von Art. 15 Abs. 3 UVG sei klarerweise nicht abschliessend formuliert, indem die mit dem Wort "namentlich" eingeleitete Aufzählung der Sonderfälle als beispielhaft zu verstehen sei.
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c) Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) ist der Meinung, dass keine der angeführten Begründungen zu überzeugen vermag. Mit den Parteien sei davon auszugehen, dass die UVV den vorliegenden Tatbestand als Gesamtereignis nicht erfasse. Hingegen setze er sich aus zwei Sachverhalten zusammen, die beide je eine Regelung in der Verordnung erfahren hätten. Aus den Materialien zur UVV gehe freilich nicht hervor, dass der Verordnungsgeber die vorliegende Situation nicht habe regeln wollen. Auszugehen sei vom Legalitätsprinzip, welches verlange, dass gegebene rechtliche Normen anzuwenden seien. Eine willkürfreie Anwendung der Rechtsnormen erfordere im vorliegenden Fall die Berücksichtigung beider Vorschriften. Konkret bedeute dies, dass derjenige Teil der Rente, welchen der Beschwerdeführer aufgrund des ersten Unfalls zugute habe, anhand der Regel des Art. 24 Abs. 2 UVV (Rentenbeginn mehr als fünf Jahre nach dem Unfall) zu berechnen sei. Für den anderen Teil der Rente, welcher aufgrund der Erwerbsunfähigkeit zufolge des zweiten Unfalls zu leisten sei, sei der nach der Regel von Art. 24 Abs. 4 UVV ermittelte Lohn massgebend. Diese Berechnung möge auf den ersten Blick als kompliziert erscheinen. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass auch in andern Fällen festgestellt werden müsse, welcher Anteil einer Beeinträchtigung auf welche Ursache zurückzuführen sei (so beispielsweise, wenn gleichzeitig ein versichertes und ein nicht versichertes Ereignis vorlägen). Zudem dürfte es sich beim vorliegenden Fall um einen nicht alltäglichen Sachverhalt handeln, der kaum häufig bearbeitet werden müsse.
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3. a) Parteien, Vorinstanz und BSV ist darin beizupflichten, dass der vorliegende Sachverhalt einer erstmaligen Rentenfestsetzung nach mehreren invalidisierenden Unfällen und einem Taggeldbezug von mehr als fünf Jahren ![]() | 21 |
Art. 24 Abs. 2 UVV regelt den Fall des Rentenbeginns mehr als fünf Jahre nach dem Unfall. Die Verordnung sieht vor, dass in solchen Fällen der Lohn massgebend ist, welchen der Versicherte ohne den Unfall oder die Berufskrankheit im Jahre vor dem Rentenbeginn bezogen hätte, sofern er höher ist als der letzte vor dem Unfall oder dem Ausbruch der Berufskrankheit erzielte Lohn. Wie der versicherte Lohn festzusetzen ist, wenn vor dem Rentenbeginn ein oder mehrere weitere versicherte Unfälle eingetreten sind, lässt sich der Bestimmung nicht entnehmen.
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Art. 24 Abs. 4 UVV regelt demgegenüber den Fall des Rentenbezügers, welcher einen weiteren Unfall erleidet, der zu einer höheren Invalidität führt. Massgebend für die Berechnung der neuen Rente ist diesfalls der Lohn, welchen der Versicherte im Jahre vor dem letzten Unfall bezogen hätte, wenn früher kein versicherter Unfall eingetreten wäre, es sei denn dieser Lohn sei kleiner als der vor dem ersten versicherten Unfall bezogene Lohn. Nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung bezieht sich die Vorschrift allein auf Fälle, wo eine laufende Rente aufgrund eines invalidisierenden weiteren Unfalls neu festzusetzen ist, nicht dagegen auf den Fall der erstmaligen Rentenfestsetzung.
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Der vorliegende Fall entspricht weder dem Sonderfall von Art. 24 Abs. 2 UVV, weil der Rentenanspruch mehr als fünf Jahre nach dem versicherten (ersten) Unfall entstanden ist, in der Folge jedoch ein weiterer, für den Rentenanspruch relevanter Unfall eingetreten ist, noch dem Sonderfall von Art. 24 Abs. 4 UVV, weil der Beschwerdeführer zwar einen zweiten versicherten Unfall erlitten hat, vor Eintritt dieses Unfalles jedoch noch keine Rente der obligatorischen Unfallversicherung bezogen hatte.
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b) Der Umstand, dass der vorliegende Fall Tatbestandselemente beider Sonderregelungen aufweist, ohne jedoch einer der beiden Verordnungsbestimmungen voll zu entsprechen, lässt eine Berücksichtigung beider Vorschriften, wie sie das BSV vorschlägt, als naheliegend erscheinen. Dieser Lösung stehen indessen grundsätzliche Erwägungen entgegen.
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Das Rentensystem der obligatorischen Unfallversicherung beruht auf dem Grundsatz der Gesamtbeurteilung mehrerer versicherter Unfälle und ihrer Folgen. Daraus folgt zum einen, dass mehrere versicherte Schäden zu ![]() | 26 |
c) Entfällt eine kombinierte Berechnungsweise, wie sie das BSV vorschlägt, bleibt zu prüfen, ob auf den vorliegenden Fall Art. 24 Abs. 2 UVV oder Art. 24 Abs. 4 UVV sinngemäss anzuwenden ist und ob demzufolge auf den mutmasslichen Jahresverdienst vor Beginn des Rentenanspruchs (1. November 1992) oder auf denjenigen vor dem zweiten Unfall (5. Juni 1990) abzustellen ist.
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Im Hinblick darauf, dass sich die in Art. 24 Abs. 2 und 4 UVV geregelten Sachverhalte überschneiden, könnte eine sachgerechte Abgrenzung allenfalls darin erblickt werden, dass darauf abgestellt wird, welcher Unfall an der Gesamtinvalidität überwiegt. Eine solche Lösung vermöchte indessen nicht zu befriedigen, weil der Versicherte dadurch gerade dann schlechter gestellt würde, wenn der spätere Unfall überwiegt. Die Abgrenzung kann daher nur ![]() | 28 |
Tatbeständliche Grundlage der Sonderregelung von Art. 24 Abs. 4 UVV bildet der Umstand des Bezuges einer Invalidenrente mit der Folge, dass in der Regel ein reduzierter Lohn verdient wird. Um die Rente nicht (gemäss Art. 15 Abs. 2 UVG und Art. 22 Abs. 4 UVV) auf dem wegen Invalidität reduzierten Lohn zu bemessen, wurde mit Art. 24 Abs. 4 UVV eine Sondernorm geschaffen, dergemäss auf den hypothetischen Lohn abgestellt wird, welchen der Versicherte im Jahr vor dem letzten Unfall bezogen hätte, wenn er früher keinen versicherten Unfall erlitten hätte, es sei denn, der so ermittelte Lohn sei niedriger als der vor dem ersten versicherten Unfall bezogene Lohn (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 334; ferner RKUV 1991 Nr. U 123 S. 151 f. Erw. 3a). Als Ausführungsvorschrift zu Art. 15 Abs. 3 lit. a UVG ("langdauernde Taggeldberechtigung") hat Art. 24 Abs. 2 UVV seine Grundlage demgegenüber darin, dass sich die Rentenfestsetzung insbesondere wegen einer langen Heilungsdauer verzögert (MAURER, a.a.O., S. 331). Die Grundregel von Art. 15 Abs. 2 UVG und Art. 22 Abs. 4 UVV, wonach für die Rentenberechnung der vor dem Unfall bezogene Lohn massgebend ist, kann bei steigenden Löhnen zu unbilligen Ergebnissen führen. Die Sonderregel von Art. 24 Abs. 2 UVV trägt diesem Umstand dadurch Rechnung, dass auf den Lohn abzustellen ist, welchen der Versicherte ohne den Unfall im Jahr vor dem Rentenbeginn erzielt hätte, sofern er höher ist als der letzte vor dem Unfall erzielte Lohn.
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Aufgrund dieser Zweckbestimmungen erweist es sich als sachgerecht, wenn im vorliegenden Fall die Regelung von Art. 24 Abs. 2 und nicht diejenige von Abs. 4 zur Anwendung gebracht wird. Sie ist für den Versicherten im allgemeinen günstiger als die für den Fall der revisionsweisen Neufestsetzung der Renten geltende Regelung, indem bei der Festsetzung des versicherten Verdienstes auf den Rentenbeginn und nicht auf den Unfallzeitpunkt abgestellt wird. Weshalb diese Begünstigung nicht auch dann Platz greifen sollte, wenn während der langdauernden Taggeldberechtigung ein weiterer, den Invaliditätsgrad möglicherweise nur in geringem Masse erhöhender Unfall eintritt, ist nicht ersichtlich. Es besteht daher kein Grund, Art. 24 Abs. 4 UVV über den klaren Wortlaut der Bestimmung hinaus auch auf Fälle anzuwenden, wo es nicht um die revisionsweise Neufestsetzung einer Rente, sondern um die erstmalige Rentenzusprechung geht. Der Einwand ![]() | 30 |
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