![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
26. Urteil vom 27. Mai 1997 i.S. Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt gegen S. und Kantonale Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt | |
Regeste |
Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG, Art. 104 lit. a OG. | |
Sachverhalt | |
1 | |
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess die Kantonale Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt teilweise gut und setzte die Einstellung in der Anspruchsberechtigung von 60 auf 45 Tage herab (Entscheid vom 22. August 1996).
| 2 |
C.- Die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, bezüglich der festgesetzten Einstellungsdauer sei der Entscheid der Kantonalen Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung aufzuheben und die Verfügung der Arbeitslosenkasse wieder herzustellen.
| 3 |
S. lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen und stellt das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit lässt sich nicht vernehmen.
| 4 |
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
5 | |
![]() | 6 |
c) Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung gemäss Art. 30 AVIG hat nicht den Charakter einer Strafe im Sinne des Strafrechts, sondern denjenigen einer verwaltungsrechtlichen Sanktion mit dem Zweck, der Gefahr missbräuchlicher Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung zu begegnen. Als solche kann sie ungeachtet der Regel des Art. 68 StGB wiederholt verfügt werden (ARV 1993/1994 Nr. 3 S. 22 Erw. 3d).
| 7 |
d) Die Dauer der Einstellung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 AVIG) und beträgt 1 bis 12 Tage bei leichtem, 13 bis 25 Tage bei mittelschwerem, 26 bis 60 Tage bei schwerem Verschulden und mindestens 45 Tage bei wiederholtem mittelschwerem oder schwerem Verschulden (Art. 45 Abs. 2 lit. a-d AVIV in der im Jahr 1996 geltenden, hier anwendbaren Fassung).
| 8 |
2. Streitig und zu prüfen ist, ob die von der Vorinstanz auf 45 Tage reduzierte Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung im Sinne des mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellten Rechtsbegehrens wieder auf 60 Tage zu erhöhen ist. Dabei ist die von der Verwaltung befolgte Praxis, bei unwahren Angaben (Art. 30 ![]() | 9 |
3. a) Bei Vorliegen von unwahren Angaben im Bereich des Nachweises der persönlichen Bemühungen ist es ständige Praxis der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Basel-Stadt, eine Einstellungsdauer an der oberen Grenze des schweren Verschuldens zu verfügen, was für Sachverhalte ab 1. Januar 1996 im Regelfall zu einer Einstellungsdauer von 60 Tagen führte. Die Arbeitslosenkasse führt aus, diese Praxis sei in anderen Fällen durch die Vorinstanz bestätigt worden. Von dieser Regeleinstellungsdauer werde allenfalls bei Vorliegen von Milderungsgründen wie z.B. Alter (Jugendliche oder ältere Versicherte aufgrund ihrer schwierigen Situation auf dem ![]() | 10 |
b) Die Verwaltungspraxis, in der Regel eine maximale Einstellungsdauer zu verfügen, hält einer gerichtlichen Überprüfung auf pflichtgemässe Ermessensausübung nicht stand. Freies Ermessen erlaubt kein Entscheiden nach Belieben ohne überprüfbare sachliche Begründung. Wenn die rechtsanwendende Verwaltung das ihr eingeräumte Ermessen bei der Beurteilung des Verschuldens bei unwahren Angaben im Zusammenhang mit dem Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen in der Weise handhabt, dass sie als Regel die obere Grenze des Ermessensspielraums wählt, so stellt dies einen Ermessensfehler dar, welcher als Rechtsverletzung der richterlichen Korrektur bedarf. Eine solche - rechtsfehlerhafte - Ermessensbetätigung verkennt die dem Ermessen inhärenten Schranken und ist mit der Vorschrift, wonach sich die Dauer der Einstellung nach dem Grad des Verschuldens bemisst (Art. 30 Abs. 3 AVIG), nicht vereinbar.
| 11 |
c) Als sachgemässer Ausgangspunkt für die individuelle Verschuldensbeurteilung im Bereich des schweren Verschuldens ist ein Mittelwert in der von 26 bis 60 Tagen reichenden Skala zu wählen, d.h. eine durchschnittliche Dauer von ca. 43 Einstellungstagen. Unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände des konkreten Einzelfalls ermöglicht diese Vorgehensweise einerseits eine Verschärfung der verwaltungsrechtlichen Sanktion, wie dies auch durch Art. 45 Abs. 2 lit. d AVIV angeordnet wird, wenn das Verschulden des Versicherten besonders schwer wiegt, z.B. im Wiederholungsfall bei bereits erfolgter strafrechtlicher Verurteilung. Eine Verschärfung der Sanktion in krasseren Fällen als dem vorliegenden ist nicht mehr möglich, wenn bereits der durchschnittliche Fall mit der maximal zulässigen Sanktion belegt wird. Anderseits erlauben Milderungsgründe, den Durchschnittswert von ca. 43 Einstellungstagen nach Massgabe des in milderem Licht erscheinenden Verschuldens auch in der Kategorie schweren Verschuldens angemessen zu reduzieren, wobei der Bereich von 26 bis 42 Tagen auszuschöpfen ist, ohne das Ermessen zu unterschreiten. Sachgerechte Ermessensbetätigung erfordert, den gesamten Ermessensspielraum nach oben und unten in einer dem jeweiligen Verschulden entsprechenden Weise zu nutzen.
| 12 |
Eine zahlenmässige Schwerpunktbildung an der oberen Grenze des Ermessensspielraums ist auch insofern nicht sachgerecht, als der ![]() | 13 |
d) Auch die konkreten Umstände des vorliegenden Falles bilden keinen hinreichenden Anlass, auf 60 Einstellungstage zu erkennen. Festzuhalten ist, dass die unwahren Angaben des Beschwerdegegners als erstellt zu gelten haben. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche eine Verschärfung der Sanktion über einen mittleren Wert, der gemäss vorinstanzlichem Entscheid bei 45 Tagen liegen kann, aufdrängen oder rechtfertigen würden. Aufgrund der bestehenden Aktenlage hat die Verwaltung die Richtigkeit der Angaben erstmals für den Monat Januar 1996 überprüft, obwohl der Beschwerdegegner seit November 1994 stempelte und keine Stelle fand. Es ist somit davon auszugehen, dass kein Wiederholungsfall vorliegt. Die Verwaltung sah sich auch nicht veranlasst, ein Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner einzuleiten. Es geht daher nicht an, ihm gleichwohl vorzuwerfen, sein ![]() | 14 |
e) Zusammenfassend erweist sich die von der Verwaltung verfügte Einstellungsdauer nicht nur als unangemessen, wie die Vorinstanz annahm, sondern auch als ermessensmissbräuchlich.
| 15 |
16 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |