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35. Auszug aus dem Urteil vom 22. Oktober 1997 i.S. WH. gegen Kantonale Pensionskasse Solothurn und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn | |
Regeste |
Art. 4 Abs. 2 BV, Art. 49 BVG: Witwerrente. | |
Sachverhalt | |
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Am 12. November 1992 ersuchte WH., der überlebende Ehegatte der Versicherten, die PKS um Prüfung seines Anspruchs auf eine Witwerrente. Mit Schreiben vom 1. Februar 1993 verneinte die PKS ihre Leistungspflicht mit dem Hinweis, die anwendbare statutarische Ordnung kenne das Institut der Witwerrente nicht.
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B.- Am 11. April 1994 reichte WH. beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Klage ein mit dem Begehren, die PKS habe ihm einen Betrag in Höhe der seiner verstorbenen Ehegattin zustehenden Freizügigkeitsleistung (samt Zins) oder - eventualiter - eine Witwerrente zuzuerkennen. Das Gericht wies die Klage mit Entscheid vom 8. März 1995 ab.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert WH. seine im kantonalen Verfahren gestellten Rechtsbegehren. Die PKS schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) beantragt Abweisung des Haupt-, jedoch Gutheissung des Eventualbegehrens.
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D.- Am 22. Oktober 1997 hat das Eidg. Versicherungsgericht eine parteiöffentliche Beratung durchgeführt.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Die PKS, eine Vorsorgeeinrichtung des kantonalen öffentlichen Rechts, kennt in ihren Statuten vom 2. Dezember 1968 wohl eine Witwenpension für die überlebende Ehegattin eines pensionsversicherten Mitgliedes oder des Bezügers einer Alters- und Invalidenpension (§§ 8 Abs. 1 lit. a und 35), hingegen keinen vergleichbaren Anspruch für den überlebenden Ehegatten einer weiblichen Versicherten oder Leistungsbezügerin. Diese Ungleichbehandlung entspricht der vom Bundesgesetzgeber für den Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge getroffenen Regelung (Art. 19 Abs. 1 BVG). Sie ist im Rahmen einer auf den 1. Januar 1993 in Kraft gesetzten Revision der PKS-Statuten behoben worden; eingeführt wurde eine geschlechtsunabhängig ausgestaltete ![]() | 7 |
c) Das kantonale Gericht hat die Ausgestaltung des Hinterlassenenrentenanspruchs in der hier anwendbaren Fassung der PKS-Statuten im Lichte von Art. 4 Abs. 2 BV als verfassungswidrig bezeichnet. Des weiteren hat es erwogen, der kantonale Gesetzgeber habe die ihm einzuräumende Übergangsfrist zur Anpassung an die verfassungsmässige Ordnung nicht genutzt, womit die von der Rechtsprechung (BGE 116 V 215 Erw. 3b; vgl. ferner BGE 117 V 323 Erw. 4c) umrissenen Voraussetzungen für ein richterliches Eingreifen in zeitlicher Hinsicht gegeben wären. Von einem Eingriff hat die Vorinstanz jedoch unter Hinweis auf BGE 117 V 326 Erw. 6b abgesehen, weil mit der Anerkennung eines Witwerrentenanspruchs eine neue Leistungsart eingeführt würde, was für die PKS mit weitgehenden finanziellen Folgen verbunden wäre, die sich im Rahmen fallbezogener gerichtlicher Beurteilung nicht abschätzen liessen.
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d) Das BSV geht in seiner Vernehmlassung ebenfalls von der Verfassungswidrigkeit der hier in Frage stehenden Ordnung aus. Im Unterschied zum kantonalen Gericht erachtet es hingegen die Folgen, die mit der Anerkennung einer in den Statuten nicht vorgesehenen Witwerrente einhergingen, als überschaubar. Dies werde gerade durch die auf den 1. Januar 1993 erfolgte Einführung eines geschlechtsunabhängig ausgestalteten Hinterlassenenrentenanspruchs bestätigt.
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e) Das Eidg. Versicherungsgericht hatte sich schon wiederholt mit Leistungsansprüchen zu befassen, die unter Berufung auf das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot von Mann und Frau (Art. 4 Abs. 2 BV) erhoben wurden. Dabei ging es verschiedentlich auch um die Frage des Witwerrentenanspruchs.
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In BGE 116 V 198 war der Fall einer öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtung zu beurteilen, deren Statuten zwar eine Witwerrente vorsahen, diesen Anspruch indes im Vergleich zur Witwenrente von erschwerten Voraussetzungen abhängig machten. Da sich diese Ungleichbehandlung weder durch biologische noch durch funktionale Verschiedenheiten rechtfertigen liess, schloss das Eidg. Versicherungsgericht auf eine Verletzung von Art. 4 Abs. 2 BV und sprach dem Versicherten in Nichtanwendung der verfassungswidrigen Anspruchsvoraussetzung eine Witwerrente zu (BGE 116 V 211 f., 216 Erw. 3b).
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In BGE 120 V 312 ging es um eine privatrechtliche Vorsorgeeinrichtung, die laut Reglement und Vorsorgevertrag keinen Anspruch auf Witwerrente kannte. Das Eidg. Versicherungsgericht liess die Frage nach der Verfassungsmässigkeit dieser Regelung ausdrücklich offen. Es anerkannte zwar die Geltung von Art. 4 Abs. 2 BV gegenüber privatrechtlich organisierten Vorsorgeträgern im Sinne indirekter Drittwirkung; entscheidend war aber, dass hinsichtlich der streitigen Rechtsfrage weder Reglement noch Vorsorgevertrag eine Lücke aufwiesen oder eine Bestimmung enthielten, die nach Massgabe des Verfassungsrechts zu füllen oder entsprechender Auslegung zugänglich gewesen wäre (BGE 120 V 316 f.).
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f) Selbst wenn die Verfassungswidrigkeit der hier in Frage stehenden Beschränkung des Hinterlassenenrentenanspruchs auf die überlebenden Ehegatten männlicher Versicherter oder Leistungsbezüger angesichts der bisherigen Rechtsprechung kaum zweifelhaft zu sein scheint (vgl. BGE 120 V 314 Erw. 2b; ferner FEHLMANN, Neues Eherecht und Gleichheit in der Personalvorsorge, SPV 1988 S. 322 f., und SCHULZ, Effets et manque d'effets de l'art. 4 al. 2 Cst., AJP 1993 Nr. 11 S. 1316), kann eine abschliessende Beurteilung unterbleiben. Dem gestellten Begehren ist dabei nicht unter Berufung auf die unabsehbaren finanziellen Folgen und die sachlichen Grenzen richterlichen Eingreifens entgegenzutreten. Denn die hier allein interessierende Einführung des als Risikoleistung vergleichsweise eher selten aktuell werdenden Witwerrentenanspruchs erwiese sich in verschiedener Hinsicht als weit weniger folgenschwer als die für eine Vielzahl der Versicherten bedeutsame Neuordnung des Pensionierungsalters. Deshalb dürften seine Anerkennung auf dem Wege der Rechtsprechung und die damit verwirklichte Durchsetzung der verfassungsmässigen Ordnung jedenfalls nicht an der beschränkten funktionellen Eignung gerichtlicher Verfahren scheitern.
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Entscheidend kann auch nicht sein, dass es sich bei der hier beteiligten Vorsorgeeinrichtung um eine solche des kantonalen öffentlichen ![]() | 15 |
g) Nach dem Gesagten ist die vorinstanzliche Verneinung des geltend gemachten Anspruchs auf eine Witwerrente im Ergebnis nicht zu beanstanden, da die hier anwendbaren PKS-Statuten in der Fassung vom 2. Dezember 1968 diese Leistung überhaupt nicht vorsehen und die mit der Statutenrevision geschaffene neue Ordnung unbestrittenermassen nicht zur Anwendung gelangt.
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