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40. Urteil vom 12. August 1997 i.S. Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau gegen R. und Versicherungsgericht des Kantons Aargau | |
Regeste |
Art. 23 Abs. 1 AVIG, Art. 5 Abs. 2 AHVG, Art. 25ter IVG, Art. 81bis IVV, Art. 19a EOG, Art. 21a EOV. |
Das von der Invalidenversicherung während der Eingliederung einem zuvor als Arbeitnehmer tätig gewesenen Versicherten ausbezahlte Taggeld gilt als massgebender Lohn. | |
Sachverhalt | |
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B.- Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde mit dem Antrag, das Taggeld sei aufgrund des bei der Spenglerei X erzielten Monatslohnes von Fr. 5'059.-- festzusetzen, hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau am 28. August 1996 gut und setzte den versicherten Verdienst auf Fr. 274.85 täglich fest.
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C.- Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und der versicherte Verdienst nach Massgabe der Verfügung vom 11. April 1996 festzulegen.
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R. und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit verzichten auf Vernehmlassung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Bei der Firma X hatte der Beschwerdegegner gemäss Angaben in der vorinstanzlichen Beschwerde zuletzt einen Monatslohn von Fr. 5'059.-- erzielt. Mit dem Taggeld der Invalidenversicherung von Fr. 143.80 kam er monatlich auf Einkünfte von Fr. 4'314.-- (= 30 x Fr. 143.80).
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Gemäss Art. 23 Abs. 1 AVIG gilt als versicherter Verdienst der im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebende Lohn, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde.
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Die beschwerdeführende Arbeitslosenkasse verweist demgegenüber auf Art. 23 Abs. 1 AVIG, der vom massgebenden Lohn im Sinne der AHV-Gesetzgebung spricht. IV-Taggelder würden nach Art. 25ter IVG dem Erwerbseinkommen gleichgestellt. Ausnahmen vom massgebenden Lohn seien in Art. 8 AHVV abschliessend aufgezählt. Die Taggelder der Invalidenversicherung seien darin nicht enthalten. Die Invalidenversicherung habe denn auch konsequenterweise auf den IV-Taggeldern des Beschwerdegegners Arbeitslosenversicherungsbeiträge erhoben.
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4. a) Es trifft zu, dass Art. 5 Abs. 2 AHVG und Art. 23 Abs. 1 AVIG den Lohn in einer Weise umschreiben, die auf Ersatzeinkommen wie Taggelder der Invalidenversicherung nicht zutrifft. Ersatzeinkommen in der Form von Versicherungsleistungen bei Krankheit, Unfall, Invalidität, Arbeitslosigkeit sowie Militär- und Zivilschutzdienst waren denn auch früher nicht AHV-beitragspflichtig und dementsprechend vom Erwerbseinkommen ![]() | 12 |
b) Diese Ordnung wurde mit dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982 geändert, indem hier erstmals die Beitragspflicht auf Ersatzeinkommen eingeführt wurde. So sah der Nationalrat auf Vorschlag seiner Kommission die Beitragspflicht (bezüglich AHV/IV/EO sowie zunächst auch ALV) auf dem ALV-Taggeld vor (Amtl.Bull. 1981 N 665 ff.). Dem ist der Ständerat gefolgt, allerdings unter Streichung der ALV-Beitragspflicht auf dem ALV-Taggeld (Amtl.Bull. 1982 S 131 f.), welcher Lösung in der Differenzbereinigung der Nationalrat zugestimmt hat (Amtl.Bull. 1982 N 594 ff.). Die entsprechende Bestimmung im Entwurf (Art. 21 Abs. 1bis) kam als Art. 22 Abs. 2 AVIG ins Gesetz (in der bis Ende 1995 gültig gewesenen Fassung) und findet sich seit 1996 in Art. 22a Abs. 1 und 2 AVIG.
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Nach dem Vorbild des Arbeitslosenversicherungsgesetzes sind in der Folge auch die EO-Entschädigungen der Beitragspflicht unterworfen worden (Art. 19a EOG, in Kraft seit 1. Januar 1988; BBl 1985 I 803 ff.). Gleiches gilt bezüglich der Invalidenversicherung, indem deren Taggelder ebenfalls der Beitragspflicht unterworfen wurden, dies mit Art. 25ter IVG, der auf Antrag der ständerätlichen Kommission eingefügt wurde, ebenfalls am 1. Januar 1988 in Kraft trat (Amtl.Bull. 1985 S 749 f., 1986 N 744 f.) und dessen Abs. 1 wie folgt lautet:
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"Von den Taggeldern einschliesslich Zuschlägen müssen Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung, an die mit ihr verbundenen Versicherungszweige und gegebenenfalls an die Arbeitslosenversicherung bezahlt werden. Diese Beiträge sind je zur Hälfte vom Versicherten und von der Invalidenversicherung zu tragen."
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Zuletzt wurde auch in das neue Militärversicherungsgesetz eine Regelung analog Art. 19a EOG und Art. 25ter IVG aufgenommen (Art. 29 Abs. 3 und 4 MVG, in Kraft seit 1. Januar 1994).
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Nachdem mit Art. 22a Abs. 2 AVIG, Art. 19a EOG und Art. 25ter IVG die gesetzlichen Grundlagen für die Erfassung der jeweiligen Ersatzeinkommen als beitragspflichtige Erwerbseinkommen geschaffen waren, hat der Bundesrat folgerichtig die Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung angepasst und in Art. 6 Abs. 2 AHVV zunächst auf den 1. Januar 1984 lit. e (betreffend ALV-Leistungen) aufgehoben und hernach auf den 1. Januar 1988 lit. a und b (betreffend EO- und IV-Taggelder) geändert ![]() | 17 |
c) Nach dem seither geltenden Art. 6 Abs. 2 lit. b AHVV gehören im Grundsatz Versicherungsleistungen bei Unfall, Krankheit oder Invalidität nicht zum Erwerbseinkommen, jedoch gilt aufgrund klaren Wortlauts für Taggelder nach Art. 25ter IVG das Gegenteil. Sie sind daher - im Sinne einer Gegenausnahme - als Erwerbseinkommen gemäss Art. 4 Abs. 1 AHVG zu qualifizieren. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 23 Abs. 1 AVIG kommt es allerdings nicht auf Erwerbseinkommen an, sondern darauf, ob dieses Erwerbseinkommen auch massgebender Lohn ist. Die Vorinstanz argumentiert denn auch damit, IV-Taggelder seien nur Erwerbseinkommen und nicht auch massgebender Lohn.
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d) Bei den Taggeldern der Arbeitslosenversicherung spricht Art. 22 Abs. 2 AVIG (in der bis Ende 1995 gültig gewesenen Fassung) ausdrücklich davon, dass die Arbeitslosenentschädigung als "Lohn" im Sinne der Gesetzgebung über die AHV/IV/EO gilt (noch deutlicher Art. 22a Abs. 1 AVIG [in Kraft seit 1. Januar 1996], wo ausdrücklich von "massgebendem Lohn" im Sinne des AHVG die Rede ist). Die Bezugnahme auf Lohn oder massgebenden Lohn ist denn auch logisch, weil die Arbeitslosenversicherung im Bereich der Arbeitslosenentschädigung auf Arbeitnehmer zugeschnitten ist (GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N. 22 zu Art. 1 AVIG, mit Hinweis u.a. auf Art. 34novies
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Abs. 2 BV) und Versicherte, welche ganz-/teilarbeitslos und taggeldbezugsberechtigt werden, zuvor - abgesehen von den in Art. 23 Abs. 2 AVIG genannten Personen - als Arbeitnehmer tätig waren. Anders verhält es sich im Bereich der Erwerbsersatzordnung und der Invalidenversicherung (wie auch der Militärversicherung). So können bei der Erwerbsersatzordnung Dienstleistende vor dem Einrücken Arbeitnehmer gewesen sein oder Selbständigerwerbende oder Nichterwerbstätige. Dies gilt auch für Personen, die sich in einer Eingliederung befinden und Taggelder der Invalidenversicherung beziehen. Analoges trifft für Bezüger eines Taggelds der Militärversicherung zu.
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e) Die Arbeitslosenkasse verweist darauf, dass nach Art. 25ter Abs. 1 IVG Beiträge "gegebenenfalls" auch an die Arbeitslosenversicherung zu entrichten sind.
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aa) Diese Bestimmung hält sich in ihren Grundzügen an Art. 19a EOG (Sitzung der ständerätlichen Kommission vom 10. September ![]() | 22 |
Anders verhält es sich bei den EO-Entschädigungen an Selbständigerwerbende und Nichterwerbstätige. Hier werden nur Beiträge an die AHV/IV/EO erhoben (Art. 21b Abs. 1 EOV). Aus dem Umstand, dass diese aufgrund von Art. 19a Abs. 1 Satz 2 EOG paritätisch zu entrichten sind und dass der gleiche Ansatz wie für Arbeitnehmer angewandt wird (Art. 21b Abs. 1 EOV), kann aber weder gefolgert werden, auch die EO-Entschädigung an Selbständigerwerbende und Nichterwerbstätige werde dem massgebenden Lohn gleichgestellt, noch - umgekehrt - abgeleitet werden, die EO-Entschädigung an Arbeitnehmer sei eben doch nur Erwerbseinkommen und nicht massgebender Lohn.
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bb) Die dargestellte EO-Regelung gilt sinngemäss auch für die IV-Taggelder, indem gemäss dem mit der EOV-Revision auf den 1. Januar 1988 erlassenen und auf Art. 25ter Abs. 2 IVG gestützten Art. 81bis IVV "für die Erfassung der Taggelder als ![]() | 24 |
f) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Taggelder, welche die Invalidenversicherung einem Versicherten ausrichtet, der vor der Eingliederung AHV-rechtlich den Status eines unselbständigerwerbenden Arbeitnehmers hatte, als massgebender Lohn im Sinne der AHV gelten und der ALV-Beitragspflicht unterstehen. Wie die Arbeitslosenkasse zutreffend darlegt, sind entgegen der Meinung der Vorinstanz denn auch im Falle des Beschwerdegegners auf den IV-Taggeldern ALV-Beiträge erhoben worden. Ist das vom Beschwerdegegner bezogene IV-Taggeld als massgebender Lohn zu betrachten, so hat die Arbeitslosenkasse bei Ermittlung des versicherten Verdienstes nach Art. 23 Abs. 1 AVIG zu Recht darauf abgestellt. Ihre Verfügung erweist sich damit, auch rechnerisch, als zutreffend.
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