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2. Auszug aus dem Urteil vom 16. März 1998 i.S. B. gegen IV-Stelle Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 21 Abs. 1 IVG; Art. 2 Abs. 1 und 2 HVI; Ziff. 7.02* HVI Anhang (in der seit 1. März 1996 geltenden Fassung). | |
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2. a) Gemäss Art. 21 Abs. 1 IVG hat der Versicherte im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel, deren er für die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder Tätigkeit in seinem Aufgabenbereich, ![]() | 1 |
b) Laut Art. 2 der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI), erlassen durch das Eidg. Departement des Innern (EDI) gestützt auf Art. 21 Abs. 4 IVG und Art. 14 IVV (vgl. BGE 108 V 12 Erw. 2b, BGE 105 V 27 Erw. 3a, 258 Erw. 2), besteht im Rahmen der im Anhang aufgeführten Liste Anspruch auf Hilfsmittel, soweit diese für die Fortbewegung, die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge notwendig sind (Abs. 1); Anspruch auf die in dieser Liste mit * bezeichneten Hilfsmittel besteht, soweit diese für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die Tätigkeit im Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung, die funktionelle Angewöhnung oder für die bei einzelnen Hilfsmitteln ausdrücklich genannte Tätigkeit notwendig sind (Abs. 2).
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c) Ziff. 7 HVI Anhang regelt die Abgabe von Brillen und Kontaktlinsen und lautete in der bis 29. Februar 1996 gültig gewesenen Fassung wie folgt:
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7 Brillen und Kontaktlinsen
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7.01* Brillen, sofern sie eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen darstellen.
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7.02* Kontaktlinsen, sofern sie notwendigerweise anstelle von Brillen
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treten und eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen darstellen, sowie bei hochgradigem irregulärem Astigmatismus und Keratokonus.
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Mit Verordnung vom 8. Januar 1996 ist der zweite Teilsatz von Ziff. 7.02* HVI Anhang mit Wirkung auf den 1. März 1996 gestrichen worden (AS 1996 768). Neu besteht somit ab diesem Zeitpunkt auch bei hochgradigem irregulärem Astigmatismus oder Keratokonus kein selbständiger Anspruch mehr auf Kontaktlinsen-Versorgung zu Lasten der Invalidenversicherung. Vielmehr ist auch bei diesem Krankheitsbild die Anspruchsberechtigung nur gegeben, wenn dieses Hilfsmittel eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen bildet.
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5. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Streichung des selbständigen Anspruchs auf Kontaktlinsen bei hochgradigem irregulärem Astigmatismus und Keratokonus in Ziff. 7.02* HVI Anhang (vgl. dazu BGE 116 V 16) sei ![]() | 9 |
Mit diesen Vorbringen bestreitet die Beschwerdeführerin die Gesetzmässigkeit von Ziff. 7.02* HVI Anhang in der seit 1. März 1996 geltenden Fassung, soweit im Unterschied zur früheren Regelung auch bei hochgradigem irregulärem Astigmatismus und Keratokonus ein Anspruch auf Kontaktlinsen zu Lasten der Invalidenversicherung nur besteht, wenn dieses Hilfsmittel eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen darstellt.
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a) (Überprüfung von Verordnungen des Bundesrates durch das Eidg. Versicherungsgericht; vgl. BGE 123 V 84 f. Erw. 4a, BGE 122 V 93 f. Erw. 5a/bb, 118 f. Erw. 3a/bb, 303 f. Erw. 4a, 311 f. Erw. 5c/aa, je mit Hinweisen).
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b) aa) Art. 21 Abs. 1 IVG räumt dem Bundesrat bzw. aufgrund von Art. 14 IVV in Verbindung mit Art. 21 Abs. 4 IVG dem Departement für den Erlass der Hilfsmittelliste einen weiten Spielraum der Gestaltungsfreiheit ein. Dieses kann bestimmen, "welche Arten von Vorrichtungen und Apparaten unter den Begriff Hilfsmittel (...) fallen" (Botschaft zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [...], BBl 1958 II 1137 ff., ![]() | 12 |
bb) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin wird der weite Gestaltungsspielraum des Departementes durch Art. 21 Abs. 1 Satz 2 IVG nicht in dem Sinne eingeschränkt, dass lediglich bei Zahnprothesen, Brillen und Schuheinlagen die Kostenübernahme zusätzlich davon abhängig gemacht werden darf, dass diese Hilfsmittel eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen bilden. Eine solche Regelungsabsicht des Gesetzgebers lässt sich weder dem Wortlaut noch den Materialien (BBl 1958 II 1186) entnehmen. Der Verordnungsgeber ist daher ohne weiteres befugt, im Rahmen der Zielsetzung des Art. 21 Abs. 1 Satz 2 IVG, Missbräuche zu vermeiden, "die sonst bei der grossen Verbreitung dieser Hilfsmittel kaum zu verhindern wären" (BBl 1958 II 1260), festzulegen, dass ein Hilfsmittel nur abgegeben wird, wenn es medizinische Massnahmen im Sinne von Art. 12 IVG wesentlich ergänzt. Damit bewegt er sich innerhalb der ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Regelungsbefugnisse (BGE 112 Ib 310 Erw. 2, BGE 112 V 58 f. Erw. 2a). Wenn daher gemäss Ziff. 7.02* HVI Anhang in der ab 1. März 1996 geltenden Fassung die Kosten für Kontaktlinsen von der Invalidenversicherung nur übernommen werden, wenn sie eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen darstellen, widerspricht dies mit Blick auf die weite Verbreitung dieser Sehhilfen nicht dem Gesetz.
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cc) Dass die fragliche Verordnungsbestimmung keine Unterscheidungen trifft und die Anspruchsberechtigung ausnahmslos an die Bedingung knüpft, eine wesentliche Ergänzung medizinischer Massnahmen im Sinne von Art. 12 IVG zu bilden, kann schliesslich auch nicht als willkürlich bezeichnet werden.
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Die damalige Praxis und in der Folge altZiff. 7.02* HVI Anhang unterschieden danach, ob Kontaktlinsen spezifisch optische Funktionen im Sinne der Verbesserung des Sehvermögens durch Linsenwirkung ausüben und sie daher Brillen gleichzustellen sind, oder ob ihnen, wie beim irregulären Astigmatismus oder Keratokonus, eine rein mechanische Funktion eignet, indem die Kontaktlinse die unregelmässige Hornhautkrümmung durch die zwischen Hornhaut und Linse gelagerte Tränenflüssigkeit auszugleichen vermag (vgl. BGE 98 V 43 f. Erw. 3, ZAK 1988 S. 473 Erw. 3b). Dabei ist gemäss BSV von Nutzen, dass die Tränenflüssigkeit praktisch den gleichen Brechungsindex aufweist wie das Hornhautgewebe. Ob diese Differenzierung dem Gesetz widerspricht, wie das Bundesamt in seiner Vernehmlassung ausführt, kann offenbleiben. Jedenfalls erscheint es ebenso sachgerecht, nicht auf die genaue physikalische Wirkungsweise der Kontaktlinsen im Zusammenspiel mit weiteren augenspezifischen Faktoren im Einzelfall abzustellen, sondern danach zu fragen, ob mit diesem Hilfsmittel (als wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen) unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungswirksamkeit eine entscheidende Verbesserung der Sehschärfe (Visus) erreicht werden kann. Damit kann überdies der bereits früher aus fachärztlichen Kreisen erhobenen Kritik an der Beschränkung des selbständigen Anspruchs auf Kontaktlinsen-Versorgung auf die Fälle des hochgradigen irregulären Astigmatismus oder Keratokonus (vgl. BGE 116 V 17 Erw. 2b) Rechnung getragen werden, indem nunmehr die gleichen ![]() | 16 |
6. Nach dem Gesagten ist Ziff. 7.02* HVI Anhang in der seit 1. März 1996 geltenden Fassung, soweit im Unterschied zur alten Regelung auch bei hochgradigem irregulärem Astigmatismus und Keratokonus ein Anspruch auf Kontaktlinsen zu Lasten der Invalidenversicherung nur besteht, wenn dieses Hilfsmittel eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen darstellt, gesetzmässig. (...).
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