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18. Urteil vom 10. März 1998 i.S. B. gegen IV-Stelle des Kantons Thurgau und AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 IVG: anspruchsbegründende Mindesterwerbseinbusse. |
Bei der Beurteilung, ob die für den Umschulungsanspruch rechtsprechungsgemäss geforderte Erheblichkeitsschwelle (Erwerbseinbusse von zirka 20%) erreicht ist, sind daher, insbesondere bei Berufen mit tiefen Anfangslöhnen, neben den aktuellen Verdienstmöglichkeiten im Rahmen einer Prognose weitere Faktoren wie Lohnentwicklung und Aktivitätsdauer mitzuberücksichtigen. | |
Sachverhalt | |
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B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau ab (Entscheid vom 24. April 1997).
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C.- B. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in Aufhebung der vorinstanzlich bestätigten Ablehnungsverfügung sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihm für die Zeit der Umschulung das gesetzliche Taggeld zu gewähren.
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Die IV-Stelle trägt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Wiewohl Ablehnungsverfügung und angefochtener Entscheid sich auf den Umschulungsanspruch als solchen beziehen (Art. 17 IVG), ist auch der Antrag auf Zusprechung eines Taggeldes (Art. 22 IVG) gemäss Rechtsbegehren in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Blick auf die Akzessorietät dieses Leistungsanspruchs zur streitigen Eingliederungsmassnahme (BGE 114 V 140 Erw. 1a mit Hinweis) zulässig.
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2. a) Gemäss Art. 17 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich ![]() | 7 |
Zu den notwendigen und geeigneten Eingliederungsmassnahmen berufsbildender Art zählen alle zur Eingliederung ins Erwerbsleben unmittelbar erforderlichen Vorkehren. Deren Umfang lässt sich nicht in abstrakter Weise festlegen, indem ein Minimum an Wissen und Können vorausgesetzt wird und nur diejenigen Massnahmen als berufsbildend anerkannt werden, die auf dem angenommenen Minimalstand aufbauen. Auszugehen ist vielmehr von den Umständen des konkreten Falles. Der Versicherte, der infolge Invalidität zu einer Umschulung berechtigt ist, hat Anspruch auf die gesamte Ausbildung, die in seinem Fall notwendig ist, damit die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder wesentlich verbessert werden kann (AHI 1997 S. 85 Erw. 1 mit Hinweis).
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b) Der Umschulungsanspruch setzt eine Invalidität oder die unmittelbare Bedrohung durch eine solche voraus (Art. 8 Abs. 1 IVG). Als invalid im Sinne von Art. 17 IVG gilt, wer nicht hinreichend eingegliedert ist, weil der Gesundheitsschaden eine Art und Schwere erreicht hat, welche die Ausübung der bisherigen Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise unzumutbar macht. Dabei muss der Invaliditätsgrad ein bestimmtes erhebliches Mass erreicht haben; nach der Rechtsprechung ist dies der Fall, wenn der Versicherte in den ohne zusätzliche berufliche Ausbildung noch zumutbaren ![]() | 9 |
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a) Verwaltung und Vorinstanz haben dies bejaht mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1996 laut Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers (vom 7. Mai 1996) als Bäcker/Konditor Fr. 3'500.-- im Monat hätte verdienen können. Demgegenüber habe er vom 1. März bis Ende Juli 1996 als Betriebsmitarbeiter in der Firma I. AG einen Monatslohn von Fr. 3'200.-- erzielt. Dieses Salär entspreche in etwa der Lohnhöhe für leichte Arbeiten, zumal gemäss Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik für das Jahr 1994 für einfache und repetitive, sehr leichte Tätigkeiten bei Ansätzen für Frauen von einem monatlichen Lohnniveau von Fr. 3'152.-- (Zentralwert) bis Fr. 3'248.-- (arithmetisches Mittel) ausgegangen werden könne. Damit aber sei die rechtsprechungsgemäss geforderte Erheblichkeitsschwelle von 20% nicht erreicht, was einen Anspruch auf Umschulungsmassnahmen ausschliesse.
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b) Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, dass für die Beurteilung der Gleichwertigkeit im Sinne der erwähnten Rechtsprechung in erster Linie auf die miteinander zu vergleichenden Erwerbsmöglichkeiten im ursprünglichen und im neuen Beruf oder in einer dem Versicherten zumutbaren Tätigkeit abzustellen ist. Dabei geht es jedoch nicht an, den Anspruch auf Umschulungsmassnahmen - gleichsam im Sinne einer Momentaufnahme - ausschliesslich vom Ergebnis eines auf den aktuellen Zeitpunkt begrenzten Einkommensvergleichs, ohne Rücksicht auf den qualitativen Ausbildungsstand einerseits und die damit zusammenhängende künftige Entwicklung der erwerblichen Möglichkeiten anderseits, abhängen zu lassen. Vielmehr ist im Rahmen der vorzunehmenden Prognose (BGE 110 V 102 Erw. 2) unter Berücksichtigung der gesamten Umstände nicht nur der ![]() | 12 |
c) Im Lichte dieser Grundsätze ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Umschulung zu bejahen. Die von ihm ausgeübte Tätigkeit als Betriebsmitarbeiter/Praktikant kann im Vergleich zum gelernten Beruf als Bäcker/Konditor nicht als auch nur annähernd gleichwertig im Sinne der Rechtsprechung betrachtet werden. Daran vermag der Umstand, dass er vor dem Lehrantritt im August 1996 mit der erwähnten Hilfstätigkeit eine prozentual nur geringe Lohneinbusse zu verzeichnen hat, nichts zu ändern. Entscheidend ist, dass das berufliche Fortkommen und damit die Erwerbsaussichten als Hilfsarbeiter mittel- bis längerfristig betrachtet nicht im gleichen Masse gewährleistet sind wie im angestammten Beruf. Dagegen ist von der - als angemessen zu qualifizierenden - Umschulung zum Konserven- und Tiefkühltechnologen eine erhebliche einkommensmässige Besserstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erwarten, was um so wichtiger ist, als es sich beim Beschwerdeführer um einen noch jungen Versicherten mit langer verbleibender Aktivitätsdauer handelt (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 IVG).
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