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51. Auszug aus dem Urteil vom 26. Juni 1998 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen SWICA Gesundheitsorganisation und Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, betreffend H. | |
Regeste |
Art. 107 Abs. 2 UVG; Art. 129 UVV: Gerichtsstand für Beschwerden gegen einen Einspracheentscheid. "Betroffener" im Sinne von Art. 107 Abs. 2 UVG ist nur die Person, um deren Versicherungsleistungen oder Versicherteneigenschaft es geht. | |
Sachverhalt | |
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Die von der SWICA Gesundheitsorganisation, Winterthur, als Krankenversicherer von H. erhobene Einsprache wies die SUVA mit Entscheid vom 23. Dezember 1996 ab.
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B.- Die SWICA reichte dagegen beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau Beschwerde ein, worauf die SUVA die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit ![]() | 3 |
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die SUVA, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich als örtlich zuständig zu erklären.
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Die SWICA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (...). Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung. H. lässt sich nicht vernehmen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Gemäss Art. 104 lit. d UVG regelt der Bundesrat das Beschwerderecht der Versicherer gegen Verfügungen aus dem Bereich einer anderen Sozialversicherung. Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat in Art. 129 UVV Gebrauch gemacht. Abs. 1 dieser Bestimmung lautet wie folgt: Erlässt ein Versicherer oder eine andere Sozialversicherung eine Verfügung, welche die Leistungspflicht des anderen Versicherers berührt, so ist die Verfügung auch dem anderen Versicherer zu eröffnen. Der andere Versicherer kann die gleichen Rechtsmittel ergreifen wie die versicherte Person.
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b) Gemäss Art. 107 Abs. 2 UVG ist Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit der kantonalen Versicherungsgerichte auf dem Gebiete des UVG der Wohnsitz des Betroffenen. Dass der Versicherte selbst, um dessen Versicherungsleistungen es geht oder dessen Versicherteneigenschaft streitig ist, "Betroffener" im Sinne von Art. 107 Abs. 2 UVG ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Wenn nur er Beschwerde erhebt, ist das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in dem er wohnt. Zu prüfen ist, ![]() | 8 |
c) Das kantonale Verwaltungsgericht hat seine Zuständigkeit damit begründet, mit "Betroffenem" meine Art. 107 Abs. 2 UVG den Versicherten und, entgegen der Auffassung der SUVA, nicht einen Versicherer. Aus koordinationsrechtlichen Gründen rechtfertige es sich, die örtliche Zuständigkeit der kantonalen Beschwerdeinstanz am Wohnsitz des Versicherten auch für eine Beschwerde des Versicherers gemäss Art. 107 Abs. 2 UVG abzuleiten. Während die SWICA diese Ansicht teilt, stellt sich die SUVA demgegenüber auf den Standpunkt, die SWICA, mit Sitz in Winterthur, sei "Betroffene" im Sinne von Art. 107 Abs. 2 UVG, weshalb das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich für die Behandlung der Streitsache zuständig sei. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass sich die örtliche Zuständigkeit der kantonalen Gerichte in jedem Fall nach dem Wohnsitz der versicherten Person richtet, hätte er in der erwähnten Bestimmung nicht vom "Betroffenen", sondern vom "Versicherten" gesprochen.
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b) aa) Der Ausdruck "der Betroffene" verleitet auf den ersten Blick zur Annahme, die Vorschrift schliesse neben der natürlichen Person, um deren Versicherungsleistungen oder Versicherteneigenschaft es geht, die andere Sozialversicherung, die gegen den Einspracheentscheid des Unfallversicherers Beschwerde führen will, mit ein. Der wahre Sinn der Vorschrift wird indessen erst erkennbar, wenn ihr Wortlaut in seiner Gesamtheit in Betracht gezogen wird und auch die weiteren massgebenden Auslegungskriterien im Auge behalten werden (BGE 124 II 199 Erw. 5a, BGE 123 III 95 Erw. 3e in fine).
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bb) Bei näherem Hinsehen führt bereits die Verwendung der weiteren Begriffe "Wohnsitz" und "sein letzter schweizerischer Arbeitgeber" in Art. 107 Abs. 2 Satz 2 UVG zum Ergebnis, dass eine Ausweitung des Anknüpfungstatbestandes auf andere Beteiligte nicht der Absicht des Gesetzgebers entsprach. Diese Wortwahl ist nämlich klar auf die natürliche Person zugeschnitten, um deren Versicherungsleistungen es geht oder deren Versicherteneigenschaft streitig ist. Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber einen einheitlichen Gerichtsstand mit dem Anknüpfungspunkt des Wohnsitzes der versicherten Person schaffen wollte. Damit wird auch dem Gedanken Rechnung getragen, dass sich sinnvollerweise diejenigen Gerichte mit einer Streitigkeit ![]() | 12 |
c) Zum gleichen Ergebnis führt die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der fraglichen Gerichtsstandsbestimmung. Dem Bericht der Expertenkommission für die Revision der Unfallversicherung vom 14. September 1973 kann entnommen werden, dass die Kommission für Versicherte mit Wohnsitz in der Schweiz in erster Instanz die Zuständigkeit des Versicherungsgerichts jenes Kantons vorschlug, in dem der Beschwerdeführer bei Erlass der angefochtenen Verfügung seinen Wohnsitz hat (S. 159 und 216 des Expertenberichts). Es wird damit unmissverständlich Bezug auf die natürliche Person genommen, um deren Versicherungsleistungen es geht oder deren Versicherteneigenschaft streitig ist. Im Vordergrund stand damit der in Erw. 6b/bb erwähnte Gedanke der räumlichen Nähe. Es sollte zudem ein einheitlicher Gerichtsstand geschaffen werden, was sich insbesondere auch daraus ergibt, dass der bisherige Wahlgerichtsstand (Wohnsitz des Klägers oder Sitz der Anstalt [SUVA]; Art. 120 Abs. 2 KUVG) fallengelassen werden sollte. Dies einerseits wegen Überlastung des Versicherungsgerichts des Kantons Luzern (Sitz der SUVA) und andererseits wegen des Nachteils für den Versicherten, die örtlichen Verhältnisse nicht zu kennen und die Verhandlungen in einer Sprache führen zu müssen, welche er nicht versteht (S. 158 des Expertenberichts). In der Botschaft zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 18. August 1976 (BBl 1976 III 141; Separatausgabe S. 38 f. und 86) werden zur Neuordnung der Zuständigkeit im wesentlichen die Argumentation und die Vorschläge der Expertenkommission übernommen. Art. 107 Abs. 2 des Entwurfs deckt sich denn auch inhaltlich mit dem Vorschlag der Expertenkommission. Der in der Botschaft vorgeschlagene Gesetzestext zu Art. 107 UVG fand in der parlamentarischen Beratung oppositionslos Zustimmung und wurde nur insoweit redaktionell abgeändert, als in Abs. 2 Satz 2 das Wort "Versicherungsträger" durch "Versicherer" ersetzt wurde.
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Ein ausdrücklicher gesetzgeberischer Wille, die örtliche Zuständigkeit für ![]() | 14 |
d) aa) Würde der Ansicht der SUVA gefolgt, auch das kantonale Gericht am Sitz der beschwerdeführenden anderen Sozialversicherung als örtlich zuständig zu erklären, wären die gesetzgeberischen Absichten (Beurteilung durch ein Gericht, das in einer räumlichen Nähe zum Versicherten steht; einheitlicher Gerichtsstand) wieder in Frage gestellt. Weiter bestünde durch Mehrfachprozesse auch die Gefahr sich widersprechender Urteile (BGE 113 II 355 f. Erw. 2a). Wie die Vorinstanz nämlich zu Recht darauf hinweist, ist es keineswegs ausgeschlossen, dass sowohl eine versicherte Person als auch eine andere Sozialversicherung unabhängig voneinander bei je einem anderen kantonalen Gericht Beschwerde gegen den nämlichen Einspracheentscheid erheben. Welches Gericht in einem solchen Fall örtlich zuständig sein soll, ist nicht geregelt. Wohl enthält Art. 129 Abs. 2 UVV eine koordinationsrechtliche Bestimmung (vgl. dazu RKUV 1997 Nr. U 276 S. 195), wonach der versicherten Person die Beschwerde einer anderen Sozialversicherung zur Vernehmlassung zuzustellen ist. Allein, es besteht weder eine Pflicht des Versicherten zur Antwort noch zur Mitteilung, dass er bereits anderswo selbst eine Beschwerde eingereicht habe. Der Fall, dass zwei kantonale Gerichte voneinander unabhängig denselben Sachverhalt zu beurteilen haben, könnte somit durchaus eintreten. Im übrigen kann nebst dem Krankenversicherer auch anderen Sozialversicherungsträgern wie Pensionskassen (BGE 120 V 352) sowie auch dem Arbeitgeber (BGE 106 V 219; RKUV 1989 Nr. U 73 S. 239) die Beschwerdelegitimation zukommen. Auch diese wären als "Betroffene" zu betrachten, womit sich die Gefahr von Mehrfachprozessen noch erhöht.
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bb) Der Lösungsvorschlag der SUVA, zur Vermeidung von Mehrfachprozessen die örtliche Zuständigkeit am Sitz der anderen Sozialversicherung davon abhängig zu machen, dass die versicherte Person selbst keine Beschwerde erhebt, lässt sich mit dem Wortlaut von Art. 107 Abs. 2 UVG nicht vereinbaren und würde zu grossen Unsicherheiten führen. Wenn die andere ![]() | 16 |
e) Zusammenfassend ergibt sich, dass örtlicher Anknüpfungstatbestand nach Art. 107 Abs. 2 UVG in jedem Fall der Wohnsitz der Person ist, um deren Versicherungsleistungen es geht oder deren Versicherteneigenschaft streitig ist. Daher ist es unerheblich, ob der Versicherte selbst oder eine andere Sozialversicherung gegen den Einspracheentscheid des Unfallversicherers Beschwerde führt. Die Beschwerde ist beim Gericht am Wohnsitz des Versicherten zu erheben. Vorbehalten bleiben die Fälle nach Art. 107 Abs. 2 Satz 2 UVG. Zu Recht hat daher die Vorinstanz im angefochtenen Zwischenentscheid ihre Zuständigkeit bejaht, nachdem die Versicherte ihren Wohnsitz im Kanton Thurgau hat.
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