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59. Urteil vom 19. Oktober 1998 i.S. Helsana Versicherungen AG gegen M. und Obergericht des Kantons Schaffhausen | |
Regeste |
Art. 25 ff., Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 18 lit. c Ziff. 7 KLV: Zahnärztliche Behandlung infolge schwerer psychischer Erkrankung mit konsekutiver schwerer Beeinträchtigung der Kaufunktion. |
Die Empfehlungen in dem von der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO herausgegebenen Atlas der Erkrankungen mit Auswirkungen auf das Kausystem sind für den Sozialversicherungsrichter nicht verbindlich. | |
Sachverhalt | |
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Die Helsana lehnte die Übernahme der Kosten für die im Voranschlag vorgesehene Behandlung ab, da es sich nicht um eine Pflichtleistung handle (Vorbescheid vom 18. Oktober 1996, Verfügung vom 11. Februar 1997, Einspracheentscheid vom 25. März 1997).
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C.- Die Helsana erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der Vorinstanz sei aufzuheben. Sie führt aus, es werde von keiner Seite bestritten, dass die Anorexia nervosa und die Bulimie zu den neuropsychischen Störungen gehörten, die von der Krankenpflege-Leistungsverordnung erfasst seien. Ebenso sei unbestritten, dass die Versicherte an diesen Essstörungen leide. Indessen seien die zahnärztlichen Massnahmen in diesen Fällen auf die vom Atlas der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft (SSO-Atlas) empfohlenen Leistungen der professionellen Instruktion des Versicherten und auf Prophylaxemassnahmen, Fluoridierung und Recall mindestens zweimal jährlich beschränkt. Die zahnärztlichen Behandlungen würden so zusammen mit der psychiatrischen Betreuung einen Behandlungskomplex darstellen. Die von Dr. med. dent. S. im Voranschlag vorgesehene Behandlung beinhalte u.a. die definitive Sanierung mehrerer defekter Zähne und gehe weit über die Sicherstellung einer professionellen Zahnhygiene und Prophylaxe hinaus. Für diese Kosten habe sie nicht aufzukommen.
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M. und das Bundesamt für Sozialversicherung lassen sich nicht vernehmen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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c) Art. 18 KLV beschlägt die Pflichtleistungen des Krankenversicherers bei Folgezuständen schwerer Allgemeinerkrankungen gemäss Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG (konsekutive Behandlungen). Nach Art. 18 lit. c Ziff. 7 KLV sind die Kosten der zahnärztlichen Behandlung zu übernehmen, die durch schwere psychische Erkrankungen mit konsekutiver schwerer Beeinträchtigung der Kaufunktion bedingt sind.
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b) Eine schwere Beeinträchtigung der Kaufunktion muss vorliegendenfalls aufgrund der von Dr. med. dent. S. erhobenen Befunde und der von ihm vorgeschlagenen Sanierungsmassnahmen bejaht werden.
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c) Streitig ist die Frage, welche zahnärztlichen Massnahmen als Pflichtleistungen zu übernehmen sind. Die Beschwerdeführerin lässt nur die professionelle Instruktion der Versicherten sowie Prophylaxemassnahmen gelten, während sie die Sanierung von Zähnen, wie sie Dr. med. dent. S. veranschlagt hat und die sie als definitiv bezeichnet, davon ausnimmt. Die Vorinstanz dagegen hat erkannt, dass bei schon bestehenden Zahnschäden blosse Prophylaxemassnahmen zum Schutz vor weiteren Schäden nicht ausreichten. In diesem Fall bedürfe es im Rahmen der Behandlung der bereits eingetretenen Folgen auch "eigentlicher Zahnbehandlungen". Soweit die SSO-Empfehlungen solche Massnahmen grundsätzlich ausschlössen, seien sie mit Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG nicht vereinbar.
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e) Zur Stützung ihres Standpunktes beruft sich die Beschwerdeführerin auf den SSO-Atlas. Dabei handelt es sich um Empfehlungen einer Berufsgruppe ohne jeglichen normativen Charakter. Sie sind für den Richter nicht verbindlich. Er kann sie bei seiner Entscheidung mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Er weicht anderseits von deren Inhalt ab, sofern sie mit den anwendbaren gesetzlichen Vorschriften nicht vereinbar sind. In den Empfehlungen zu Art. 18 lit. c Ziff. 7 KLV heisst es u.a., die eigentliche Zahnbehandlung sei nicht Bestandteil der Leistungspflicht nach KVG. Die "zahnärztliche Rekonstruktion" bzw. die "definitive Rekonstruktion zur Erhaltung der Kaufähigkeit" erfolge erst nach der Heilung des Grundleidens. Es ist unklar, ob unter den Begriffen der (definitiven) "Rekonstruktion" und der "eigentlichen Zahnbehandlung" Verschiedenes zu verstehen ist. In jedem Fall ist unklar, ob mit der "eigentlichen Zahnbehandlung" wirklich eine Behandlung gemeint ist, die als Folge der schweren Allgemeinerkrankung nötig ist. Sollte dies zutreffen, wären die Empfehlungen in diesem Punkte, wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, mit dem Gesetz nicht vereinbar.
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f) Die Behandlung muss, damit deren Kosten als Pflichtleistung vom Versicherer zu übernehmen sind, nicht nur notwendig, sondern nach ![]() | 14 |
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