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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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67. Auszug aus dem Urteil vom 28. Dezember 1998 i.S. I. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen | |
Regeste |
Art. 4 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK. | |
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Für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren in Streitigkeiten aus dem Bereich der obligatorischen Unfallversicherung schreibt Art. 108 Abs. 1 UVG ![]() | 3 |
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b) Das Schweizerische Bundesgericht hat in einem älteren Entscheid eine allgemeine Protokollierungspflicht für das Verwaltungsverfahren verneint (BGE 74 I 10). In BGE 106 Ia 73 hat es entschieden, dass die wesentlichen Ergebnisse eines Augenscheins in einem Protokoll, Aktenvermerk oder wenigstens in den Erwägungen des Entscheids klar festzuhalten sind. Im übrigen hat es die Protokollierungspflicht von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht.
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4. a) Was die hier streitige Protokollierung einer Gerichtsverhandlung betrifft, erschöpft sich der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht darin, dass sich die Parteien zur Sache äussern und Beweisanträge stellen können. Das rechtliche Gehör ist nur dann gewahrt, wenn das Gericht die Ausführungen und Eingaben auch tatsächlich zur Kenntnis nimmt und ![]() | 6 |
b) Im vorliegenden Fall hat das kantonale Versicherungsgericht am 29. Januar 1998 eine Parteiverhandlung durchgeführt, an welcher sich der Beschwerdeführer, dessen Rechtsvertreter sowie der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin geäussert haben. Dabei wurden dem Beschwerdeführer seitens der Vorinstanz Zusatzfragen gestellt; auch wurden die Parteien dazu aufgefordert, zu bestimmten Punkten Stellung zu nehmen. Nach den vom kantonalen Gericht nicht bestrittenen Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hatte die Parteiverhandlung zumindest teilweise entscheidwesentliche Punkte zum Gegenstand. Das Gericht wäre daher gehalten gewesen, diese in einem Verhandlungsprotokoll festzuhalten. Indem es dies unterlassen hat, hat es den Beschwerdeführer im Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
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An diesem Ergebnis vermögen die Vorbringen der Vorinstanz in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts zu ändern. Der Umstand, dass der zuständige Referent während der Verhandlungen im Referat oder Urteilsentwurf jeweils Randnotizen zu den angesprochenen Punkten vornimmt, vermag ein formelles Protokoll schon deshalb nicht zu ersetzen, weil die entsprechenden Bemerkungen - wie der vorliegende Fall zeigt - nicht Bestandteil der Beschwerdeakten bilden und von den Parteien daher nicht zur Kenntnis genommen werden können. Zudem vermögen Handnotizen des Instruktionsrichters ein Verhandlungsprotokoll inhaltlich nicht entbehrlich zu machen.
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a) Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders schwerwiegende (BGE 116 V 185 f. Erw. 1b mit Hinweisen) - Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt gelten, wenn der Betroffene die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Die Heilung eines - allfälligen - Mangels soll aber die Ausnahme bleiben (BGE 124 V 183 Erw. 4a, BGE 120 V 83 f. Erw. 2a, BGE 118 V 315 Erw. 3c, BGE 116 V 32 Erw. 3, 185 f. Erw. 1b, je mit Hinweisen).
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b) Der vorliegende Verfahrensmangel wiegt zwar insofern nicht besonders schwer, als der Beschwerdeführer im letztinstanzlichen Verfahren sämtliche Tatsachen und Einwendungen vor einer über umfassende Kognition verfügenden richterlichen Behörde vorbringen kann (Art. 132 OG). Dem Eidg. Versicherungsgericht ist es mangels eines entsprechenden Protokolls indessen verwehrt, über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Kenntnis der Ergebnisse der kantonalen Parteiverhandlung zu entscheiden. Weil eine nachträgliche Beibringung des Protokolls ausgeschlossen ist, kann der Mangel im letztinstanzlichen Verfahren nicht geheilt werden. Er lässt sich auch nicht dadurch heilen, dass das Eidg. Versicherungsgericht eine Parteiverhandlung anordnet (Art. 112 in Verbindung mit Art. 132 OG). Da sich im übrigen das Interesse des Beschwerdeführers offenbar nicht auf eine möglichst beförderliche Beurteilung der Ansprüche, sondern auf die Durchsetzung eines in formeller Hinsicht korrekten Verfahrens richtet, ist der angefochtene Entscheid praxisgemäss aufzuheben, ohne dass es darauf ankäme, ob Aussicht auf einen materiell andern Entscheid besteht (BGE 119 V 218 f. Erw. 6 mit Hinweisen). Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie eine ordnungsgemässe Verhandlung durchführe und hierauf neu entscheide.
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