![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
34. Auszug aus dem Urteil vom 3. März 1999 i.S. J.G. und U.G. gegen Eidg. Ausgleichskasse und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 10 Abs. 1 AHVG; Art. 28 Abs. 4 AHVV; Art. 4 BV. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B.- Beschwerdeweise beantragten J.G. und U.G. die Aufhebung der Verfügung vom 13. März 1997 mit der Begründung, dass die Beiträge jedes Ehegatten unter Berücksichtigung des hälftigen Renteneinkommens und des dem jeweiligen Ehegatten gehörenden Vermögens, nicht aber des hälftigen Vermögens beider Ehegatten ![]() | 2 |
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern trat auf die Beschwerde beider Ehegatten ein und wies sie ab mit der Begründung, dass sich die auf dem Verordnungsweg geregelten Berechnungsgrundlagen der Beitragspflicht der nichterwerbstätigen Ehefrau eines nichterwerbstätigen Ehemannes im gesetzlichen Rahmen hielten und - als Folge der Beitragsplafonierung - eine Benachteiligung der verheirateten Paare sich nur ergebe, wenn der eine Partner über sehr viel mehr Vermögen verfüge als der andere; bei etwas geringerem Vermögen würden verheiratete Paare - infolge der Beitragsprogression - bevorteilt. Zudem seien schon unter dem alten Recht die Beiträge des nichterwerbstätigen Ehemannes unter Anrechnung des Vermögens der Ehefrau berechnet worden. Auch die Beitragsfestsetzung auf Grund des Repartitionswertes sei gesetzmässig (Entscheid vom 29. September 1997).
| 3 |
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuern J.G. und U.G. ihren vorinstanzlich gestellten Antrag. Die Ausgleichskasse verzichtet auf eine Vernehmlassung, da sie dafürhält, dass mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde politische, in einer Volksabstimmung bestätigte Grundsätze in Frage gestellt würden. Das Bundesamt für Sozialversicherung schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
| 4 |
Aus den Erwägungen: | |
5 | |
6 | |
b) Gemäss dem - durch die 10. AHV-Revision unverändert gelassenen - Art. 10 Abs. 1 AHVG bezahlen Nichterwerbstätige je nach ihren sozialen Verhältnissen einen AHV-Beitrag von 324 - 8400 Franken im Jahr. Gestützt auf Abs. 3 erlässt der Bundesrat nähere Vorschriften über die Bemessung der Beiträge. Im diesbezüglich unveränderten Art. 28 Abs. 1 AHVV bestimmte der Bundesrat, dass sich die Beiträge der Nichterwerbstätigen auf Grund ihres Vermögens und Renteneinkommens bemessen. Auf 1. Januar 1997 wurde Abs. 4 neu in Art. 28 AHVV mit folgendem Wortlaut eingefügt: "Ist eine verheiratete Person als Nichterwerbstätige beitragspflichtig, so bemessen sich ihre Beiträge auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens."
| 7 |
Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführenden in den Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 4 AHVV fallen und dass die Ausgleichskasse den Beitrag des Ehemannes für 1997 entsprechend der Verordnungsbestimmung richtig berechnet hat.
| 8 |
9 | |
b) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbstständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein ![]() | 10 |
c) Vorerst ist zu prüfen, ob sich Art. 28 Abs. 4 AHVV im Rahmen der Delegationsnorm von Art. 10 Abs. 1 AHVG hält.
| 11 |
aa) Das Eidg. Versicherungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass sich Art. 28 Abs. 1 AHVV, wonach Nichterwerbstätige die Beiträge auf Grund ihres Vermögens und Renteneinkommens zu bezahlen haben, im Rahmen der Bestimmung von Art. 10 Abs. 1 AHVG hält, der die Bemessung der Beiträge der Nichterwerbstätigen nach ihren sozialen Verhältnissen vorsieht (BGE 105 V 243 Erw. 2 mit Hinweisen, ZAK 1984 S. 484). Weder die Festsetzung eines Mindest- und eines Maximalbeitrages noch die Erhöhung des Zuschlags bei einem Vermögen von Fr. 1'750'000.-- gaben unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit zu Beanstandungen Anlass.
| 12 |
bb) Vor der 10. AHV-Revision (vgl. Erw. 2a hievor) unterstand der nichterwerbstätige Ehemann der Beitragspflicht unabhängig von einer allfälligen Erwerbstätigkeit der Ehefrau. War diese ebenfalls nichterwerbstätig, hatte sie keine Beiträge zu leisten, während sie als Erwerbstätige beitragspflichtig war (Art. 1 Abs. 1 lit. b und Art. 4 Abs. 1 AHVG in der bis Ende Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung). In beiden Fällen wurden die Beiträge des Ehemannes gestützt auf sein eigenes Vermögen und Renteneinkommen ![]() | 13 |
cc) Wie das Bundesamt zu Recht ausführt, wäre es stossend, die bisherige Anrechnungspraxis nach Inkrafttreten der 10. AHV-Revision in dem Sinne weiterzuführen, dass bei beiden nunmehr beitragspflichtigen nichterwerbstätigen Ehegatten nicht nur das eigene Vermögen und Renteneinkommen, sondern auch dasjenige des andern Ehegatten voll angerechnet würde. Dies würde dazu führen, dass zwei Beiträge auf demselben Objekt erhoben würden. Der Bundesrat hat deshalb in Art. 28 Abs. 4 AHVV bestimmt, dass die Beiträge beider Ehegatten je auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens zu bemessen sind (vgl. dazu auch die Erläuterungen zur Änderung der AHVV in AHI-Praxis 1996 S. 24). Diese Regelung ist unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmässigkeit nicht zu beanstanden. Sie stellt vielmehr eine sachgerechte Anpassung der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, wonach die sozialen Verhältnisse der Beitragspflichtigen mitbestimmt sind von den finanziellen Mitteln, über die der andere Ehegatte verfügt und auf die dieser bei der Ausübung der ehelichen Beistands- und Unterhaltspflicht allenfalls zu greifen hat, an die gesetzliche Statuierung der Beitragspflicht beider Ehegatten dar. Es ![]() | 14 |
d) Die Beschwerdeführenden rügen weiter, dass Art. 28 Abs. 4 AHVV gegen Art. 4 BV verstosse, da die Regelung eine Benachteiligung gegenüber ledigen Beitragspflichtigen, und zwar sowohl allein lebenden wie auch solchen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, bewirke. Das Bundesamt vertritt demgegenüber die Auffassung, bezogen auf alle zu regelnden Sachverhalte, d.h. nicht nur auf die vorliegende Situation, würden die Ehepaare im Vergleich zu individuell verabgabenden Konkubinatspaaren nicht höher belastet, sodass die Verordnungsbestimmung verfassungsmässig sei.
| 15 |
aa) Werden die Beschwerdeführenden je für sich als Beitragssubjekte betrachtet, ist vorweg festzustellen, dass vorliegend lediglich die weniger vermögliche Ehefrau - verglichen mit unverheirateten Beitragspflichtigen in gleicher finanzieller Lage - infolge der teilweisen Anrechnung des Vermögens des Ehemannes höhere Beiträge zu entrichten hat; der vermögendere Ehemann wird durch die Bemessungsvorschrift dagegen entlastet. Es ist zu prüfen, ob das Vorliegen der eherechtlichen Beitrags- und Unterhaltspflicht gemäss Art. 163 Abs. 1 ZGB, welche die gegenseitige Anrechnung begründet (vgl. Erw. 3c/bb hievor), aber unter Konkubinatspaaren fehlt, einen vernünftigen Grund für die unterschiedliche Beitragsbemessung darstellt.
| 16 |
Wird die gesamte Beitragslast beider Ehegatten mit derjenigen eines Konkubinatspaares in gleichen finanziellen Verhältnissen verglichen, ist im vorliegenden Fall eine Benachteiligung festzustellen. Grund ist die Plafonierung der Beitragspflicht gemäss Art. 10 Abs. 1 AHVG. Diese bewirkt, dass die aus Art. 28 Abs. 4 AHVV resultierende Belastung der Ehefrau, verglichen mit einer unverheirateten Beitragspflichtigen in gleicher finanzieller Lage, grösser ist als die - infolge der Plafonierung begrenzte - höhere Beitragspflicht eines unverheirateten Versicherten in der finanziellen Situation des Ehemannes. Das Bundesamt bemerkt richtig, dass ohne die Plafonierung die Ungleichbehandlung entschärft wäre. Die Vorinstanz weist anderseits zutreffend darauf hin, dass die infolge der ![]() | 17 |
e) Es ist zu prüfen, ob der Bundesrat verpflichtet gewesen wäre, bei der Beitragsbemessung nichterwerbstätiger verheirateter Personen der Plafonierung, dem abgestuften Zuschlag und der sich daraus allenfalls ergebenden unterschiedlichen Beitragsbelastung von Ehe- und Konkubinatspaaren ausgleichend Rechnung zu tragen.
| 18 |
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der auf Art. 4 Abs. 1 BV gestützte Anspruch verheirateter Personen auf Gleichbehandlung mit solchen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben - und umgekehrt -, nicht absolut, sondern er wird unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des jeweiligen Regelungsbereichs beurteilt. So wurde in BGE 110 Ia 7 für das Gebiet des Einkommens- und Vermögenssteuerrechts gestützt auf Art. 4 Abs. 1 BV entschieden, dass ein Ehepaar nicht mehr Steuern zu bezahlen hat als ein unverheiratetes Paar mit zusammengerechnet dem gleichen Einkommen. Ausgehend vom Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, wie er sich nach dieser Rechtsprechung aus dem Gebot der Rechtsgleichheit ergibt, hat die Steuergesetzgebung darauf zu achten, dass Ehepaare untereinander und im Vergleich zu unverheirateten Paaren nach Massgabe der ihnen zustehenden Mittel gleichmässig belastet werden (vgl. auch BGE 118 Ia 1, StR 47 [1992] S. 440, ASA 60 [1991/92] S. 279). In BGE 120 Ia 329 wurde diese Rechtsprechung dahingehend relativiert, dass der Vergleich nicht auf das Verhältnis Ehepaare/Konkubinatspaare beschränkt werden darf, sondern die Gesetzgebung für eine ausgewogene Steuerbelastung der verschiedenen Gruppen von Steuerpflichtigen - Verheiratete, Alleinstehende, unverheiratete Paare, je mit und ohne Kinder, in den verschiedenen Einkommensklassen - zu sorgen hat. Gewisse Unterschiede in der Steuerbelastung von Ehepaaren und Konkubinatspaaren sind dem Steuersystem (Faktorenaddition bei den Ehepaaren und getrennte Veranlagung der nicht verheirateten Paare, verbunden mit einem ![]() | 19 |
bb) Im Leistungsbereich des Sozialversicherungsrechts hat das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, dass die Auflösung einer eheähnlichen Gemeinschaft keinen "ähnlichen Grund" wie Ehetrennung oder -scheidung im Sinne von Art. 14 Abs. 2 AVIG darstellt (BGE 123 V 220 ff. Erw. 2). Der Begriff "mitarbeitende Familienglieder" gemäss Art. 22 Abs. 2 lit. c UVV umfasst die Konkubinatspartner/innen nicht (BGE 121 V 125). Beitragsrechtlich gilt die in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebende Frau, die den gemeinsamen Haushalt führt und dafür von ihrem Partner Kost und Logis sowie Taschengeld erhält - anders als die die gleiche Rolle versehende Ehefrau - als erwerbstätig (BGE 110 V 1; bestätigt in BGE 116 V 179 Erw. 2).
| 20 |
Nachdem sich in neuerer Zeit die Formen des Zusammenlebens mit dem zivilrechtlichen Status weniger decken als früher, wird in der Literatur die zivilstandsabhängige Ausgestaltung des Sozialversicherungsrechts kritisiert und, gestützt auf das Rechtsgleichheitsgebot, anstelle davon die Vergleichbarkeit von ![]() | 21 |
cc) Die - gemäss Art. 10 Abs. 1 AHVG für die Beiträge der Nichterwerbstätigen massgebenden - sozialen Verhältnisse brauchen sich bei einem Konkubinatspaar und einem Ehepaar bei insgesamt gleichen finanziellen Verhältnissen faktisch nicht zu unterscheiden. Dies würde für eine Gleichbehandlung in der Beitragsbemessung sprechen. Indessen ist nicht zu verkennen, dass das AHVG auch in anderer Hinsicht, insbesondere im Leistungsbereich, die in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden (unverheirateten) Personen nicht gleich behandelt wie die verheirateten. So ist die Plafonierung der Renten (Art. 35 AHVG), die Teilung der Einkommen, Erziehungs- und Betreuungsgutschriften (Art. 29quinquies Abs. 3 - 5, 29sexies Abs. 3 und 29septies Abs. 6 AHVG), der Anspruch auf Witwen- und Witwerrente (Art. 23 - 24a AHVG) und die Befreiung von der Beitragszahlung (Art. 3 Abs. 3 AHVG) nur für verheiratete oder verheiratet gewesene Personen statuiert. Gerade die seit 1. Januar 1997 geltende Teilung von Einkommen und Gutschriften knüpft an den Zivilstand der Ehe an und ist unter Konkubinatspaaren nicht vorgesehen. Wenn die Vorschriften zur Bemessung der Beiträge - die der Leistungsfinanzierung dienen - ebenfalls an den Zivilstand anknüpfen und die sozialen Verhältnisse unter Berücksichtigung der eherechtlichen Beitrags- und Unterhaltspflicht konkretisieren, kann dies nicht als sachlich unbegründet qualifiziert werden. Diese Ungleichbehandlungen im übrigen Regelungsbereich sind bei der Beurteilung der Verfassungsmässigkeit, wie in Erw. 3e/aa dargestellt, zu berücksichtigen. So sind insbesondere Ungleichheiten im Beitragsrecht in einem Regelungsbereich, der auch auf der Leistungsseite die Zivilstände ungleich behandelt, eher hinzunehmen als bei Steuern, die sog. voraussetzungslos und nicht als Äquivalent für eine staatliche Leistung geschuldet sind (vgl. dazu auch BGE 112 Ia 264 Erw. 5b).
| 22 |
Da die Ungleichbehandlung somit sachlich begründet ist, war der Bundesrat weder verpflichtet, die für vermögliche Ehepaare und Konkubinatspaare unterschiedliche Auswirkung der Plafonierung gemäss Art. 10 Abs. 1 AHVG (und der Zuschlagsabstufung gemäss Art. 28 Abs. 1 AHVV) verordnungsmässig auszugleichen (vgl. ZAK 1984 S. 485 Erw. 2c), noch war er verpflichtet, von einer ![]() | 23 |
dd) Ob anders zu entscheiden wäre, wenn die Beitragsbemessung gemäss Art. 28 AHVV für einen grossen Teil der verheirateten verglichen mit den in eheähnlichen Verhältnissen lebenden Paaren eine erhebliche Beitragsdifferenz bewirken würde, kann vorliegend ebenso offen gelassen werden wie die Frage, ob auch bei Konkubinatspaaren eine gegenseitige Vermögensanrechnung verfassungsmässig ausgestaltet werden könnte.
| 24 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |