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27. Urteil vom 3. April 2000 in Sachen L. gegen Personalfürsorgestiftung der Firma X und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 73 Abs. 2 BVG; Art. 103 Abs. 4 AVIG; Art. 97, Art. 101 und Art. 128 OG; Art. 5 Abs. 1 VwVG: Anfechtbarkeit von auf kantonalem Verfahrensrecht beruhenden Entscheiden. Die bundesrechtliche Verfügungsgrundlage bestimmt sich danach, ob der materiellrechtliche Streitgegenstand dem Bundessozialversicherungsrecht angehört. Zwischen- und Endentscheide kantonaler Gerichte in Bundessozialversicherungsstreitigkeiten über kantonales Verfahrensrecht sind daher mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidg. Versicherungsgericht anfechtbar, unabhängig davon, ob in der Hauptsache selbst Beschwerde geführt wird (Änderung der Rechtsprechung). | |
Sachverhalt | |
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B.- Hiegegen reichte L. staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht ein mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, soweit sie zur Ausrichtung einer Parteientschädigung verpflichtet worden sei. Mit Verfügung vom 24. Februar 1998 wies der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch um aufschiebende Wirkung der staatsrechtlichen Beschwerde ab und ordnete im Hinblick auf einen beim Eidg. Versicherungsgericht hängigen Fall die Sistierung des Beschwerdeverfahrens an.
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In der Folge gab das Eidg. Versicherungsgericht den Parteien nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme. L. hält an ihren Rechtsbegehren fest, soweit diese nicht bereits beurteilt worden sind. Die Personalfürsorgestiftung schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherung enthält sich eines Antrags.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Nach ständiger Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts beruhen Entscheide auf dem Gebiet der beruflichen Vorsorge und der Arbeitslosenversicherung, mit welchen kantonale Versicherungsgerichte obsiegenden Versicherten eine Parteientschädigung zusprechen, auf kantonalem Recht, weil die Art. 73 BVG und Art. 103 AVIG im Unterschied zu den andern Sozialversicherungszweigen keinen bundesrechtlichen Anspruch auf Parteientschädigung einräumen (BGE 124 V 286 Erw. 2 mit Hinweisen, BGE 112 V 111 Erw. 2c; ARV 1990 Nr. 11 S. 64 Erw. 2a). Hinsichtlich Art. 103 AVIG geht diese Praxis auf einen Meinungsaustausch vom 28. September 1995 mit der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts zurück (nicht veröffentlichtes Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 9. April 1996 i.S. G.).
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Hingegen steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde dann offen, wenn ein auf kantonalem Prozessrecht beruhender Nichteintretensentscheid Bundesrecht verletzt oder die Anwendung des materiellen Bundesrechts verunmöglicht (BGE 120 Ib 382 Erw. 1b, BGE 114 V 205 Erw. 1a, BGE 112 V 112, je mit Hinweisen; SVR 1998 UV Nr. 10 S. 25) oder die Rüge erhoben wird, es hätte statt kantonales richtigerweise eidgenössisches Recht angewandt werden müssen (BGE 109 V 232 Erw. 2a; SVR 1998 UV Nr. 10 S. 25).
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c) Demgegenüber kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bei einem sich in der Sache auf Bundesverwaltungsrecht stützenden kantonalen Entscheid mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kraft Sachzusammenhangs auch die mit dem Entscheid verbundene, auf selbstständigem kantonalen Recht beruhende Kosten- und Entschädigungsregelung wegen Verletzung von Bundes(verfassungs)recht mitangefochten werden, ohne dass es darauf ankommt, ob über diese prozessualen Nebenfolgen bundesverwaltungsrechtliche Normen bestehen oder die Einhaltung solcher Normen streitig ist (BGE 123 II 361 Erw. 1a/aa [sog. gemischtrechtliche Verfügungen], BGE 122 II 277 Erw. 1b/aa mit Hinweisen). Voraussetzung ist, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch in der Sache selber ergriffen wird, andernfalls bei selbstständigem kantonalen Verfahrensrecht nur die staatsrechtliche Beschwerde offen steht (BGE 122 II 278 Erw. 1b/bb; vgl. auch BGE 123 I 276 Erw. 2 in Zusammenhang mit der unentgeltlichen Rechtspflege).
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2. a) Ausgangspunkt der bisherigen Rechtsprechung bildet die Anknüpfung an das für die sachliche Zuständigkeit des Eidg. Versicherungsgerichts ausschlaggebende Erfordernis, wonach die Verfügungsgrundlage auf Bundessozialversicherungsrecht beruhen muss (Art. 128 OG in Verbindung mit Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG und Art. 5 VwVG). Diese bundesrechtliche Verfügungsbasis als Eintretensvoraussetzung bezieht sich nicht nur auf Entscheidungen ![]() | 10 |
b) Im Sozialversicherungsprozess als Teil der Bundesverwaltungsrechtspflege gilt der Grundsatz der Einheit des Prozesses (BGE 125 V 341 Erw. 3a, BGE 123 V 114 Erw. 3, BGE 123 I 278 Erw. 2e, BGE 122 II 277 Erw. 1b/aa, BGE 114 V 202 Erw. 2c). Dieser Grundsatz, der auch in Art. 101 OG verankert ist (BGE 125 II 311 Erw. 4j, 122 II 190 Erw. 1d/aa, BGE 111 Ib 75 Erw. 2a; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994, S. 301), findet nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sinngemäss u.a. dann Anwendung, wenn eine auf öffentliches Recht des Bundes gestützte Verfügung nicht nur in der Hauptsache, sondern auch in Bezug auf die kantonalrechtliche Kostenverlegung angefochten wird; die strittigen prozessualen Nebenfolgen werden zufolge ihres engen Sachzusammenhangs mit den zu beurteilenden Fragen des Bundesverwaltungsrechts im verwaltungsgerichtlichen und nicht im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren beurteilt. Anders verhält es sich, wenn vor Bundesgericht ausschliesslich der Kostenpunkt beanstandet wird und sich dieser auf kantonales Recht stützt (BGE 122 II 277 f. Erw. 1b/aa und bb). Eine weiter gehende Auffassung wird im Schrifttum vertreten. Danach folgt aus dem Grundsatz der Einheit des Prozesses, dass der Streitgegenstand des Verfahrens dem öffentlichen Recht des Bundes angehört, selbst wenn es um die Anfechtung eines reinen kantonalrechtlichen Prozessentscheides geht. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Recht, das für den eigentlichen Streitgegenstand bestimmend ist (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., 1983, S. 87; derselbe, Zur sachlichen Zuständigkeit in der Bundesverwaltungsrechtspflege, in: recht 1987 S. 89 f.). Diese weiter gehende Lösung erscheint für den Sozialversicherungsprozess, der in allen Zweigen bundesrechtliche Mindestanforderungen an das kantonale Verfahren enthält und nebst dem ![]() | 11 |
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a) Das Bundesrecht schreibt den Kantonen in sämtlichen Sozialversicherungszweigen als Regel ein kostenloses Verfahren vor; ausnahmsweise können in Fällen leichtsinniger oder mutwilliger Beschwerdeführung die Verfahrenskosten auferlegt werden (Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG, Art. 103 Abs. 4 AVIG [nur bei mutwilliger Beschwerdeführung], Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG, Art. 87 lit. a KVG, Art. 106 Abs. 2 lit. a MVG). Bei der Möglichkeit zur Kostenauflage im kantonalen Verfahren wegen mutwilliger oder leichtsinniger Prozessführung handelt es sich um einen allgemeinen prozessualen Grundsatz des Bundessozialversicherungsrechts, der auch im Rahmen von Art. 73 Abs. 2 BVG zur Anwendung gelangt ![]() | 15 |
Nach Art. 159 Abs. 2 OG darf im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegenden Behörden oder mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen werden. In Anwendung dieser Bestimmung hat das Eidg. Versicherungsgericht der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt und den privaten UVG-Versicherern sowie - von Sonderfällen abgesehen - den Krankenkassen keine Parteientschädigungen zugesprochen, weil sie als Organisationen mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu qualifizieren sind (BGE 112 V 361 Erw. 6 mit Hinweisen). Das hat grundsätzlich auch für die Trägerinnen oder Versicherer der beruflichen Vorsorge gemäss BVG zu gelten (BGE 118 V 169 Erw. 7, BGE 117 V 349 Erw. 8 mit Hinweis).
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b) Der nach geltendem Recht in allen Sozialversicherungszweigen gesetzlich festgeschriebene Grundsatz der Kostenfreiheit ist ein tragendes Prinzip des Sozialversicherungsprozesses, das der oft sozial schwachen Partei die Möglichkeit einräumen will, ihre Rechte oder Ansprüche auf Leistungen der Sozialversicherung gegen einen öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmenden Sozialversicherer gerichtlich durchzusetzen. Die auch in Art. 73 Abs. 2 BVG und Art. 103 Abs. 4 AVIG angeordnete Kostenfreiheit würde weitgehend ihres Gehaltes entleert, wenn die versicherte Person im Unterliegensfall damit rechnen muss, zwar keine Gerichtskosten, hingegen eine - wie im vorliegenden Fall - hohe Parteientschädigung an den obsiegenden Sozialversicherer zu bezahlen (vgl. auch BGE 124 II 510 Erw. 3 zu Art. 16 Abs. 1 OHG). Es rechtfertigt sich daher, den in den meisten Sozialversicherungszweigen und im letztinstanzlichen Verfahren geltenden Grundsatz, wonach der obsiegende Sozialversicherungsträger keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der Versicherten hat, auch im erstinstanzlichen ![]() | 17 |
c) Nach dem Gesagten hält die vorinstanzliche Zusprechung einer Parteientschädigung an die im kantonalen Verfahren obsiegende Vorsorgeeinrichtung vor Bundesrecht nicht stand, zumal die Klage der Beschwerdeführerin nicht als mutwillig oder leichtsinnig zu qualifizieren ist, weil die Abgrenzung zwischen Berufsvorsorge-, Zivil- und Aufsichtsrechtsweg schwer zu überblicken ist, wie das kantonale Gericht zu Recht festhält.
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