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42. Auszug aus dem Urteil vom 5. September 2001 i. S. Öffentliche Krankenkasse Basel gegen B. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt | |
Regeste |
Art. 29, Art. 64 Abs. 7 KVG: Kostenbeteiligung bei Behandlung von Schwangerschaftskomplikationen. |
- Die Unterscheidung der Leistungspflicht für normale und für Risikoschwangerschaften ist mit der ratio legis der Befreiung von der Kostenbeteiligung bei Mutterschaftsleistungen vereinbar. | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt hiess eine dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 5. Dezember 1997 im Wesentlichen mit folgender Begründung gut: Weder das KUVG noch das KVG enthielten eine Definition der Mutterschaft. Doch sei die Rechtslage unter dem geltenden KVG gleich geblieben, insbesondere bestehe keine wesentliche Abweichung in der Umschreibung der vom Krankenversicherer zu übernehmenden Leistungen sowie der Befreiung von der Kostenbeteiligung. Deshalb könne die Rechtsprechung zum KUVG auch in Fällen, die nach dem KVG zu beurteilen seien, übernommen werden. Demgemäss sei nur die normal verlaufende Schwangerschaft von der Kostenbeteiligung befreit, während Schwangerschaftskomplikationen als Krankheitsbehandlungen qualifiziert würden und deshalb einer Kostenbeteiligungspflicht unterlägen. Für eine derartige Unterscheidung sei indessen schon unter dem alten Recht kein stichhaltiger Grund ersichtlich gewesen. Der Sinn der Befreiung von der Kostenbeteiligung könne nur der sein, werdende Mütter kostenmässig zu schonen und damit Familienschutz zu betreiben, was nicht nur bei normalen Schwangerschaften gelte. Die getroffene Unterscheidung lasse sich daher nicht rechtfertigen. Da die Schwangerschaft umfassend verstanden werden müsse, seien auch Leistungen bei Schwangerschaftskomplikationen ohne Kostenbeteiligung zu erbringen.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die ÖKK die Aufhebung des kantonalen Entscheides.
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B. lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. (...) Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Gemäss Art. 29 KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung neben den Kosten für die gleichen Leistungen ![]() | 5 |
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a) Die Beschwerde führende ÖKK pflichtet der Vorinstanz darin bei, dass sich die Rechtslage mit dem Inkrafttreten des KVG nicht geändert und deshalb auch die bisherige Rechtsprechung zur Leistungspflicht bei Schwangerschaft weiterhin Geltung habe. Vorliegend seien in der 28. bzw. 29. Schwangerschaftswoche Wehen aufgetreten. Es liege deshalb kein normaler Schwangerschaftsverlauf vor. Da es um die Behandlung einer drohenden Frühgeburt, nicht aber um eine tatsächliche Früh- oder Fehlgeburt gegangen sei, könne auch nicht von einem Geburtsvorgang gesprochen werden. Der Spitalaufenthalt sei deshalb durch Krankheitsfall notwendig geworden, weshalb ein Selbstbehalt geschuldet sei. Entgegen der ![]() | 7 |
b) Das BSV führt in der Vernehmlassung aus, dass in der Botschaft des Bundesrates über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 darauf hingewiesen werde, Art. 29 KVG übernehme das bisherige Prinzip, wonach bei Mutterschaft Anrecht einerseits auf die gleichen Leistungen wie bei Krankheit (Art. 14 Abs. 1 KUVG) sowie andererseits auf spezifische Leistungen (Art. 14 Abs. 2 KUVG) bestehe. Dieser Verweis beziehe sich lediglich auf den Umfang der Leistungen bei Mutterschaft, sage aber nichts aus über die Erhebung der Kostenbeteiligung. Die bei Mutterschaft zu übernehmenden Leistungen seien in Art. 13 und 16 Abs. 1 KLV aufgeführt. Sämtliche Leistungen nach Art. 13 KLV seien Mutterschaftsleistungen und als solche von der Kostenbeteiligung ausgeschlossen, unabhängig davon, ob es sich um eine normale oder pathologische Schwangerschaft handle. Nach der Definition in Art. 2 Abs. 3 KVG beginne die Mutterschaft im Zeitpunkt der Empfängnis. Der Anspruch auf Mutterschaftsleistungen sei von keiner Schwangerschaftsdauer abhängig. Daraus ergebe sich, dass die gesamte Schwangerschaft als Mutterschaft zu verstehen sei, so dass sämtliche Leistungen, seien dies nun kassenpflichtige Kontrolluntersuchungen oder Leistungen infolge einer so genannten Schwangerschaftskomplikation, die im Zusammenhang mit einer Mutterschaft erbracht würden, Mutterschaftsleistungen seien, für welche nach dem klaren Wortlaut von Art. 64 Abs. 7 KVG keine Kostenbeteiligung erhoben werden dürfe. Dass die Qualifizierung als Mutterschaftsleistung nicht davon abhängig zu machen sei, ob die Schwangerschaft komplikationslos oder mit Risiken verlaufe, ergebe sich auch aus den Art. 13 ff. KLV, in welchen neben der normalen auch die Risikoschwangerschaft erwähnt werde.
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3. a) Nach altem Recht durften auf den Leistungen bei Mutterschaft (Art. 14 KUVG) kein Selbstbehalt und keine Franchise erhoben werden (Art. 14bis Abs. 2 lit. d KUVG). Unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zum 1964 revidierten Art. 14 hatte das ![]() | 9 |
b) Zu Recht unbestritten ist, dass im KVG die Umschreibung der Leistungen bei Mutterschaft unverändert aus dem bisherigen Recht übernommen worden ist. Denn in der bundesrätlichen Botschaft über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 (BBl 1992 I 93) wird zu Art. 23 KVG-E (= Art. 29 Abs. 1 KVG) ausgeführt (BBl 1992 I 155), diese Bestimmung entspreche der bisherigen Regelung, wonach bei Mutterschaft Anrecht einerseits auf die gleichen Leistungen wie bei Krankheit und andererseits auf spezifische Leistungen bestehe. In Absatz 2 von Art. 23 KVG-E würden die spezifischen Leistungen bei Mutterschaft (nämlich: Kontrolluntersuchungen, Entbindungskosten und Stillberatung) aufgeführt, die zusätzlich zu den Leistungen gemäss Abs. 1 gedeckt seien. Wie im geltenden Recht sollen Leistungen bei Mutterschaft von der Kostenbeteiligung ausgenommen sein (BBl 1992 I 197 zu ![]() | 10 |
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b) Vorliegend käme eine Praxisänderung nur in Frage, wenn die bisherige Rechtsprechung als unrichtig zu erkennen wäre und die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis entspräche. Die ![]() | 12 |
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Entgegen der summarischen Begründung der Vorinstanz hatte und hat die Unterscheidung der Leistungen je nach Schwangerschaftsverlauf durchaus stichhaltige Gründe. Diese liegen in der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte von Art. 14 KUVG. Dieser regelte ursprünglich die "Leistungen an Wöchnerinnen"; namentlich war das Wochenbett einer versicherten Krankheit gleichgestellt (Abs. 1) und es bestand, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt waren, Anspruch auf die für Krankheitsfälle vorgesehenen Leistungen während mindestens sechs Wochen (Abs. 2). Diese Leistungen unterlagen der Selbstbeteiligung (alt Art. 13 Abs. 4 KUVG). Die zuletzt gültig gewesene Fassung erhielt Art. 14 KUVG mit der Gesetzesnovelle vom 13. März 1964 (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 5. Juni 1961 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Änderung des Ersten Titels des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung [BBl 1961 I 1417]). Jene Revision bezweckte in vielen Bereichen einen Leistungsausbau (BBl 1961 I 1424 ff.). Der Bundesrat führte dazu aus, dass die Schaffung einer obligatorischen Mutterschaftsversicherung nicht realisierbar erscheine, weshalb nun die Leistungen bei Mutterschaft ausgebaut werden sollten (BBl 1961 I 1435 ff.). Das bereits bestehende System der Kostenbeteiligung (alt Art. 13 Abs. 4 KUVG) tastete er im Grundsatz nicht an, gestaltete es aber neu. Er machte diesbezüglich darauf aufmerksam, dass es Fälle (z.B. Mutterschaft) gebe, bei denen sich die Erhebung eines Selbstbehalts nicht rechtfertige. Die durch den Gesetzesentwurf, u.a. beim Wochenbett, vorgesehenen Leistungsverbesserungen dürften nicht durch die Belastung mit einem Selbstbehalt illusorisch gemacht werden (BBl 1961 I 1453 Ziff. 4e). Diese neuen spezifischen Mutterschaftsleistungen waren in Art. 14 Abs. 2 KUVG aufgezählt. Im Kontext der bundesrätlichen Botschaft kam die Kostenbeteiligungsfreiheit nur dort zum Tragen, wo weder direkt noch gestützt ![]() | 13 |
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