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59. Urteil vom 21. Dezember 2001 i. S. Assura Kranken- und Unfallversicherung gegen L. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt | |
Regeste |
Art. 39 Abs. 1 lit. d und e sowie Art. 41 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 KVG: Anwendbarer Tarif bei stationärer Behandlung durch ausserkantonalen Leistungserbringer. |
- Anwendbarer Tarif für die stationäre Behandlung einer in der Stadt Basel wohnhaften Versicherten in einer im Kanton Basel-Landschaft gelegenen - auf der gemeinsamen Spitalliste der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft verzeichneten - Klinik. | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Versicherungsdreiergericht Basel-Stadt hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 11. April 2000 gut, indem es die Assura verpflichtete, L. den noch offenen Betrag von Fr. 4543.40 aus der Rechnung der Klinik B. vom 1. März 1999 (zusätzlich zu den bereits an die Klinik geleisteten Fr. 1900.-) zu bezahlen.
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C.- Hiegegen führt die Assura Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei ihr Einspracheentscheid vom 4. Januar 2000 zu bestätigen.
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L. lässt mit Vernehmlassung die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen und ersucht gleichzeitig um unentgeltliche Verbeiständung. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) vertritt die Ansicht (Stellungnahme vom 6. November 2000), falls die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin in grundsätzlicher Hinsicht bejaht werde, richte sich die Kostenübernahme gemäss Art. 41 Abs. 1 KVG nach dem im Kanton Basel-Stadt gültigen Spitaltarif.
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D.- In Bezug auf die nachträglich eingeholte, per 1. Januar 1998 in Kraft getretene gemeinsame Spitalliste der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft hält die Versicherte fest, ein Vergleich der aufliegenden Listen zeige, dass die Klinik B. auch bereits auf der ab 1. Januar 1998 gültigen gemeinsamen Spitalliste verzeichnet gewesen ![]() | 5 |
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Das kantonale Gericht erkannte zutreffend, dass, auch wenn sich die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin nach dem am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen KVG regelt, die Frage des Verhältnisses zwischen dem Krankenversicherer und dem haftpflichtigen Dritten nach dem im Zeitpunkt des Unfalles geltenden Recht zu beurteilen ist (vgl. GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 397 Fn 995). Das im Zeitpunkt des Unfalles vom 31. Mai 1991 geltende KUVG kannte keine Subrogation des Krankenversicherers in die Haftpflichtansprüche des geschädigten Versicherten gegen haftpflichtige Dritte. Der Versicherte konnte somit damals über seine gesamten Haftpflichtansprüche frei verfügen, sodass der Krankenversicherer - jedenfalls nach voller Entschädigung durch Erfüllung einer Saldovereinbarung - gestützt auf das Überentschädigungsverbot keine Leistungen mehr zu erbringen hatte (vgl. RKUV 1988 Nr. K 768 S. 199 ff. Erw. 1). Weiter stellte die Vorinstanz richtig fest, die Auslegung der Saldovereinbarung vom 27. Oktober/6. November 1997 nach dem Vertrauensprinzip ergebe, dass nach dem Inhalt der Verhandlungen zwischen der Versicherten und dem Haftpflichtversicherer die Behandlungskosten nicht Gegenstand der Einigung gewesen seien. Es hindere der Abschluss einer Saldovereinbarung praxisgemäss (vgl. BGE 100 II 42) den Unterzeichnenden nur insoweit an der Erhebung neuer Ansprüche, als er diese im Zeitpunkt der Unterzeichnung bereits gekannt oder deren Entstehung wenigstens als eine Möglichkeit in Betracht gezogen habe. Da jedoch die Ärzte in den Jahren 1994 und 1996 festgestellt hätten, dass durch weitere Operationen keine Besserung mehr erreicht werden könne und der Zustand der geschädigten Hand während dieser Zeit offensichtlich stabil geblieben sei, vermöge die Assura keine Anhaltspunkte darzulegen, wonach der Versicherten die Möglichkeit des Anfallens weiterer Behandlungskosten mit ![]() | 7 |
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a) In Bezug auf die Frage des anwendbaren Tarifs geht die Vorinstanz davon aus, dass es sich bei dieser gemeinsamen Spitalliste um eine geschlossene Liste handelt, weshalb davon auszugehen sei, dass nach der Spitalplanung der beiden Kantone der Bedarf für die auf der Liste figurierenden ausserkantonalen Leistungserbringer im Sinne von Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG ausgewiesen sei. Ein Bedarf im Sinne dieser Bestimmung bestehe nicht nur dann, wenn die fragliche medizinische Behandlung im Wohnkanton überhaupt nicht angeboten werde, sondern auch dann, wenn dafür nach der Planung nicht genügend Spitalplätze vorhanden seien. Für die Behandlung in einer auf einer geschlossenen Spitalliste figurierenden Klinik sei somit "der medizinische Grund des fehlenden oder unzureichenden Angebots eo ipso gegeben". Gehöre die Klinik B. nach der Spitalplanung des Kantons Basel-Stadt zu den notwendigen und anerkannten Leistungserbringern, richte sich die Kostenübernahme nach deren Tarif. Die Assura habe deshalb die vollen Kosten des umstrittenen Klinikaufenthalts zu vergüten. Zur Begründung verweist die Vorinstanz auf RKUV 1988 (recte: 1998) Nr. KV 54 S. 548 f.
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b) Zunächst ist zu unterscheiden zwischen der Zulassung der Leistungserbringer (Art. 35 bis 40 KVG) einerseits und der tarifvertraglichen Rechtslage im Lichte des beschränkten Wahlrechts des Leistungserbringers nach Art. 41 KVG anderseits (vgl. BGE 125 V 452 Erw. 3a). In Art. 39 KVG werden die Voraussetzungen festgehalten, unter denen ein Leistungserbringer zur sozialen Krankenversicherung zugelassen ist (vgl. dazu EUGSTER, a.a.O., Rz 244 ff. ![]() | 10 |
Da die Rechtsfolge der ausnahmsweisen Kostenübernahme nach dem Tarif des ausserkantonalen Leistungserbringers im Standortkanton (bei vollem Tarifschutz) für eine stationäre Behandlung gemäss Art. 41 Abs. 2 lit. b KVG nicht schon dann Platz greift, wenn die Behandlung im Wohnkanton nicht angeboten wird, sondern erst dann, wenn diese Behandlung auch nicht in einem ausserkantonalen Spital, welches auf der Spitalliste des Wohnkantons nach Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG aufgeführt ist, erbracht werden kann, ist vorweg der Sinn dieser Bestimmung zu ermitteln.
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aa) Der Teilsatz "... oder in einem auf der Spitalliste des Wohnkantons nach Art. 39 Abs. 1 Buchstabe e aufgeführten ausserkantonalen Spital" des heutigen Art. 41 Abs. 2 lit. b KVG wurde nachträglich als Ergänzungsantrag zum Entwurf des Bundesrates (Botschaft des Bundesrates über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 1992 I 93 ff., 268) in die Sitzung vom 24. August 1993 der nationalrätlichen Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) eingebracht (Protokoll der Kommission des Nationalrats zur Sitzung vom 24. August 1993, S. 24 f. und Anhang 10). Nach redaktioneller Anpassung wurde dieser Zusatz anlässlich der Sitzung vom 6. Oktober 1993 durch den Nationalrat (Amtl.Bull. 1993 N 1857) und an der Sitzung vom 15. Dezember 1993 durch den Ständerat (Amtl.Bull. 1993 S 1066) diskussionslos angenommen.
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bb) Der Bundesrat hatte in seinem Entscheid vom 21. Oktober 1998 in Sachen Kantonalverband appenzellischer Krankenversicherer gegen den Regierungsrat des Kantons Appenzell Ausserrhoden (teilweise publiziert in RKUV 1998 Nr. KV 54 S. 521 ff.) unter anderem zu prüfen, ob das vom Kanton Appenzell Ausserrhoden ![]() | 13 |
Weiter war im genannten Entscheid die Frage des Einbezugs ausserkantonaler Spitäler für die obligatorische Krankenversicherung (Liste A) zu beurteilen (RKUV 1998 Nr. KV 54 Ziffer 4 S. 545 ff.). Nach der Feststellung, dass es sich bei der Liste A des Kantons Appenzell Ausserrhoden um eine "offene" Liste (mit einer umfassenden Wahlfreiheit in Bezug auf ausserkantonale Spitäler) handle, wurde diese offene Umschreibung der Zulassung weiterer, nicht explizit aufgeführter Leistungserbringer insbesondere für einen kleinen Kanton mit der Begründung als zulässig erachtet, gerade solche Kantone seien in grösserem Umfang auf die Versorgung ihrer Wohnbevölkerung in ausserkantonalen Heilanstalten angewiesen. Die Empfehlung der Sanitätsdirektorenkonferenz, die Kantone sollten nicht für alle in Frage kommenden Spezialbehandlungen die für die Bevölkerung des eigenen Kantons benötigten Kapazitäten bestimmten Spitälern ausserhalb des Kantons zuordnen, sei sachgerecht. Es genüge mit Blick auf die Zulassung der Leistungserbringer, in solchen Fällen festzuhalten, dass sich die Wahlfreiheit der Patienten auf alle ausserkantonalen Institutionen erstrecke, die in ihrem Standortkanton auf der Spitalliste aufgeführt seien.
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Unter Verweis darauf, dass im Streitfall das Eidg. Versicherungsgericht zur Beurteilung der Frage zuständig sei, welche Kosten die Versicherer zu übernehmen hätten, hatte der Bundesrat schliesslich zu prüfen, welches die Folgen dieser Wahlfreiheit für die Kostenübernahme seien (RKUV 1998 Nr. KV 54 Ziffer 4.1.3 S. 547 ff.). Dabei vertrat der Bundesrat die Auffassung, nach dem klaren Wortlaut von Art. 41 Abs. 2 lit. b KVG stehe fest, dass sich diese Bestimmung nur auf den Fall beziehen könne, da der Wohnkanton der Versicherten selber eine namentliche Liste der ausserkantonalen Spitäler erstellt habe ("geschlossene" Liste). Soweit sich ein Kanton auf eine "offene" Liste der ausserkantonalen Spitäler beschränke, folge aus Art. 41 Abs. 2 lit. b KVG, dass die Ausnahme - das heisst volle Kostendeckung - bei Behandlung in einem ausserkantonalen Spital nur zum Zuge komme, wenn medizinische ![]() | 15 |
cc) Die Spitalliste hat die Aufgabe, Transparenz und Publizität in der Frage zu schaffen, welche Einrichtungen zu den Spitälern gehören und welches deren Leistungsaufträge sind, sowie die Vereinbarung sachgerechter Vergütungen zu erleichtern (EUGSTER, a.a.O., Rz 249 f. und Fn 562 mit Hinweisen). Wenn ein Spital auf eine Spitalliste gesetzt wird, bedeutet dies nur und einzig, dass es sich dabei um einen zugelassenen Leistungserbringer handelt, welcher KVG-pflichtige Kostenvergütungsansprüche auslöst, wenn sich der Versicherte von ihm behandeln lässt. Damit ist aber über die Frage des anwendbaren Tarifs noch überhaupt nichts gesagt. Hängt die Aufnahme eines Spitals in eine Spitalliste nach Art. 39 Abs. 1 lit. d und e KVG unter anderem von einem entsprechend ausgewiesenen Bedarf im Rahmen der kantonalen Spitalplanung ab, sind nach Art. 41 Abs. 2 KVG im konkreten Einzelfall des zu behandelnden Versicherten "medizinische Gründe" erforderlich, die gegebenenfalls zur vollen Kostenübernahme nach dem Tarif am Ort des Leistungserbringers führen können. Die Gründe des medizinischen Bedürfnisses nach Art. 39 Abs. 1 lit. d und e KVG einerseits und des Art. 41 Abs. 2 KVG anderseits sind somit nicht identisch.
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dd) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die von der Vorinstanz zur Begründung des angefochtenen Entscheids herangezogene Schlussfolgerung gemäss bundesrätlichem Entscheid vom 21. Oktober 1998 (vgl. RKUV 1998 Nr. KV 54 Ziffer 4.1.3.2 S. 548 f.) im Widerspruch zu den Materialien (Erw. 2b/aa hievor) steht. Durch die Aufnahme des zusätzlichen Teilsatzes in Art. 41 Abs. 2 lit. b ![]() | 17 |
Damit verhält es sich hier im Ergebnis nicht anders, als wenn sich die Versicherte aus persönlichen Gründen in einem Spital behandeln lässt, das nicht auf der Spitalliste ihres Wohnkantons, jedoch auf derjenigen des Standortkantons liegt. Der Ausgang des vorliegenden Verfahrens ist somit durch BGE 125 V 448 präjudiziert. Demnach besteht die einzige Konsequenz für diejenige Versicherte, welche für ihre stationäre Behandlung einen ausserhalb ihres Wohnkantons liegenden Leistungserbringer wählt, in einer Verminderung des Tarifschutzes nach Art. 44 Abs. 1 KVG, und zwar in dem Sinne, dass - abgesehen von den in Art. 41 Abs. 2 und 3 KVG vorgesehenen Fällen - stets nur der Tarif im Wohnkanton der versicherten Person anwendbar ist (BGE 125 V 452 f. Erw. 3a mit Hinweisen). Den Mehrpreis, der im andern Kanton gefordert wird, muss die Versicherte zu ihren Lasten nehmen (MAURER, a.a.O., S. 72; EUGSTER, a.a.O., Rz 317).
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c) Daraus folgt mit dem BSV, dass die Beschwerdeführerin die Kosten für die stationäre Behandlung der Versicherten vom 19. bis 23. Oktober 1998 in der Klinik B. (in M., Kanton Basel-Landschaft) ![]() | 19 |
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a) Nach ausdrücklicher Bestätigung hätte die Klinik B. über ihre Leistungen für die stationäre Behandlung der in der Stadt Basel wohnenden Versicherten vom 19. bis 23. Oktober 1998 die genau gleiche Abrechnung (wie diejenige gemäss Spitalrechnung vom 1. März 1999) erstellt, auch wenn sie im Kanton Basel-Landschaft wohnhaft gewesen wäre. Weiter ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin bisher nur den Teilbetrag von Fr. 1900.- aus der genannten Spitalrechnung an den Leistungserbringer überwiesen hat. Soweit es zutreffen sollte, dass sich die von der Beschwerdeführerin bereits geleistete Kostenvergütung im Umfang von total Fr. 1900.- - wie im angefochtenen Entscheid festgehalten - aus der Summe von fünf Teilbeträgen zu je Fr. 380.- zusammensetzt, ist nicht nachvollziehbar, auf welche aktenmässige Grundlage sich diese Aussage abstützt. Aus dem von der Beschwerdeführerin aufgelegten, mit Beschluss Nr. 3099 vom 23. Dezember 1997 durch den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft genehmigten "Spitaltax- und Tarifvertrag für Versicherte mit obligatorischer Krankenpflegeversicherung in der Klinik B." vom 12. Dezember 1997 (nachfolgend: Tarifvertrag) ist ersichtlich, dass es sich beim Teilbetrag von Fr. 380.- gemäss Anhang 1 zum Tarifvertrag um eine ausdrücklich als "Tagesteilpauschale" bezeichnete "Grundtaxe" handelt, die nach dem klaren Wortlaut nicht alle Leistungen im Rahmen eines operativen Eingriffs mit stationärer Behandlung miteinschliesst. Anders verhielte es sich im Falle von "pauschalierten Leistungen" (vgl. Ziffer 22 lit. B des Tarifvertrages sowie Anhang 2), wozu gemäss OP-Code 04.431 des Anhanges 2 zum Tarifvertrag auch "eine Operation bei Karpaltunnel-Syndrom" gehören kann. Das kantonale Gericht erkannte in diesem Zusammenhang im Teilbetrag von ![]() | 21 |
b) Nach dem Gesagten sind der angefochtene Entscheid und der Einspracheentscheid aufzuheben und die Sache ist an die Beschwerdeführerin zurückzuweisen, damit sie nach Feststellung des im Wohnkanton der Beschwerdegegnerin konkret anwendbaren Tarifs mit Blick auf die Spitalrechnung vom 1. März 1999 die nach Art. 41 Abs. 1 Satz 3 KVG zu ihren Lasten zu übernehmenden Kosten ermittle und sodann eine neue Verfügung über ihre effektive Kostenübernahme erlasse.
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