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64. Urteil vom 27. November 2001 i. S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen S. und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen | |
Regeste |
Art. 20 Abs. 2, Art. 31 Abs. 4 und Art. 34 UVG; Art. 31 Abs. 2 UVV (in Kraft seit 1. Januar 1997); Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung der Verordnung vom 9. Dezember 1996: Anpassung an die Teuerung. |
- Gesetz- und Verfassungsmässigkeit dieser Regelung. | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die hiegegen erhobene Beschwerde insoweit teilweise gut, als es den Einspracheentscheid bezüglich der Rente aufhob und die Sache an die SUVA zurückwies, damit sie die Komplementärrente unter Berücksichtigung der auf den 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Verordnungsbestimmung über den Teuerungsausgleich neu festsetze; im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Entscheid vom 18. August 1999).
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C.- Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, soweit damit die Sache zu neuer Verfügung über die Komplementärrente an sie zurückgewiesen wurde. In der Begründung wird daran festgehalten, dass die Verordnungsbestimmung über den Teuerungsausgleich übergangsrechtlich auf den vorliegenden Fall nicht Anwendung findet.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Gestützt auf Art. 20 Abs. 3 UVG hat der Bundesrat nähere Vorschriften zur Berechnung der Komplementärrenten erlassen. Nach dem mit der Verordnungsänderung vom 9. Dezember 1996 (AS 1996 3456) eingefügten Abs. 2 von Art. 31 UVV (in Kraft seit 1. Januar 1997) wird bei der Festlegung der Berechnungsbasis nach Art. 20 Abs. 2 UVG der versicherte Verdienst um den beim erstmaligen Zusammentreffen gültigen Prozentsatz der Teuerungszulage nach Art. 34 UVG erhöht. Nach den Schlussbestimmungen der Verordnungsänderung vom 9. Dezember 1996 (Abs. 1) gilt für Komplementärrenten im Sinne der Art. 20 Abs. 2 und 31 Abs. 4 UVG, die vor Inkrafttreten dieser Änderung festgesetzt wurden, das bisherige Recht.
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a) Nach dem bis Ende 1996 gültig gewesenen Recht wurde bei der Berechnung der Komplementärrente die gemäss Art. 15 Abs. 2 ![]() | 8 |
b) Die Übergangsbestimmung von Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Verordnungsänderung vom 9. Dezember 1996, wonach für Komplementärrenten im Sinne von Art. 20 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 4 UVG, die vor Inkrafttreten der Änderung festgesetzt wurden, das bisherige Recht gilt, bedeutet, dass keine Teuerungsanpassung nach Art. 31 Abs. 2 UVV bei Komplementärrenten erfolgt, die vor dem 1. Januar 1997 festgesetzt worden sind. Der Wortlaut der Bestimmung ist insofern nicht eindeutig, als unter dem Ausdruck "festgesetzt wurden" allein die ursprüngliche Rentenfestsetzung (erstmaliges Zusammentreffen der Renten) oder grundsätzlich jede Festsetzung der Komplementärrente verstanden werden kann (mit der Folge, dass bei Neufestsetzung der Rente nach Inkrafttreten der Änderung das neue Recht anwendbar ist). Fraglich ist zudem, ob übergangsrechtlich auf den Anspruchsbeginn oder auf den Zeitpunkt des Verfügungserlasses abzustellen ist. Im Kreisschreiben Nr. 17 an die UVG-Versicherer und die Ersatzkasse UVG vom 19. März 1997 hat das BSV hiezu ausgeführt, gemäss Art. 20 Abs. 2 Satz 2 UVG werde die Komplementärrente beim erstmaligen Zusammentreffen ![]() | 9 |
c) Diese Auslegung entspricht dem klaren Willen des Verordnungsgebers, wie er aus den Materialien hervorgeht. Danach wurde beim Erlass der Übergangsbestimmung davon ausgegangen, dass nur neue Renten der Unfallversicherung nach den revidierten Vorschriften über die Komplementärrenten zu berechnen sind, was im Rahmen einer Übergangsbestimmung festgehalten werden sollte (Protokoll zur Besprechung vom 3. Juli 1995 betreffend Revision der UVV, S. 13). Bei der Diskussion der Übergangsbestimmung wurde seitens der Vertreter der SUVA darauf hingewiesen, dass höhere Leistungen nicht rückwirkend finanziert werden könnten. Es wurde daher eine Formulierung vorgeschlagen, wonach die neue Regelung auf Komplementärrenten, die vor Inkrafttreten der Änderung festgesetzt wurden, nicht Anwendung findet (Protokoll zur Besprechung vom 18. Oktober 1995 betreffend Revision der UVV, Fragen der Berechnung der Komplementärrenten, S. 9). Aus der Feststellung, wonach nur neue Renten nach den geänderten Bestimmungen festgesetzt werden sollten, ist zu schliessen, dass eine Teuerungsanpassung gemäss Art. 31 Abs. 2 UVV bei laufenden Renten auch im Falle einer Neufestsetzung (Art. 33 UVV) ausgeschlossen werden sollte. Dementsprechend hat das BSV in den ![]() | 10 |
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a) Die Übergangsbestimmung verstösst nicht gegen das Gesetz, sondern entspricht nach dem Gesagten vielmehr Art. 20 Abs. 2 UVG, wonach die Rente beim erstmaligen Zusammentreffen der zu koordinierenden Renten festzusetzen ist. Sie hält sich zudem im Rahmen dessen, was der Gesetzgeber in Art. 118 Abs. 2 lit. c UVG beim Inkrafttreten des UVG übergangsrechtlich statuiert hat. Danach waren vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an die neuen Bestimmungen über die Invalidenrente anwendbar, wenn der Anspruch erst nach diesem Zeitpunkt entstanden war, was bedeutet, dass bei den vor Inkrafttreten entstandenen Rentenansprüchen das frühere Recht anwendbar blieb (vgl. BGE 124 V 56 Erw. 3; vgl. auch Bemerkungen von MAURER in SZS 1985 S. 210). Auch bei Leistungsverbesserungen im Sozialversicherungsrecht besteht kein Grundsatz, wonach das neue Recht ab Inkrafttreten stets auch auf Dauerverhältnisse anwendbar ist, bei denen sich der anspruchsbegründende Sachverhalt vor dem Inkrafttreten verwirklicht hat (BGE 99 V 203 Erw. 2; ![]() | 12 |
b) Nach der Rechtsprechung verletzt ein Erlass den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV), wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt, die sich auf Grund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist insbesondere verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Vorausgesetzt ist, dass sich der unbegründete Unterschied oder die unbegründete Gleichstellung auf eine wesentliche Tatsache bezieht. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter Spielraum der Gestaltung (BGE 123 I 7 Erw. 6a, 23 Erw. 3b, 141 Erw. 10b und 243 Erw. 2b, BGE 123 II 11 Erw. 3a und 26 Erw. 6a). Bei Rechtsänderungen ist zu beachten, dass Änderungen von Erlassen zwangsläufig bewirken, dass für die Rechtsunterworfenen unterschiedliche Regelungen gelten je nachdem, ob ![]() | 13 |
Die streitige Übergangsbestimmung hat insofern eine Ungleichbehandlung zur Folge, als Bezüger von Komplementärrenten, für die der Anspruch vor dem 1. Januar 1997 entstanden ist, keinen Teuerungszuschlag nach Art. 31 Abs. 2 UVV erhalten, selbst wenn hierüber erst nach dem 1. Januar 1997 verfügt oder die Rente nach diesem Zeitpunkt gemäss Art. 33 Abs. 2 UVV (oder Art. 34 UVV) angepasst wird. Hierin kann indessen keine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes von Art. 8 Abs. 1 BV erblickt werden. Nach dem Gesagten bestehen sachliche Gründe für die getroffene Lösung. Eine Anwendung der Bestimmung auf sämtliche laufenden Renten sowie auf Renten, die nach Inkrafttreten der Verordnungsänderung angepasst werden, wäre unter sozialpolitischen Gründen wohl wünschbar gewesen. Eine solche Regelung hat der Verordnungsgeber jedoch nicht vorgesehen und er kann hiezu auch vom Richter nicht verhalten werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch die Bezüger laufender Komplementärrenten nicht von jedem Teuerungsausgleich ausgeschlossen sind. Der Ausgleich erfolgt allerdings auf der Komplementärrente und nicht auf der Grundrente oder dem versicherten Verdienst (BGE 119 V 484 ff.).
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