BGE 128 V 66 | |||
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13. Auszug aus dem Urteil i.S. SUPRA Krankenkasse gegen S. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich K 146/00 vom 27. Februar 2002 | |
Regeste |
Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 18 lit. c Ziff. 7 KLV: Gebisssanierung nach einer schweren psychischen Krankheit. | |
Sachverhalt | |
A.- Der 1936 geborene S. ist bei der SUPRA Krankenkasse krankenversichert. Seit mehreren Jahren steht er wegen einer schweren Depression in ärztlicher Behandlung. Ab 1992 entwickelte sich gemäss Bericht des behandelnden Zahnarztes Dr. med. dent. T. vom 24. Januar 1999 eine exponentiell verlaufende floride Schmelz/Dentin/Zementkaries an sämtlichen Zähnen sowie ein massiver Bruxismus mit entsprechenden flächigen Abrasionen vor allem auf den Palatinalflächen der Oberkiefer-Frontzähne und der Prämolaren, die auch zu Frakturen geführt haben. Die notfallmässig ausgeführten Behandlungen veranschlagte der Zahnarzt auf ca. Fr. 4500.-. Für die Rekonstruktion des Gebisses mittels Teilprothesen und Kronen unterbreitete er einen Kostenvoranschlag im Betrag von ungefähr Fr. 8000.- pro Kiefer.
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Nach einem längeren Briefwechsel lehnte es die Krankenkasse mit Verfügung vom 2. Juni 1999 ab, an die erwähnten zahnärztlichen Behandlungskosten Leistungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu erbringen. An ihrem Standpunkt hielt sie mit Einspracheentscheid vom 9. Juli 1999 fest.
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B.- Mit Beschwerde beantragte S., vertreten durch seine Ehefrau I., die Krankenkasse sei zu verpflichten, die Zahnbehandlungskosten zu übernehmen.
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Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 27. Juni 2000 gut, hob den Einspracheentscheid vom 9. Juli 1999 auf und verpflichtete die SUPRA Krankenkasse, die gesetzlichen Leistungen für die gemäss Schreiben von Dr. med. dent. T. vom 24. Januar 1999 bereits vorgenommene notfallmässige Zahnbehandlung sowie für die Behandlungskosten gemäss Kostenvoranschlag vom 24. Januar 1999 zu übernehmen.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die SUPRA Krankenkasse die Aufhebung des Entscheides vom 27. Juni 2000, eventualiter mindestens die Feststellung, dass das Einsetzen von Kronen keine wirtschaftliche Massnahme darstelle und deshalb nicht zu ihren Lasten gehe.
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S. schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Aus den Erwägungen: | |
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a), b) (Unvermeidbarkeit der Kausystemerkrankung als Anspruchsvoraussetzung; s. BGE 128 V 63 Erw. 4a und b)
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a) Das Vorliegen einer schweren psychischen Krankheit bestreitet die Beschwerdeführerin u.a. deshalb, weil eine ambulante Behandlung genügt habe und nicht ein Langzeitspitalaufenthalt notwendig gewesen sei.
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Eine Depression stellt unbestrittenermassen eine psychische Erkrankung dar. Dass die Depression des Versicherten schwer ist, geht aus dem Schreiben des Dr. med. X. vom 26. September 2000 hervor, wonach man sich nach seiner und der Meinung der mitbehandelnden Frau Prof. med. Z., Psychiatrische Klinik Y., eine schwerer verlaufende Depression kaum vorstellen könne. Ausschlaggebend für die Qualifikation als schwere psychische Erkrankung ist vor allem, dass die Depression seit langer Zeit besteht, dass sie - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - einen Spitalaufenthalt von insgesamt mehr als vier Monaten notwendig machte, dass die Pflege des Versicherten zu Hause nur durch einen enorm grossen Einsatz seiner Ehegattin möglich ist, dass der Versicherte sehr hohe Dosen von Medikamenten einnehmen muss und dass er hilflos sowie vollkommen invalid geworden ist.
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b) Bezüglich der schweren Beeinträchtigung der Kaufunktion macht die Beschwerdeführerin geltend, die Notwendigkeit einer Karies- und Wurzelbehandlung falle nicht darunter, sei doch die Zahl der Patientinnen und Patienten, die sich den genannten Behandlungen unterziehen müssen, gross.
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Der Leistungspflicht der Krankenversicherung für die Kosten zahnärztlicher Behandlungen gemäss Art. 18 KLV liegt das Prinzip zu Grunde, dass die Allgemeinerkrankung schwer sein muss, dass aber die daraus entstehenden Folgen, welche eine zahnärztliche Behandlung bedingen, grundsätzlich nicht qualifizierter Art sein müssen. Einzig die vorliegend in Frage stehende Bestimmung des Art. 18 lit. c Ziff. 7 KLV macht die Leistungspflicht für die Kosten der zahnärztlichen Behandlung von einer schweren Beeinträchtigung der Kaufunktion abhängig. Die Beeinträchtigung der Kaufunktion des Versicherten ist gestützt auf die Berichte des behandelnden Zahnarztes Dr. med. dent. T. vom 21. September 2000 und 24. Januar 1999 ohne weiteres als schwer anzusehen. Ob solche Leiden unter der Bevölkerung weit verbreitet sind oder nicht, ist dabei ohne Belang.
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a) Im Einsprache- und im kantonalen Beschwerdeverfahren bestritt die Krankenkasse einen solchen Zusammenhang zwischen der psychischen Erkrankung des Versicherten und den Zahnschäden. Unter Hinweis auf das in RKUV 1998 Nr. KV 52 S. 509 (= BGE 124 V 351) veröffentlichte Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts machte sie geltend, das Kauproblem müsse durch die Erkrankung selbst und nicht durch die Medikation hervorgerufen werden, damit die Behandlungskosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen seien. Die Vorinstanz hat zutreffend dargelegt, dass im erwähnten Urteil eine solche Aussage nicht zu finden ist, ging es doch dabei um eine Erkrankung an Anorexia nervosa und Bulimie mit unmittelbarer Auswirkung auf das Kausystem.
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b) Nach Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten der zahnärztlichen Behandlung, die durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt ist. In Übereinstimmung damit setzt Art. 18 KLV diesbezüglich die Folgen einer schweren Allgemeinerkrankung der Erkrankung gleich. Ursache für die zahnärztliche Behandlung kann demnach die schwere Allgemeinerkrankung oder aber ihre Folge sein. Indem Gesetz und Verordnung ausdrücklich als Ursache der zahnärztlichen Behandlung auch die Folgen einer schweren Allgemeinerkrankung nennen, drängt sich der Schluss auf, dass auch die Behandlung einer schweren Erkrankung als Folge derselben zu einer leistungspflichtigen zahnärztlichen Behandlung führen kann. Ist demzufolge die zahnärztliche Behandlung des Versicherten durch die medikamentöse Behandlung als Folge seiner schweren psychischen Erkrankung bedingt, fällt sie in den Pflichtleistungsbereich des Krankenversicherers.
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c) Die trotz regelmässiger Fluoridierung und guter Mundhygiene exponentiell verlaufende floride Schmelz/Dentin/Zementkaries an sämtlichen Zähnen des Versicherten ist gemäss Berichten des behandelnden Zahnarztes Dr. med. dent. T. vom 24. Januar 1999 und 21. September 2000 eine Folge der aus der medikamentösen Behandlung der Depression resultierenden Xerostomie (Mundtrockenheit). Die flächigen Abrasionen und Frontzahnfrakturen seien sodann auf Karies und insbesondere auf den massiven Bruxismus (Zähneknirschen) zurückzuführen. Gestützt auf diese schlüssigen Berichte ist demzufolge mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Zahnschäden durch die schwere psychische Erkrankung und ihre Folgen verursacht worden und trotz genügender Mundhygiene nicht vermeidbar gewesen sind. Die Kosten der notfallmässig bereits durchgeführten Zahnbehandlung sowie der gemäss Kostenvoranschlag vom 24. Januar 1999 geplanten Weiterführung dieser Behandlung sind demzufolge von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen.
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6. Was schliesslich den Umfang der Leistungspflicht anbelangt, hat sich dieser in jedem Fall nach den Grundsätzen der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu richten (Art. 32 Abs. 1 KVG). Sind mehrere Behandlungen möglich, hat eine Abwägung stattzufinden zwischen den Kosten und dem Nutzen der einzelnen Vorkehren. Von zwei gleichermassen zweckmässigen Behandlungsalternativen gilt grundsätzlich nur die kostengünstigere als notwendig und wirtschaftlich (vgl. GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherungsrechtliche Aspekte der zahnärztlichen Behandlung nach Art. 31 Abs. 1 KVG, in: LAMal-KVG, Recueil de travaux en l'honneur de la société suisse de droit des assurances, Lausanne 1997, S. 247 f.; EUGSTER, Das Wirtschaftlichkeitsgebot nach Art. 56 Abs. 1 KVG, in: Wirtschaftlichkeitskontrolle in der Krankenversicherung, St. Gallen 2001, S. 39 f.; vgl. auch BGE 128 V 57 Erw. 2, mit Hinweisen auf Judikatur und Literatur).
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In seinem Bericht vom 21. September 2000 legt der behandelnde Zahnarzt schlüssig dar, dass die Anfertigung zweier einfacher, stabil gegossener Teilprothesen, abnehmbar, verankert an zum Kariesschutz überkronten Ankerzähnen, eine einfache und wirtschaftliche Lösung darstellt. Er räumt in diesem Bericht ein, dass die Versorgung mit Totalprothesen technisch gesehen an sich möglich und wohl etwas billiger wäre, weist jedoch darauf hin, dass beim Versicherten als Xerostomiepatienten der Speichelfilm zwischen Kunststoffplatte und Kieferschleimhaut stark reduziert ist oder fehlt, weshalb Haftung und Halt der Totalprothesen stark vermindert seien. Damit würden eine befriedigende Kaufunktion, Sprache und psychische Akzeptanz erschwert, sodass das Grundübel, die Depressionen des Patienten, noch verstärkt würde. Erweist sich demzufolge nur eine der Behandlungsvarianten als zweckmässig, ist auf den Einwand der Beschwerdeführerin bezüglich Wirtschaftlichkeit nicht näher einzugehen.
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