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21. Urteil i.S. BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt gegen F. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich |
B 57/01 vom 18. Februar 2003 | |
Regeste |
Art. 2 BVG; Art. 1 Abs. 1 lit. c BVV 2; Art. 23, 24 und 46 Abs. 1 und 2 BVG: Obligatorische Versicherung bei mehreren Vorsorgeeinrichtungen. | |
Sachverhalt | |
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Mit Verfügung vom 7. November 1997 sprach die IV-Stelle des Kantons Appenzell-Ausserrhoden F. für die Zeit ab 1. Juli 1996 eine halbe Invalidenrente (bei einem Invaliditätsgrad von 55%) zu. Die Versicherte gelangte daraufhin an die Vorsorgeeinrichtungen ihrer beiden Arbeitgeber. Die Pensionskasse des Vereins A. richtet ihr seit 15. Januar 1997 eine halbe Invalidenrente aus, berechnet auf dem bei ihr versicherten Verdienst aus der 50%-Anstellung. Demgegenüber lehnte die BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt (Vorsorgeeinrichtung des Vereins H.) mit Schreiben vom 2. Februar und 17. Mai 1999 einen Rentenanspruch ab.
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B.- In Gutheissung der von F. am 15. Juli 1999 erhobenen Klage verpflichtete das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt, der Klägerin basierend auf einem Invaliditätsgrad von 55% ab dem 1. Juli 1996 eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge nebst Verzugszins zu 5% ab 15. Juli 1999 für die Betreffnisse der Monate Juli 1996 bis Juni 1999 bzw. ab dem jeweiligen Fälligkeitsdatum für die restlichen Monate zu bezahlen (Entscheid vom 15. Mai 2001).
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt beantragen, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und festzustellen, dass der Beschwerdegegnerin ihr gegenüber kein Anspruch auf Ausrichtung einer Invalidenrente ab 1. Juli 1996 zustehe.
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F., das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) sowie die als Mitbeteiligte zur Vernehmlassung eingeladene Pensionskasse des Vereins A. schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
1. Das kantonale Gericht hat die Pensionskasse des Vereins A. zu Recht als Mitbeteiligte in das Verfahren einbezogen. Diese Vorsorgeeinrichtung wurde in derselben Eigenschaft auch letztinstanzlich ![]() | 6 |
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3.1 Die Unterstellung unter die obligatorische Versicherung wird in Art. 2 BVG geregelt. Abs. 1 dieser Bestimmung stellt einen Grundsatz auf, während Abs. 2 den Bundesrat beauftragt, die Ausnahmen zu bestimmen. Diesem Auftrag ist der Bundesrat durch den Erlass von Art. 1 BVV 2 nachgekommen. Dagegen enthält Art. 46 BVG keine Antwort auf die Frage, ob eine obligatorische Versicherung vorliegt, sondern setzt deren Fehlen voraus und bietet für diesen Fall ![]() | 9 |
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3.3 In der Literatur sind die Meinungen zur Frage, ob von zwei parallel ausgeübten Tätigkeiten zwingend die eine als nebenberufliche bezeichnet werden muss, welche gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. c BVV 2 keine Versicherungspflicht begründet, geteilt. Laut CARL HELBLING (Personalvorsorge und BVG, 7. Aufl., Bern 2000, S. 105) muss der Arbeitnehmer, der bei zwei Arbeitgebern je mehr als den Mindestlohn verdient, nur bei einem der Arbeitgeber obligatorisch versichert werden. Die Wahl des betreffenden Arbeitgebers sei gegenseitig zu vereinbaren (unter Vorbehalt der betreffenden Vorsorgereglemente). Zur Stützung dieses Standpunktes wird vorgebracht, gemäss den Materialien zu BVG und BVV 2 sei beabsichtigt worden, eine Ausdehnung des Obligatoriums über den oberen Grenzbetrag (Art. 8 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 5 BVV 2) hinaus nach Möglichkeit zu vermeiden (JÜRG BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, Bern 1989, S. 277; MARKUS MOSER, Die Zweite Säule und ihre Tragfähigkeit, Diss. Basel 1993, S. 31 f.; SUSANNE LEUZINGER-NAEF, Sozialversicherungsrechtliche ![]() | 11 |
Erwägung 3.4 | |
3.4.1 Den Ausgangspunkt der Auslegung einer Rechtsnorm bildet deren Wortlaut (BGE 122 V 364 Erw. 4a mit Hinweis). Gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. c BVV 2 sind "Arbeitnehmer, die nebenberuflich tätig sind und bereits für eine hauptberufliche Erwerbstätigkeit obligatorisch versichert sind" (französischer Text: "Les salariés exerçant une activité accessoire, s'ils sont déjà assujettis à l'assurance obligatoire pour une activité lucrative exercée à titre principal"; italienischer Text: "I salariati che esercitano un'attività accessoria, se sono già obbligatoriamente assicurati per l'attività lucrativa principale"), der obligatorischen Versicherung nicht unterstellt. Der Begriff der nebenberuflichen Tätigkeit wird nicht definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist bei zwei dauerhaft in ![]() | 12 |
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Diese Aussagen lassen erkennen, dass im Rahmen der Gesetz- und Verordnungsgebung nicht mit einer Mehrzahl von obligatorischen Versicherungsverhältnissen gerechnet wurde (vgl. auch SZS 1998 S. 381 ff.). Ausgegangen wurde dabei von einer eigentlichen "Stammtätigkeit", welche durch andere, bezüglich Umfang oder Dauer untergeordnete Beschäftigungen ergänzt wird (vgl. die Beispiele im Aufsatz des BSV "Probleme im Zusammenhang mit der Unterstellung im BVG", in: ZAK 1985 S. 362 ff., 371 f.). Dies wird auch daraus deutlich, dass die Expertenkommission im Hinblick auf ![]() | 14 |
Im Verlauf der zwischenzeitlichen Entwicklung hat die Vorstellung, wonach sich mehrere parallel ausgeübte Erwerbstätigkeiten zwingend in eine "Stammtätigkeit" und andere, ergänzende Beschäftigungen von geringerer Bedeutung unterteilen lassen, an Berechtigung verloren. Wie das BSV in seiner Vernehmlassung zu Recht ausführt, stellt es heute keine absolute Ausnahme mehr dar, dass eine Person ihre berufliche Arbeitskraft im Rahmen von zwei grundsätzlich gleichwertigen Anstellungen verwertet. Angesichts der deutlichen diesbezüglichen Veränderungen der Arbeitswelt seit dem Inkrafttreten des BVG und der BVV 2 am 1. Januar 1985 kann den auf der Grundlage der damaligen Verhältnisse geäusserten Auffassungen anlässlich der Erarbeitung dieser Erlasse für deren heutige Auslegung nur beschränkte Bedeutung beigemessen werden (vgl. allgemein zum Verhältnis zwischen historischer und zeitgemässer Auslegung HÄFELIN/HALLER, a.a.O., Rz 101 ff. und 114 ff.).
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3.4.3 Mit dem gestützt auf Art. 2 Abs. 2 BVG erlassenen Art. 1 BVV 2, der die Ausnahmen vom Obligatorium regelt, wurde bezweckt, die administrative Arbeit der Vorsorgeeinrichtungen zu erleichtern und zu vermeiden, dass Arbeitnehmer dem Obligatorium unterstellt werden müssen, wenn es nicht nötig ist (Kommentar zum Entwurf der BVV 2, S. 6). Im Zusammenhang mit der nebenberuflichen Tätigkeit spielten offensichtlich beide Überlegungen eine Rolle: Einerseits erlaubt die Beschränkung auf eine Vorsorgeeinrichtung administrative Vereinfachungen; andererseits ist die Annahme plausibel, eine Person geniesse auf Grund ihrer Haupttätigkeit hinreichenden obligatorischen Versicherungsschutz, sodass für eine zusätzlich ausgeübte Nebentätigkeit die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung genüge. Diese ausgehend von einer (bei langfristiger Betrachtung) deutlich im Vordergrund stehenden Hauptbeschäftigung und einer klar untergeordneten Nebenbeschäftigung richtigen Überlegungen treffen jedoch nicht zu, wenn eine Person gleichzeitig zwei gleichwertige Tätigkeiten ausübt: Der administrative Aufwand hält sich bei zwei "normalen" obligatorischen Versicherungen auf Grund eines Pensums von je 50% in Grenzen, während die in der Lehre geforderten Verhandlungen zwischen den beteiligten Vorsorgeeinrichtungen betreffend die Übernahme der obligatorischen Versicherung, welche ausserdem unter dem Vorbehalt der Reglemente stehen sollen (HELBLING, a.a.O., S. 105), zu Schwierigkeiten führen können. Mit Blick auf das Versicherungsobligatorium ![]() | 16 |
3.4.4 Der Wortlaut der Bestimmung, die mit den Ausnahmetatbeständen verfolgten Ziele sowie der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit sprechen nach dem Gesagten gegen die Anwendbarkeit von Art. 1 Abs. 1 lit. c BVV 2 auf eine Arbeitnehmerin, welche parallel und auf Dauer zwei gleichwertige Erwerbstätigkeiten ausübt. Diese Gesichtspunkte überwiegen gegenüber dem Umstand, dass im Rahmen der Gesetz- und Verordnungsgebung nicht mit einer mehrfachen Versicherungspflicht gerechnet wurde. Die Tatsache, dass der Koordinationsabzug für jedes einzelne obligatorische ![]() | 17 |
Die Bejahung einer mehrfachen Versicherungspflicht bei nebeneinander ausgeübten gleichwertigen Erwerbstätigkeiten drängt sich umso mehr auf, als die gegenteilige Lösung zu problematischen Ergebnissen führen kann. Der vorliegende Fall zeigt dies deutlich auf: Wird mit der Vorinstanz die obligatorische Versicherung auf die Beschwerdeführerin beschränkt und diese zur Ausrichtung einer halben Rente (auf der Grundlage des halben Pensums) verpflichtet, stellt sich die Frage nach der Leistungspflicht der Pensionskasse des Vereins A., welche der Versicherten bisher ihrerseits eine halbe Rente ausgerichtet hat. Da keine obligatorische Versicherung vorläge und bis zum Eintritt des Vorsorgefalles auch keine freiwillige Versicherung abgeschlossen wurde, liesse sich ein Rentenanspruch gegen diese Vorsorgeeinrichtung schwerlich begründen. Die Konsequenz, dass der vollzeitlich erwerbstätig gewesenen Beschwerdegegnerin für die Erwerbsunfähigkeit von 55% im Ergebnis nur Versicherungsleistungen im Umfang einer Viertel-Invalidität (halbe Rente bei halbem Pensum) zustünden, vermag aber - wiederum nicht zuletzt mit Blick auf das grundsätzlich geltende Versicherungsobligatorium - kaum zu befriedigen.
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Erwägung 4.1 | |
4.1.1 Gemäss Art. 23 BVG hat Anspruch auf Invalidenleistungen, wer im Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 50% ![]() | 21 |
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Erwägung 4.3 | |
4.3.1 Formal gesehen stellt die berufliche Vorsorge Ersatz für den nach Eintritt eines Versicherungsfalles ausbleibenden Lohn dar (HELBLING, a.a.O, S. 210). Aus diesem Grundsatz liesse sich ableiten, eine Leistung sei bei Eintritt eines Versicherungsfalles (z.B. ![]() | 24 |
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Ein gewichtiger Nachteil dieser Lösung besteht darin, dass sie nicht mit den versicherungstechnischen Grundlagen übereinstimmt: Die zu 55% invalide Beschwerdegegnerin ist im Rahmen ihrer 50%igen Erwerbstätigkeit beim Verein H. weiterhin obligatorisch berufsvorsorgerechtlich zu versichern (Umkehrschluss aus Art. 1 Abs. 1 lit. d BVV 2), wobei einzig die Grenzbeträge für die Ermittlung des koordinierten Lohns halbiert werden (Art. 4 BVV 2).
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Das Modell befriedigt aber auch aus anderen Gründen nicht. So würde die Beschwerde führende Vorsorgeeinrichtung mit Einbrüchen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten konfrontiert, von denen der ihr angeschlossene Arbeitgeber nicht betroffen ist, da die dortige Anstellung im bisherigen Umfang weiter besteht, woran nichts ändert, dass die Weiterbeschäftigung allenfalls formell auf einem neuen Arbeitsvertrag basiert (so KIESER, in: AJP 1999 S. 874 Ziff. 5, unter Berufung auf BRÜHWILER, a.a.O., S. 494). Für Anstellungen bei nicht ihr angeschlossenen Arbeitgebern fühlt sich die Vorsorgeeinrichtung aus verständlichen Gründen nicht verantwortlich. Aber auch für die versicherte Person kann eine solche Konstellation Auswirkungen zeitigen, die in der Arbeitswelt nicht ohne Bedeutung sind: Eine Versicherte, welche die ihr verbleibende Arbeitskraft auf ein halbes Arbeitspensum konzentriert und hier vollwertige Arbeit leistet, läuft Gefahr, trotzdem als teilweise Invalide zu gelten, wenn ihr die Vorsorgeeinrichtung des Arbeitgebers eine Invalidenrente ausrichten muss. Daraus können für die weitere Tätigkeit und Laufbahn Nachteile resultieren.
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4.3.3 Die mit den beiden erwähnten Varianten verbundenen Konsequenzen werden vermieden, wenn die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin, welche die Beschwerdegegnerin weiterhin im Umfang eines halben Pensums versichert, verneint und demgegenüber die Pensionskasse des Vereins A. verpflichtet wird, der Beschwerdegegnerin, welche das dort versicherte halbe Pensum invaliditätsbedingt aufgegeben hat, eine volle Rente (berechnet auf dem Lohn aus dem Beschäftigungsgrad von 50%) auszurichten. Da mit gelangt die Beschwerdegegnerin in den Genuss derjenigen Leistungen, welche ihr auf Grund einer Erwerbsunfähigkeit von 55% zustehen, während die Beschwerdeführerin die Versicherung im Rahmen der bestehenden Deckung weiterführen kann. Die Rente, ![]() | 29 |
Die gegen dieses Modell erhobenen Einwände vermögen nicht zu überzeugen. Das Argument, die grundsätzliche Massgeblichkeit der Invaliditätsbemessung durch die Invalidenversicherung (BGE 129 V 74 Erw. 4.1, BGE 126 V 311 Erw. 1 mit Hinweisen) werde in Frage gestellt (in diesem Sinn das BSV in seiner Vernehmlassung; ebenso MOSER, in: AJP 2001 S. 1187; KIESER, in: AJP 1999 S. 874 Ziff. 8.3.), trifft bei ganzheitlicher Betrachtung nicht zu. Die Invalidenversicherung legt den Invaliditätsgrad mit Bezug auf die gesamte Erwerbsfähigkeit einer versicherten Person fest. Bezogen auf ein halbes Pensum erhöht sich der Invaliditätsgrad entsprechend. Ebenso wenig ergeben sich Probleme mit der Anwendung von Art. 23 BVG (so aber KIESER, in: AJP 1999 S. 874; MOSER, in: AJP 2001 S. 1187 f.). Erhöht sich die Arbeitsunfähigkeit der Versicherten aus den gleichen gesundheitlichen Gründen, welche zur rund hälftigen Erwerbsunfähigkeit geführt haben, so hat die Beschwerdeführerin dafür Leistungen zu erbringen, tritt doch die Arbeitsunfähigkeit in einem Zeitpunkt ein, als die Beschwerdegegnerin bei ihr versichert ist und die Pensionskasse des Vereins A. bereits die vollen Leistungen erbringt. Konkret hätte die Beschwerdegegnerin Anspruch auf eine volle Rente der Beschwerdeführerin, falls sich der Invaliditätsgrad auf mindestens 66 2/3% erhöhen sollte, was gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. d BVV 2 das Ende der obligatorischen Versicherung zur Folge hat. Die Befürchtung, das obligatorische Versicherungsverhältnis könne bei Erhöhung des Invaliditätsgrades auf mindestens 66 2/3%, aber (zunächst) weniger als 75% erlöschen, ohne dass der versicherten Person entsprechende Leistungen zustünden (vgl. MOSER, in: AJP 2001 S. 1187), ist daher ebenfalls unbegründet.
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4.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin nicht leistungspflichtig ist. Demgegenüber hat die Versicherte ![]() | 31 |
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