![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
43. Auszug aus dem Urteil i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen T. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich |
H 113/01 vom 13. Mai 2003 | |
Regeste |
Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG; Art. 18 Abs. 3 AHVV (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung); Art. 8 lit. a AHVV; Art. 27 ff. DBG; Art. 4, 44, 66 und 81 Abs. 1 BVG: Abzüge vom rohen Einkommen zufolge Einkaufs von Beitragsjahren durch Arbeitgeber oder Selbstständigerwerbende ohne Arbeitnehmer. |
Rz 1104 der Wegleitung über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen (WSN), wonach Einkaufssummen im Unterschied zu den ordentlichen resp. laufenden Einlagen nicht vom rohen Einkommen abziehbar sind, ist gesetzwidrig. | |
![]() | |
Erwägung 3 | |
3.1 Umstritten ist, ob der Einkauf von Beitragsjahren durch Arbeitgeber oder Selbstständigerwerbende ohne Arbeitnehmer im Rahmen der freiwilligen beruflichen Vorsorge (Art. 4 und 44 BVG) abzugsfähige persönliche Einlagen in Einrichtungen der beruflichen Vorsorge im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG und Art. 18 Abs. 3 AHVV (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung) darstellt. Das kantonale Gericht hat diese Rechtsfrage im Grundsatz mit im Wesentlichen folgender Begründung bejaht: Die Mitfinanzierung des Einkaufs von Beitragsjahren der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber stelle nach der Verwaltungspraxis zu Art. 8 lit. a AHVV (vgl. AHI 1996 S. 273) unter bestimmten Voraussetzungen nicht massgebenden Lohn dar. Ein Selbstständigerwerbender würde daher gegenüber einem Arbeitnehmer unter Umständen benachteiligt, wenn er für die gesamte persönliche Einkaufssumme aufkomme, ![]() | 1 |
Dieser Argumentation hält die Aufsichtsbehörde entgegen, die Gleichbehandlung der Selbstständigerwerbenden mit den Unselbstständigerwerbenden sei zwar Anlass für die Einführung der Abzugsmöglichkeit nach alt Art. 18 Abs. 3 AHVV gewesen. Diese Verordnungsbestimmung und damit auch Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG ebenso auf den Einkauf von Beitragsjahren anzuwenden, schiesse indessen über das Ziel hinaus. Dadurch würden die Selbstständigerwerbenden eindeutig privilegiert statt, wie angestrebt, mit diesen gleichgestellt. Die Arbeitnehmer könnten nämlich mittels Einkauf von Beitragsjahren zur Schliessung von Vorsorgelücken ihr beitragspflichtiges Einkommen nicht vermindern. Im Weitern ergebe sich aus den Erläuterungen des Bundesrates zu alt Art. 18 Abs. 3 AHVV das Erfordernis der geschäftsmässigen Begründetheit der zum Abzug zugelassenen "persönlichen Einlagen an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge" (vgl. ZAK 1987 S. 5 f.). Darunter fielen somit lediglich die in die Berechnungsperiode fallenden laufenden Beiträge des Arbeitgebers an seine eigene berufliche Vorsorge. Diese Regelung entspreche der bundessteuerrechtlichen Ordnung, wonach die Beiträge der selbstständigerwerbenden Personen an ihre eigene 2. Säule nicht Gewinnungskosten im Sinne von Art. 27 Abs. 2 lit. c DBG darstellten und grundsätzlich nur im Rahmen von Art. 33 Abs. 1 lit. d DBG von den Einkünften abgezogen werden könnten. Die Steuerrechtspraxis lasse zwar unter gewissen Voraussetzungen Ausnahmen zu, indessen nur für laufende Beiträge. Im Übrigen halte nunmehr Rz 1104 der Wegleitung über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen (WSN) in der Fassung vom 1. Januar 2001 ausdrücklich fest, dass persönliche Einkaufssummen nicht gestützt auf Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG vom rohen Einkommen abziehbar sind.
| 2 |
Erwägung 3.2 | |
3.2.1 Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG spricht wie schon alt Art. 18 Abs. 3 AHVV von persönlichen "Einlagen" in Einrichtungen der beruflichen Vorsorge ("versements", "versamenti" in der französischen und italienischen Textfassung). Unter diesen Begriff lassen sich sowohl periodisch zu entrichtende (laufende) Beiträge im Rahmen der freiwilligen beruflichen Vorsorge gemäss Art. 4 und 44 ![]() | 3 |
4 | |
3.2.2.1 Das Bundesamt weist vorab auf ZAK 1987 S. 5 ff. hin, wo der Bundesrat die Beweggründe für die Schaffung von alt Art. 18 Abs. 3 AHVV darlegt. Danach sollte mit dieser Abzugsmöglichkeit der insofern unbefriedigenden Rechtslage begegnet werden, als die gemäss Art. 66 Abs. 1 BVG mindestens zur Hälfte vom Arbeitgeber zu übernehmenden Beiträge zur Finanzierung der beruflichen Vorsorge der Arbeitnehmer (nach Art. 8 lit. a AHVV) nicht massgebenden Lohn darstellten, die persönlichen Beiträge der Selbstständigerwerbenden an die 2. Säule hingegen nicht, auch nicht teilweise, vom rohen Einkommen abgezogen werden konnten. Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung erfordere, so der Bundesrat, dass solche Beiträge AHV-rechtlich als geschäftsmässig begründeter Aufwand zum Abzug zugelassen würden. Für Selbstständigerwerbende ohne Arbeitnehmer sei in analoger Anwendung von Art. 66 Abs. 1 BVG die Hälfte dieser Beiträge vom rohen Einkommen abziehbar (ZAK 1987 S. 6 oben).
| 5 |
![]() | 6 |
3.2.2.2 Dieser Feststellung kommt durchaus Bedeutung zu. Mit dem in alt Art. 18 Abs. 3 AHVV, seit 1. Januar 1997 in Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG vorgesehenen Abzug persönlicher Einlagen in Einrichtungen der beruflichen Vorsorge (2. Säule) wollte der Bundesrat ausdrücklich die beitragsrechtliche Stellung der Selbstständigerwerbenden derjenigen der Arbeitnehmer angleichen. So wie die vom Arbeitgeber übernommenen Einlagen in Einrichtungen der beruflichen Vorsorge seiner Arbeitnehmer nicht zum massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG gehörten, so wenig sollten die für sich persönlich geleisteten Einlagen im Rahmen der freiwilligen beruflichen Vorsorge abgabepflichtiges Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit darstellen (vgl. BGE 115 V 339 Erw. 2a). Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der obligatorisch und der freiwillig Versicherten gemäss BVG erscheint es daher nahe liegend, persönliche Einkaufssummen zum Abzug vom rohen Einkommen zuzulassen, wenn und soweit die reglementarisch vorgesehene Beteiligung des Arbeitgebers am Einkauf von Beitragsjahren der Arbeitnehmer nicht massgebenden Lohn darstellt.
| 7 |
Das kantonale Gericht weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf die Erläuterungen des Bundesrates zur Änderung von Art. 8 lit. a AHVV auf den 1. Januar 1997 gemäss Verordnung vom 16. September 1996 hin (vgl. AHI 1996 S. 263 ff.). Mit der Neufassung dieser Verordnungsbestimmung soll u.a. eine Anpassung an die mit den Bundesgesetzen über die berufliche Vorsorge (BVG) und über die direkte Bundessteuer (DBG) geschaffene Rechtslage vorgenommen werden. Für die vorliegenden Belange von Interesse ist, dass nach dem revidierten Art. 8 lit. a AHVV nebst den laufenden Beiträgen ebenfalls statutarisch oder reglementarisch vorgesehene, von den ![]() | 8 |
3.2.2.3 Über den Aspekt der abzugsmässigen Gleichbehandlung Unselbstständig- und Selbstständigerwerbender hinaus erschiene es in sich nicht folgerichtig, laufende Beiträge an die (über-)obligatorische oder freiwillige berufliche Vorsorge von der Beitragspflicht auszunehmen, Nachzahlungen zur Schliessung von Beitragslücken indessen nicht. Mit beiden Arten von Einlagen wird derselbe Zweck angestrebt, nämlich ein möglichst lückenloser Vorsorgeschutz. So besehen ist es auch nicht von Bedeutung, dass keine Art. 66 Abs. 1 BVG und Art. 331 Abs. 3 OR entsprechende Verpflichtung der Arbeitgeber besteht, sich am Einkauf von Beitragsjahren im Rahmen der (über-)obligatorischen beruflichen Vorsorge der Arbeitnehmer zu beteiligen.
| 9 |
3.2.2.4 In gesetzessystematischer Hinsicht schliesslich weist die Aufsichtsbehörde auf die bundessteuerrechtliche Abzugsordnung hin. Danach stellen laufende Beiträge des Arbeitgebers an die (über-)obligatorische berufliche Vorsorge der Arbeitnehmer im Rahmen von Art. 66 BVG und Art. 331 Abs. 3 OR geschäfts- oder berufsmässig begründete Kosten resp. geschäftsmässig begründeten Aufwand nach Art. 27 Abs. 1 und Art. 59 DBG dar. Es handelt sich hiebei um Zuwendungen an Vorsorgeeinrichtungen zu Gunsten des eigenen Personals im Sinne von Art. 27 Abs. 2 lit. c und Art. 59 lit. b DBG (AGNER/JUNG/STEINMANN, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, Zürich 1995, N 4 zu Art. 27). Dabei bezieht sich Art. 59 lit. b DBG auf Art. 81 Abs. 1 BVG (BRÜLISAUER/KUHN, in: ZWEIFEL/ATHANAS [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht I/2a, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Art. 1-82, Basel, N 10 zu Art. 59). Danach gelten die Beiträge der Arbeitgeber an Vorsorgeeinrichtungen bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden als Geschäftsaufwand. In analoger Weise gelten persönliche Beiträge eines Selbstständigerwerbenden ohne Arbeitnehmer im Rahmen der eigenen freiwilligen beruflichen Vorsorge nach Art. 4 und 44 BVG im Umfang von 50% als abzugsfähiger Geschäftsaufwand (REICH/ZÜGER, in: ZWEIFEL/ATHANAS [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht I/2a, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Art. 1-82, Basel 2000, N 50 zu Art. 27; AGNER/JUNG/STEINMANN, a.a.O., N 16 zu Art. 33). Demgegenüber kann der Einkauf von Beitragsjahren zur Schliessung von Vorsorgelücken ![]() | 10 |
Die bundessteuerrechtliche Regelung steht indessen einem Abzug persönlicher Einkaufssummen Selbstständigerwerbender im Rahmen der freiwilligen beruflichen Vorsorge vom rohen Einkommen gestützt auf Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG nicht entgegen. Zu beachten ist vorab, dass in Art. 18 Abs. 1 AHVV integral auf die Vorschriften über die direkte Bundessteuer verwiesen wird. Insbesondere wird nicht unterschieden, ob der Abzug geschäftsmässig begründet (Art. 27 und 59 DBG) oder allgemein zulässig (Art. 33 DBG) ist. Sodann steht Art. 18 Abs. 1 AHVV unter dem Vorbehalt einer Einschränkung auf Gesetzesstufe (vgl. HANSPETER KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl., S. 200 f. Rz 8.7; UELI KIESER, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 40; RETO BÖHI, Der unterschiedliche Einkommensbegriff im Steuerrecht und im Sozialversicherungsrecht und seine Auswirkungen auf die Beitragserhebung, Diss. Bern 2001, S. 125). Ein solcher der bundessteuerrechtlichen Ordnung derogierender Umstand ist unter dem Gesichtspunkt des Normzweckes sowie der angestrebten Gleichbehandlung Unselbstständig- und Selbstständigerwerbender (Erw. 3.2.2.2 und 3.2.2.3) darin zu erblicken, dass ein Abzug vom rohen Einkommen lediglich in der Höhe des "üblichen Arbeitgeberanteils" gestattet ist.
| 11 |
3.2.3 Nach dem Gesagten besteht kein Anlass für eine den Wortsinn einschränkende Auslegung des Begriffs der "persönlichen Einlagen in Einrichtungen der beruflichen Vorsorge" im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG. Darunter fällt daher auch der Einkauf fehlender Beitragsjahre zur Schliessung von Vorsorgelücken im Rahmen der 2. Säule im dem "üblichen Arbeitgeberanteil" entsprechenden Umfang. Die anders lautende Verwaltungspraxis (Rz 1104 WSN) ist gesetzwidrig.
| 12 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |