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53. Auszug aus dem Urteil i.S. M. gegen IV-Stelle Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern |
I 37/05 vom 23. September 2005 | |
Regeste |
Art. 42 und 52 ATSG; Art. 12 ATSV: Einfaches und rasches verwaltungsinternes Verfügungs- und Einspracheverfahren. | |
Sachverhalt | |
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B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern trat auf die hiegegen erhobene Beschwerde nicht ein, soweit materielle Anträge gestellt wurden, und wies das Rechtsmittel im Übrigen - unter dem Aspekt der wegen der Art der Verfahrenserledigung geltend gemachten Rechtsverzögerung - ab (Entscheid vom 17. Dezember 2004).
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C. M. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren, es seien, unter Aufhebung von vorinstanzlichem und Einspracheentscheid, höhere Rentenleistungen zu erbringen. Eventuell sei die IV-Stelle anzuweisen, eine "neue materielle Verfügung innert richterlich anzusetzender Frist zu erlassen". Ausserdem sei ihr die unentgeltliche Verbeiständung zu bewilligen.
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Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Stellungnahme.
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Eine Gerichts- oder Verwaltungsbehörde muss jeden Entscheid binnen einer Frist fassen, die nach der Natur der Sache und nach den gesamten übrigen Umständen als angemessen erscheint (BGE 119 Ib 323 Erw. 5; SVR 1997 ALV Nr. 105 S. 324 Erw. 4b; RÜEDI, Die Bedeutung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts für die Verwirklichung des Sozialversicherungsrechts des Bundes, in: ZBJV 1994 S. 74 ff.; THOMAS SCHMUCKLI, Die Fairness in der Verwaltungsrechtspflege, Diss. Freiburg 1990, S. 100 ff.). Die Geltung dieses prozessualen Grundrechts für das Einspracheverfahren wurde im Gesetz bekräftigt (Art. 52 Abs. 2 Satz 1 ATSG; vgl. BGE 125 V 191 Erw. 2a). Wenn der Versicherungsträger entgegen dem Begehren der betroffenen Person - innert angemessener Frist, so wäre beizufügen - keine Verfügung oder keinen Einspracheentscheid erlässt, so kann laut Art. 56 Abs. 2 ATSG Beschwerde erhoben werden.
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Bei der Rechtsverzögerungsbeschwerde fehlt es grundsätzlich an einem ordentlichen Anfechtungsobjekt, weil die entscheidende ![]() | 8 |
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Erwägung 2.1 | |
2.1.1 Die mit der Rückweisung zu weiteren Abklärungen und anschliessender neuer Verfügung verbundene Aufhebung eines Verwaltungsaktes bedeutet, von der gesetzlich vorgezeichneten Abfolge des Instanzenwegs abzuweichen. Die Rechtsprechung lässt die Rückweisung denn auch nicht voraussetzungslos zu. Im Verhältnis zwischen Gerichten und Verwaltung steht der rückweisenden Behörde bei Beantwortung der Frage, ob sie selber die nötigen Instruktionen vornehmen oder die Akten zur weiteren Abklärung an die Verwaltung zurückweisen will, zwar ein weiter Ermessensspielraum zu. Indes darf eine Rückweisung an die Verwaltung nicht ![]() | 11 |
Diese auf das Verhältnis zwischen gerichtlicher Entscheidung und Verwaltungsverfügung zugeschnittenen Grundsätze lassen sich nicht auf das verwaltungsinterne Einsprache- bzw. Verfügungsverfahren übertragen. Die Rückweisung bezieht ihre Rechtfertigung im Wesentlichen aus den differenzierten Aufgaben und der dementsprechend unterschiedlichen funktionellen und instrumentellen Ausstattung der sich in der Abfolge der Instanzen gegenseitig ergänzenden Behörden. In der Sozialversicherung ist die Verwaltung regelmässig besser geeignet als die Justiz, Entscheidungsgrundlagen zu vervollständigen. Die Eignung spielt indes keine Rolle, wenn der Abklärungsbedarf bereits bei der Behandlung einer Einsprache durch die Verwaltung selbst erkannt wird. Eine sachliche Notwendigkeit für eine Rückweisung ergibt sich nur im instanzübergreifenden Verhältnis (also auch dort, wo das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren vorgesehen ist; Art. 61 Abs. 1 VwVG), nicht so aber innerhalb einer einzigen Instanz, auch wenn diese organisatorisch in verschiedene Einheiten gegliedert ist.
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2.1.2.1 Mit der Einsprache wird eine Verfügung zwar - einem Rechtsmittel gleich - angefochten (BGE 125 V 121 Erw. 2a). Dabei bleibt jedoch die nämliche Verwaltungsbehörde zuständig. Die Einsprache ist also kein devolutives Rechtsmittel, das die Entscheidungszuständigkeit an eine Rechtsmittelinstanz übergehen lässt (RKUV 2003 Nr. U 490 S. 367 Erw. 3.2.1; vgl. Urteil R. vom ![]() | 14 |
Soweit im Urteil S. vom 18. Februar 2003, U 287/02, Erw. 2.2, ausgeführt wurde, Art. 61 Abs. 1 VwVG sei im Einspracheverfahren sinngemäss anwendbar, kann daran nicht festgehalten werden. Nach dieser Norm steht verwaltungsinternen Beschwerdeinstanzen die Kompetenz zu, eine Streitsache ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurückweisen, anstatt die Beschwerde gutzuheissen oder abzuweisen. Das Einsprache- und das (verwaltungsinterne) Beschwerdeverfahren sind nach dem Gesagten aber strukturell und funktionell nicht gleichzusetzen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat es denn auch abgelehnt, die für das Beschwerdeverfahren nach VwVG geltende Regelung der Parteientschädigung (Art. 64 VwVG) analog auf das Einspracheverfahren anzuwenden (RKUV 2003 Nr. U 490 S. 366 Erw. 3.2).
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2.1.2.2 Die Einheitlichkeit des Verwaltungsverfahrens wird durch die Vorschriften der Art. 42 Satz 2 ATSG und Art. 30 Abs. 2 lit. b VwVG noch akzentuiert. Danach kann vor Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind, auf eine Anhörung verzichtet werden. Dies eröffnet die Möglichkeit, gleichsam ein vereinfachtes Verfahren durchzuführen, soweit sich bei klarer Sach- und Rechtslage die Inanspruchnahme des rechtlichen Gehörs nicht aufdrängt (zum Anwendungsbereich vgl. KIESER, ATSG-Kommentar, N 25 zu Art. 46; freilich hat etwa die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt das rechtliche Gehör seit jeher bereits vor Erlass der Verfügung gewährt [MEYER-BLASER, Die Bedeutung von Art. 4 BV für das Sozialversicherungsrecht, in: ZSR 1992 II S. 429 FN 592; WILLI MORGER, Das Einspracheverfahren im Leistungsrecht des ![]() | 16 |
Erwägung 2.2 | |
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2.2.2 Beschlägt die rechtsgestaltende Wirkung von Verfügung und Einspracheentscheid prinzipiell, unter dem Vorbehalt der soeben umschriebenen Verfahrenslagen, die gleichen Gegenstände, so dürfen sich Einspracheentscheide im Sinne von Art. 52 ATSG nicht darauf beschränken, die vorangegangene Verfügung, welche ein Rechtsverhältnis materiell ordnet, wegen der Notwendigkeit weiterer Abklärungen aufzuheben. Die einsprechende Person hat ein Recht auf den Erhalt eines Verwaltungsaktes, der das fragliche Rechtsverhältnis entsprechend dem gegenständlichen Umfang der ursprünglichen Verfügung und der erhobenen Rügen sowie aufgrund vollständiger Entscheidungsgrundlagen festlegt. Der Anspruch der versicherten ![]() | 18 |
3. Die Gesamtverfahrensdauer ab Einreichung des Gesuchs (18. Dezember 1997) von inzwischen mehr als sieben Jahren ist mit dem Erfordernis eines raschen Verfahrens kaum mehr vereinbar (vgl. BGE 125 V 375 Erw. 2a mit Hinweis). Der Umstand, dass sich die Abklärung des anspruchserheblichen Sachverhalts als schwierig erwies, ändert daran nichts (vgl. BGE 129 V 416 Erw. 1.2). Die Verwaltung soll die zur Festlegung der fraglichen Leistungen erforderlichen Nachforschungen demgemäss innert nützlicher Frist zum Abschluss bringen und hernach umgehend einen materiellen Einspracheentscheid erlassen.
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