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13. Auszug aus dem Urteil i.S. H. gegen Ausgleichskasse Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern |
P 1/05 vom 11. Januar 2006 |
Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG; Art. 22 Abs. 4 ELV: Drittauszahlung nachträglich zugesprochener Ergänzungsleistungen an die Sozialhilfebehörde. |
Mit Bezug auf die in Art. 22 Abs. 4 ELV enthaltene Formulierung "im Hinblick auf Ergänzungsleistungen" gilt die zu den vergleichbaren Wendungen in Art. 50 Abs. 2 IVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) und Art. 85bis IVV ergangene Rechtsprechung (BGE 131 V 246 ff. Erw. 5) analog. (Erw. 3.2.2) |
Art. 3 Abs. 1 ELG; Art. 22 Abs. 4 ELV: Drittauszahlung nachträglich gemäss ELG vergüteter Krankheitskosten. |
Es verstösst nicht gegen das Gebot der sachlichen Kongruenz, wenn die Drittauszahlung von nachträglich gemäss ELG vergüteten Krankheitskosten nicht in einer separaten Krankheitskostenverfügung, sondern im Rahmen einer Verfügung betreffend Nachzahlung jährlicher Ergänzungsleistungen angeordnet wird. (Erw. 3.2.4) | |
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Erwägung 3 | |
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Erwägung 3.2 | |
3.2.1 Vor In-Kraft-Treten des ATSG stützte sich die verrechnungsweise Drittauszahlung von Nachzahlungen von Ergänzungsleistungen an die Sozialhilfebehörde auf den am 1. Januar 1990 in Kraft getretenen Art. 22 Abs. 4 ELV, mit welchem der Bundesrat aufgrund der Delegationsnorm des Art. 3 Abs. 6 ELG (in Kraft gestanden bis 31. Dezember 1997) eine besondere und abschliessende Regelung über die Nachzahlung von Ergänzungsleistungen erlassen hat (BGE 123 V 119 Erw. 5a). Gemäss dieser Bestimmung kann einer privaten oder öffentlichen Fürsorgestelle, die "einer Person im Hinblick auf Ergänzungsleistungen Vorschussleistungen für den Lebensunterhalt während einer Zeitspanne gewährt (hat), für die rückwirkend Ergänzungsleistungen ausgerichtet ![]() | 2 |
3.2.2 Hinsichtlich des in Art. 22 Abs. 4 ELV genannten Erfordernisses "im Hinblick auf Ergänzungsleistungen" hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im unveröffentlichten Urteil B. vom 23. Februar 1999 (P 64/97) präzisiert, dass der Wortlaut allein hier nicht massgeblich sein kann. Vielmehr erheischen gemäss erwähntem Urteil die übrigen normunmittelbaren Auslegungskriterien ebenso wie der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz eine Anwendung der in Art. 22 Abs. 4 ELV vorgesehenen Rechtsfolge immer dann, wenn die versicherte Person in derjenigen Zeit, da sie nachträglich in den Genuss von Ergänzungsleistungen gelangt, Sozialhilfeleistungen bezogen hat. Diese Rechtsprechung findet indirekt eine Bestätigung in einem am 5. August 2005 ergangenen Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (BGE 131 V 242), welches die Auslegung von Art. 50 Abs. 2 IVG (in der von 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2002 in Kraft gestandenen Fassung) und Art. 85bis IVV (sowohl in der von 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1998 sowie in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung) betrifft. Darin entschied das Gericht, dass das im Bereich der Invalidenversicherung - analog zu Art. 22 Abs. 4 ELV - geltende Erfordernis, wonach Rentennachzahlungen nur dann mit Vorschussleistungen der Sozialhilfebehörde (sowie der übrigen in Art. 85bis IVV genannten Stellen) verrechnet und an Letztere ausbezahlt werden dürfen, ![]() | 3 |
Diese Erwägungen zu der in Art. 50 Abs. 2 IVG und Art. 85bis IVV enthaltenen Formulierung "im Hinblick auf..." gelten - wie im erwähnten Urteil B. vom 23. Februar 1999 (P 64/97) vorgezeichnet - grundsätzlich gleichermassen für die entsprechende Wendung in Art. 22 Abs. 4 ELV (vgl. - mit Bezug auf den hier zu beurteilenden Fall - im Übrigen auch § 37 Abs. 3 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Luzern vom 24. Oktober 1989, SRL 892).
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3.2.3 Die Möglichkeit der Drittauszahlung rückwirkend zugesprochener Ergänzungsleistungen an die Sozialhilfebehörde erstreckt sich gemäss Art. 22 Abs. 4 ELV auf die von dieser erbrachten Vorschussleistungen "für den Lebensunterhalt". Darunter sind nicht nur periodische (Geld-) Leistungen der Sozialhilfe zur Deckung der laufenden Lebenskosten zu verstehen, sondern grundsätzlich sämtliche von der Sozialhilfebehörde in dem vom Ergänzungsleistungs-Nachzahlungsanspruch erfassten Zeitraum ausgerichteten, ![]() | 5 |
3.2.4 Mit Blick auf den übergeordneten koordinationsrechtlichen Zweck der Drittauszahlung sowie das gemeinsame Leistungsziel von Sozialhilfe- und Ergänzungsleistungs-Zahlungen, den nach der jeweiligen ratio legis bemessenen Existenzbedarf sicherzustellen, verstösst es ferner nicht gegen das Gebot der sachlichen Kongruenz, wenn die Drittauszahlung von nachträglich gemäss ELG vergüteten Krankheitskosten - wie hier - nicht in einer entsprechenden Krankheitskostenverfügung (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b ELG), sondern im Rahmen einer Verfügung betreffend Nachzahlung jährlicher Ergänzungsleistungen gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. a ELG angeordnet wird. Die Unterscheidung von jährlichen, in der Regel monatlich ausbezahlten Ergänzungsleistungen einerseits und spezifischen, ![]() | 6 |
Erwägung 3.3 | |
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3.3.2 Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG hat den Verordnungsgeber zu keiner Änderung von Art. 22 Abs. 4 ELV (wie von Art. 85bis IVV auch) veranlasst. Es sind denn auch weder dem - im Rahmen der Gesetzesauslegung in erster Linie massgebenden (vgl. BGE 129 II 118 Erw. 3.1, BGE 129 V 103 Erw. 3.2, je mit Hinweisen) - Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG noch den Materialien substantielle Hinweise dafür zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der neuen Bestimmung von der im Bereich der Ergänzungsleistungen bisher geltenden Ordnung der Drittauszahlung abweichen wollte. Im Gegenteil ist aus den Materialien zu schliessen, dass mit Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG eine Verallgemeinerung der bis anhin in der Invalidenversicherung und im Ergänzungsleistungsbereich geltenden Rechtslage und eine "Lockerung des Abtretungsverbots" angestrebt wurde (vgl. Parlamentarische Initiative. Allgemeiner Teil Sozialversicherung [85.227], Bericht der Kommission des Ständerates vom 27. ![]() | 8 |
3.3.3 Der im Bericht der SGK-NR vom 26. März 1999 enthaltene Passus, wonach Art. 22 Abs. 2 ATSG (= Art. 29 Abs. 2 des Entwurfs) die Abtretung von Nachzahlungen an Fürsorgeinstitutionen nur zulasse, "wenn diese Vorschussleistungen erbringen, weil der Versicherungsfall noch nicht erledigt ist", und die direkte Drittauszahlung nur zulässig sei, "wenn eine Abtretungserklärung vorliegt" (BBl 1999 4572), legt keine andere Schlussfolgerung nahe. Die in der erstgenannten Aussage sinngemäss vertretene Auffassung der SGK-NR, "Vorschussleistungen" gemäss Art. 22 Abs. 2 ATSG könnten, gleichsam wesensgemäss, nur für bei der Sozialversicherung "bereits angemeldete", indessen noch nicht erledigte Fälle erbracht werden (vgl. BBl 1999 4572), wird durch den Wortlaut der Bestimmung nicht gestützt und vermag weder die unter Erw. 3.2.2 dargelegte Rechtsprechung noch die Erwägungen unter Erw. 3.2.3. zum Begriff der "Vorschussleistungen" von Sozialhilfebehörden in Frage zu stellen. Sodann formuliert die Aussage der SGK-NR zum Erfordernis der Abtretungserklärung einen Grundsatz, von dem nach den Ausführungen der Kommission vor wie nach In-Kraft-Treten des ATSG Abweichungen zulässig sind: Drittauszahlungen nach Art. 22 Abs. 2 ATSG setzen zwar grundsätzlich eine formelle Abtretungserklärung (Art. 164 ff. OR) voraus; von diesem Erfordernis kann aber - wie im Kommissionsbericht mit Bezug auf Art. 10 MVG (vgl. dazu JÜRG MAESCHI, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung vom 19. Juni 1992, Bern 2000, N 10 ff. zu Art. 10) konkret verdeutlicht und bisheriger Rechtslage entsprechend - auch unter Herrschaft des ATSG ausnahmsweise abgewichen werden. Wie bis anhin bedarf es keiner Abtretungserklärung der versicherten Person, wenn dem Drittauszahlungsempfänger unmittelbar kraft Gesetz - so etwa aus ![]() | 9 |
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