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19. Auszug aus dem Urteil i.S. M. gegen beco Berner Wirtschaft, Arbeitslosenkasse, und Verwaltungsgericht des Kantons Bern |
C 229/03 vom 1. Februar 2006 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 2 AVIG; Art. 3 Abs. 1 AVIV; Art. 351 OR: "Tagesmütter". | |
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Erwägung 2 | |
2.1 Es steht fest, dass die Beschwerdeführerin im Bemessungszeitraum vom 1. Dezember 2001 bis 30. November 2002 als Tagesmutter (Betreuung eines Kindes bei sich zu Hause) einen versicherten Verdienst von durchschnittlich Fr. 423.50 im Monat erzielte. Umstritten ist, ob sie in Bezug auf diese Tätigkeit als Heimarbeitnehmerin nach Art. 8 Abs. 2 AVIG, alt Art. 18 Abs. 3 AVIG und Art. 3 Abs. 1 AVIV sowie Art. 351 OR zu betrachten ist. Das kantonale Gericht hat diese Frage mit der Begründung verneint, das Betreuen von Kindern stelle keine Arbeit industrieller, gewerblicher, kaufmännischer oder technischer Natur im Sinne des Gesetzes und der Literatur dar. Dem hält die Beschwerdeführerin im Wesentlichen entgegen, die gesetzliche Regelung schliesse die Qualifikation der Fremdkinder-Betreuung als Heimarbeit nicht aus. Die gegenteilige Auffassung stelle eine ![]() | 1 |
2.2 Im Urteil M. vom 12. November 1997 (ARV 1998 Nr. 46 S. 261) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im Zusammenhang mit der Sonderregelung des Art. 14 Abs. 2 AVIV (Vermittlungsfähigkeit von Versicherten, die vor ihrer Arbeitslosigkeit als Heimarbeitnehmer beschäftigt waren) Erwägungen angestellt zur Frage, ob die Tätigkeit als Tagesmutter, die Betreuung von Tageskindern zu Hause, Heimarbeit im Sinne von Art. 351 OR darstellt. Das Gericht hat im Wesentlichen unter Hinweis auf die Lehre sowie die Botschaft zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Revision des 10. Titels und des 10. Titelsbis des Obligationenrechts (Der Arbeitsvertrag; BBl 1967 II 241 ff.) zusammengefasst Folgendes ausgeführt: Unter den Begriff der Heimarbeit fallen alle Arbeiten, zu deren Ausführung der Heimarbeitnehmer (allenfalls von ihm zu beschaffendes) Material und/oder Geräte, die ihm vom Arbeitgeber übergeben werden, benötigt (vgl. Art. 351a und 352a Abs. 1 OR). Es handelt sich dabei in erster Linie um manuelle und maschinelle Verrichtungen zur Güterherstellung, -verarbeitung und -veredelung in Industrie und Gewerbe. "Typische" Beispiele sind etwa das Handmaschinensticken und -weben, das Zusammensetzen und Fertigen von Uhren oder das Ausführen von Sackreparaturen für die PTT oder das EMD. Heimarbeiten im Sinne von Art. 351 OR können indessen nicht nur industrieller und gewerblicher, sondern auch kaufmännischer oder technischer Natur sein (BBl 1967 II 267 unten). Zu denken ist insbesondere an das Führen der Buchhaltung für eine Firma, das Leiten einer lokalen oder regionalen Krankenkassenagentur, an Schreibarbeiten, Übersetzungen oder das Zeichnen von Plänen. Schliesslich können auch journalistische, wissenschaftliche und künstlerische Verrichtungen in Heimarbeit ausgeführt werden. Im Unterschied zum Heimarbeitsgesetz vom 12. Dezember 1940, welches nur für industrielle und gewerbliche Heimarbeit galt, kann somit der Heimarbeitsvertrag (neben werkvertraglichen) auch dienstvertragliche Merkmale aufweisen. Im Rahmen der Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts (Bundesgesetz vom 25. Juni 1971) wurde zwar der Kreis der unter den Heimarbeitsvertrag fallenden Rechtsverhältnisse bewusst weiter gezogen. Daraus kann indessen nicht ![]() | 2 |
Eine nochmalige eingehende Prüfung ergibt, dass Tagesmütter nicht als Heimarbeitnehmerinnen zu betrachten sind. Die Betreuung fremder Kinder bei sich zu Hause kann nicht als Ausführen von "Arbeiten" im Sinne von Art. 351 OR bezeichnet werden. Gegen ein solches Begriffsverständnis spricht, dass der Heimarbeitnehmer oder die Heimarbeitnehmerin dem Arbeitgeber ein Arbeitserzeugnis zu übergeben oder abzuliefern hat. Es ist somit ein Arbeitsergebnis geschuldet und nicht bloss das Leisten von Arbeit (MANFRED REHBINDER, Zur gesetzlichen Begriffsbestimmung des Heimarbeitsvertrages, in: ArbR [Mitteilungen des Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht] 1990 S. 79 ff., S. 81 II.1). Selbst wenn über den Gesetzeswortlaut hinaus "die in das Pflegekind 'eingeflossene' Betreuung mitsamt dem zufriedenen Kind" als Arbeitserzeugnis bezeichnet werden wollte, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, wäre damit nichts gewonnen. Es kommt entscheidend dazu, dass das Arbeitsergebnis (Gegenstand, Ware, Text usw.) durch den Arbeitgeber weiter wirtschaftlich verwendet resp. verwertet wird, in der eigenen Produktion oder direkt auf dem Markt. Dieses Merkmal fehlt bei der Kinderbetreuung gänzlich. Die Entstehungsgeschichte der Regelung über den Heimarbeitsvertrag (Art. 351 ff. OR) bestätigt im Übrigen, dass der Wortlaut auch dem Rechtssinn entspricht. Insbesondere finden sich in den Materialien keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber auch die Tätigkeit als Tagesmutter als Heimarbeit erfasst haben wollte (vgl. BBl 1967 II 267 f. und 414 ff.; ferner Botschaft vom 27. Februar 1980 zu einer Revision des Bundesgesetzes über die Heimarbeit ![]() | 3 |
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