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24. Urteil i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen A. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich |
I 374/04 vom 10. April 2006 |
Art. 8 Abs. 1, 2 und 3 lit. d, Art. 21 Abs. 1, 2 und 3 IVG; Art. 2 Abs. 1, 2 und 4 HVI; Ziff. 1.01 HVI Anhang (jeweils in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung): Hilfsmittelabgabe als Eingliederungsmassnahme. |
Art. 8 Abs. 1 Satz 2 IVG (in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung): Praxisänderung. |
Art. 69 IVG in Verbindung mit Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG (je in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung); Art. 61 lit. g ATSG: Parteientschädigung. | |
Sachverhalt | |
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B. In Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde sprach das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich A. mit Entscheid vom 10. Juni 2004 eine Beinprothese mit C-Leg-Kniegelenk (Dispositiv-Ziffer 1) und eine Parteientschädigung von Fr. 3000.- zu (Dispositiv-Ziffer 3), nachdem es u.a. einen Bericht der Arbeitgeberfirma vom 8. Oktober 2003 sowie ein Gutachten der Rehaklinik Bellikon vom 12. Februar 2004 eingeholt hatte.
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C. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ein Anspruch auf eine Oberschenkel-Prothese mit C-Leg-Kniegelenk sei zu verneinen und die Sache sei an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit diese nach Einholen eines Kostenvoranschlags für eine Beinprothese "inkl. (herkömmlichem) Kniegelenk im Rahmen der bisherigen Versorgung" neu verfüge.
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Während A. auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, beantragt die IV-Stelle deren Gutheissung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Erwägung 2 | |
2.1 Beim C-Leg (Computerized Leg) handelt es sich um ein mikroprozessor-gesteuertes Prothesenkniegelenk mit aktivitätsabhängiger elektronischer Kontrolle und Regelung der Stand- und Schwungphasenwiderstände gemäss dem individuellen Gang des Patienten (vgl. LARS KÖCHER, Das Kniegelenksystem C-Leg - klinische Versorgungsstatistik, in: Med. Orth. Tech. 121 [2001] S. 129-134, S. 129). Eine komplexe Sensorik erfasst kontinuierlich die Daten in jeder Phase des Gehens und reguliert die ![]() | 6 |
2.2 Was die medizinische Indikation für eine C-Leg-Ausstattung anbelangt, beschränkt sich diese nach Empfehlung der Herstellerfirma und Auffassung von Fachleuten grundsätzlich auf einseitig Oberschenkelamputierte mit Mobilitätsgrad "uneingeschränkter Aussenbereichsgeher" oder "uneingeschränkter Aussenbereichsgeher mit besonders hohen Ansprüchen an die Mobilität" (Otto Bock Suisse AG: Einige Überlegungen zur Kostenfrage C-Leg; von der Vorinstanz eingeholtes Gutachten des Dr. D., Leitender Arzt der Orthopädischen Rehabilitation an der Rehaklinik Bellikon, vom 12. Februar 2004, S. 2 u. 5 f.; vgl. auch WETZ/HAFKEMEYER/WÜHR/DRERUP, Einfluss des C-Leg-Kniegelenk-Passteiles der Fa. Otto Bock auf die Versorgungsqualität Oberschenkelamputierter, in: Der Orthopäde 34 [2005] S. 298-319). Daraus ergeben sich unter Berücksichtigung epidemiologischer Gegebenheiten (zuverlässige statistische Angaben liegen namentlich für Deutschland vor) schätzungsweise ![]() | 7 |
Erwägung 3 | |
Erwägung 3.1 | |
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Erwägung 3.2 | |
3.2.1 Gemäss Art. 8 Abs. 1 IVG haben Invalide oder von einer Invalidität unmittelbar bedrohte Versicherte Anspruch auf ![]() | 10 |
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3.2.3 Anspruch auf eine definitive funktionelle Beinprothese besteht gemäss Ziff. 1.01 HVI Anhang in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 HVI und Art. 21 Abs. 2 IVG, soweit eine solche für die Fortbewegung notwendig ist. Eine darüber hinausgehende ![]() | 12 |
Erwägung 4 | |
Erwägung 4.1 | |
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4.1.2 Laut Stellungnahme des Hausarztes Dr. E. vom 17. Juni 2002 kam es "in letzter Zeit [...] zu gehäuften Stürzen", die glücklicherweise ohne grössere Verletzungen abgelaufen seien. Als Vorbeugung gegen weitere Stürze und zur Erhaltung der Arbeitskraft des Beschwerdegegners als Leiter eines international tätigen Unternehmens erachtete Dr. E. die Versorgung seines Patienten mit einer Prothese "neuster Technologie (mit Bremshilfe)" als dringend indiziert. Wie Dr. D. im bereits zitierten Gutachten der ![]() | 14 |
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Erwägung 4.3 | |
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4.3.2 Das Beschwerde führende BSV bestreitet die finanzielle Angemessenheit, weil die Versorgung mit dem C-Leg-System Kosten nach sich ziehe, welche mehr als viermal so hoch seien wie die einer bisher genügenden und zweckmässigen Prothesenversorgung. Nebst der aufwändigen Technik lasse bereits diese Preisdifferenz darauf schliessen, dass es sich beim C-Leg-Kniegelenk um eine "Luxusversorgung" handle, welche nicht in den "Zuständigkeitsbereich der Invalidenversicherung fallen" könne. Zwischen einer einfachen und zweckmässigen Versorgung und derjenigen mit einer C-Leg-ausgerüsteten Beinprothese bestehe ein "krasses Missverhältnis, welches die Abgabe eines solch kostspieligen Hilfsmittels nicht verantworten" lasse. Sofern ein Anspruch vom Orthopädie-Techniker im Rahmen des Kostenvoranschlags einleuchtend begründet und zusätzlich eventuell durch einen Arztbericht bestätigt werde, könnte - als Alternative - zum Beispiel die Versorgung mit einem "Activ-Line-Knie" von der Invalidenversicherung im Einzelfall vergütet werden; die Abgabe ![]() | 17 |
4.3.3 Soweit das BSV einmal mehr (vgl. BGE 130 V 163) den Charakter der Einfachheit und Zweckmässigkeit mit dem Fehlen einer IV-Tarifposition (Art. 27 IVG) begründet, kann ihm von vornherein nicht beigepflichtet werden. Durch Abschluss von Tarifverträgen können die formellgesetzlichen Leistungsansprüche nicht in normativ verbindlicher Weise beschränkt werden (BGE 130 V 172 Erw. 4.3.2 mit Hinweisen). Der am 25. März 2002 abgeschlossene, mit Wirkung ab 1. April 2002 geltende Tarifvertrag zwischen dem SVOT einerseits und den Versicherern gemäss Bundesgesetz über die Unfallversicherung (vertreten durch die Medizinaltarif-Kommission UVG), dem Bundesamt für Militärversicherung sowie der Invalidenversicherung (vertreten durch das BSV) andererseits führt unter Position 418 345 das C-Leg-Versorgungsset auf und bewertet es mit 16'847 Taxpunkten. Beigefügt ist der Vermerk "o*", was gemäss Zeichenerklärung im Anhang bedeutet, dass dieses Hilfsmittel von der Unfallversicherung und der Militärversicherung bei vorgängiger Zustimmung übernommen werden kann, nicht hingegen von der Invalidenversicherung. Diese Beschränkung entfaltet jedoch im Verhältnis zwischen versicherter Person und Versicherung, also hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs, keine Rechtswirksamkeit, da Tarifverträge keine eigenen Rechtsregeln, sondern nur eine Konkretisierung und Umschreibung der gesetzlichen und verordnungsmässigen Bestimmungen darstellen. Es handelt sich hiebei um Vorgaben an die Vollzugsorgane der Versicherung über die Art und Weise, wie diese ihre Befugnisse auszuüben haben (BGE 130 V 171 Erw. 4.3.1). Dass das C-Leg-Kniegelenk von der Unfall- und der Militärversicherung übernommen werden kann, von der Invalidenversicherung aber nicht, geht schon deswegen nicht an, weil die Einfachheits- und Zweckmässigkeitsanforderung bezüglich einer bestimmten Leistung für alle Sozialversicherungszweige die gleiche ist. Es handelt sich - auch unter der Geltung des ATSG - um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, bei ![]() | 18 |
4.3.4 Kommt das C-Leg-Kniegelenksystem somit grundsätzlich als Hilfsmittelversorgung in Betracht, so ist sein Einsatz zu Lasten der Invalidenversicherung doch auf jene Fälle zu beschränken, in denen ein besonders gesteigertes Eingliederungsbedürfnis - hier: spezielle berufliche Anforderungen an die Gehfähigkeit und Herabsetzung des Sturzrisikos - nachgewiesen ist. Es kann also nicht nur um die Respektierung der dargelegten medizinischen Indikationen gehen, welche den Kreis von potenziellen C-Leg-Bezügern auf 30 bis 50 Personen pro Jahr beschränken (Erw. 2.2 hievor). Vielmehr ist IV-rechtlich zusätzlich verlangt, dass die Versorgung mit einem C-Leg-Kniegelenk im konkreten Fall berufsbedingt notwendig ist (vgl. vorstehende Erw. 3.2.3). Diese Voraussetzungen sind im Falle des Beschwerdegegners eindeutig erfüllt, da er nur mehr mit einer solcherart ausgerüsteten Oberschenkel-Prothese in der Lage ist, den mit seiner beruflichen Stellung verbundenen Aufgaben weiterhin uneingeschränkt nachzukommen. Das C-Leg-System reduziert nämlich die Sturz- und Stolpergefahr namentlich auf unebenem Gelände, mithin im Arbeitsumfeld, wie es der Versicherte bei der Begehung ausländischer Industrieanlagen und entsprechender Baustellen ständig antrifft. Unter Ausklammerung nachfolgender Erw. 4.4 und 4.5 erscheinen auf dem Hintergrund des Gesagten die Versorgungskosten von rund Fr. 39'000.- (für die Dauer von fünf Jahren) im Vergleich zu denjenigen einer konventionellen Ausstattung von bis zu rund Fr. 8000.- nicht als finanziell unangemessen. Denn nach der Rechtsprechung vermag ![]() | 19 |
Erwägung 4.4 | |
4.4.1 Unter dem Blickwinkel der zeitlichen Angemessenheit muss gewährleistet sein, dass der mit einer Eingliederungsmassnahme angestrebte Erfolg voraussichtlich von einer gewissen Dauer ist (BGE 130 V 491 mit Hinweisen; MEYER-BLASER, a.a.O., S. 85 f., MAESCHI, a.a.O., N 21 zu Art. 33 MVG). Für die Verhältnismässigkeitsprüfung schreibt Art. 8 Abs. 1 Satz 2 IVG vor, dass "die gesamte noch zu erwartende Arbeitsdauer zu berücksichtigen" sei ("ce droit est déterminé en fonction de toute la durée d'activité probable"; "per stabilire tale diritto, è considerata tutta la durata di lavoro prevedibile"). Gemäss ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil B. vom 8. Juli 1969 (EVGE 1969 S. 151 Erw. 5) bemisst sich die "gesamte noch zu erwartende Arbeitsdauer" nach den für die Versicherten einer bestimmten Altersstufe geltenden statistischen Daten (aktuell: 5. Auflage der Barwerttafeln von STAUFFER/ SCHAETZLE, Tafel 43) und umfasst somit namentlich auch denjenigen Teil der mittleren Aktivitätsdauer, mit dem die versicherte Person nach Eintritt in das AHV-Rentenalter noch rechnen kann; Besonderheiten des konkreten Einzelfalles (Berufsart, Stellung im Beruf, allgemeiner Gesundheitszustand) sind nur zu berücksichtigen, wenn sich eine solche Abweichung von der dargelegten Regel deutlich aufdrängt (BGE 101 V 51 in fine; ZAK 1982 S. 229 Erw. 3b, BGE 101 V 1971 S. 275 Erw. 2a, 1970 S. 112; Urteil P. vom 15. Juni 2004, I 248/03; unveröffentlichtes Urteil D. vom 30. Dezember 1993, I 180/93; MEYER-BLASER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], in: MURER/STAUFFER [Hrsg.], Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Zürich 1997, S. 59 und 94) ![]() | 20 |
Den letztgenannten Grundsatz hat die Rechtsprechung in zweifacher Hinsicht weiter verschärft: Zum einen darf den im Zeitpunkt der Beurteilung bestehenden subjektiven Absichten der versicherten Person bezüglich ihrer zukünftigen Aktivität keine Bedeutung beigemessen werden; denn diese Vorhaben lassen sich in der Regel nicht zuverlässig feststellen und sind zudem in hohem Masse der Möglichkeit oder der Wahrscheinlichkeit einer späteren Gesinnungsänderung aus wirtschaftlichen, gesundheitlichen oder sonstigen persönlichen oder familiären Gründen ausgesetzt. Zum andern ist schon aus Gründen der Rechtsgleichheit kein Unterschied zwischen Unselbstständigerwerbenden (mit oder ohne Pensionsanspruch) und Selbstständigerwerbenden zu machen (BGE 101 V 52 Erw. 3b; ZAK 1989 S. 455 Erw. 3, BGE 101 V 1982 S. 229 Erw. 3b; a.a.O., MEYER-BLASER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], S. 94).
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Auf dieser objektivierten Grundlage ist nach der aufgezeigten Gerichtspraxis zu prüfen, ob eine Eingliederungsvorkehr in zeitlicher Hinsicht angemessen ist, weil sie den verlangten sachlichen Eingliederungserfolg während der der versicherten Person noch verbleibenden gesamten Aktivitätsperiode (oder wenigstens während eines bedeutenden Teils davon) erwarten lässt, wobei die verbleibende Aktivitätsdauer noch verhältnismässig lange dauern muss (vgl. BGE 104 V 83 Erw. 3b, BGE 101 V 50 Erw. 3b; EVGE 1969 S. 151 Erw. 5 am Anfang).
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4.4.2 Im hier zu beurteilenden Fall war der Beschwerdegegner, als er im Juli 2002 bei der IV-Stelle das Gesuch um Abgabe einer Beinprothese mit C-Leg-Kniegelenk einreichte, 61 Jahre und 9 Monate alt. Nach der hievor erwähnten Tafel 43 der 5. Auflage von STAUFFER/SCHAETZLE konnte er somit noch mit einer Aktivitätsdauer von etwas mehr als 14 Jahren rechnen. Hinsichtlich der damals noch zu erwartenden konkreten Arbeitsdauer des Versicherten liegt seitens der Arbeitgeberfirma einzig die Auskunft vom 8. Oktober 2003 vor, wonach eine vorzeitige Pensionierung nicht vorgesehen sei. Ferner hat der Versicherte selber gegenüber dem ärztlichen Gutachter Dr. D. am 12. Februar 2004 angegeben, die Arbeit mache ihm Spass und er habe "geschäftsintern keine Alterslimite". Die technisch (bzw. aufgrund der Garantie des Herstellers) auf drei bis fünf Jahre angelegte, anschliessend zu erneuernde C-Leg-Versorgung erlaubt es dem Beschwerdegegner, seine Eingliederung im bisherigen Beruf während der noch ![]() | 23 |
Angesichts dieser Sachlage wäre bei Heranziehen der bisherigen, in Erw. 4.4.1 hievor angeführten Rechtsprechung (so letztmals im unveröffentlichten Urteil D. vom 30. Dezember 1993, I 180/93) die zeitliche Angemessenheit ebenfalls erfüllt, womit einer Zusprechung des anbegehrten Hilfsmittels an den Versicherten nichts entgegenstünde. Im Folgenden (Erw. 4.5 hienach) wird indessen der Frage nachgegangen, ob bei Versicherten, die in unselbstständiger Stellung erwerbstätig sind und im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung relativ kurz vor dem ordentlichen AHV-Rentenalter stehen, an der bisherigen Gerichtspraxis festzuhalten oder aber - in Abkehr davon - grundsätzlich nicht mehr auf die verbleibende mittlere Aktivitätsdauer gemäss Barwerttafeln abzustellen ist.
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Erwägung 4.5 | |
25 | |
Vor dem am 1. Januar 1968 erfolgten In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes vom 5. Oktober 1967 (AS 1968 29 42) fehlte es an einer dem zweiten Satz von Art. 8 Abs. 1 IVG entsprechenden Bestimmung in der ursprünglichen Fassung des IVG. Im Zusammenhang mit der prognostisch zu beantwortenden Frage nach der geforderten Dauerhaftigkeit des Eingliederungserfolgs von medizinischen Massnahmen im Sinne von Art. 12 IVG hatte das Eidgenössische Versicherungsgericht unter altem Recht folgende Rechtsprechung entwickelt (EVGE 1966 S. 212 Erw. 1e; vgl. auch EVGE 1967 S. 165 Erw. 1 in fine und ZAK 1970 S. 114 Erw. 2 am Anfang):
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"Bei älteren Versicherten ist zu beachten, dass die erwerblich günstigen Auswirkungen auch hinsichtlich der Dauer wesentlich sein müssen. Unter welchen Umständen das zutrifft, kann nicht abstrakt ein für allemal festgelegt werden. Doch verlangt die rechtsgleiche Behandlung aller Versicherten eine objektive Grundlage für die Abgrenzung der dauernden von den nicht dauernden Auswirkungen. Diese Basis findet sich in Art. 10 Abs. 1 IVG. Danach geht die invalidenversicherungsrechtlich massgebende Aktivitätsperiode mit der Entstehung des Anspruches auf eine AHV-Altersrente zu Ende, für Männer also mit der Zurücklegung des 65. Altersjahres (Art. 21 Abs. 1 AHVG). In diesem Sinne ist eine voraussichtlich günstige Beeinflussung der Erwerbsfähigkeit hinsichtlich der Dauer dann als wesentlich anzusehen, wenn sie, verglichen mit der ![]() | 27 |
Diese Gerichtspraxis führte dazu, dass in vielen Fällen bereits einige Jahre vor Erreichen des AHV-Rentenalters ein Anspruch auf medizinische Massnahmen der Invalidenversicherung verneint werden musste (unveröffentlichtes Urteil D. vom 30. Dezember 1993, I 180/93). Die Eidgenössische Expertenkommission für die 1. IVG-Revision vertrat demgegenüber einhellig die Auffassung, dass bei der Beurteilung des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen stets die gesamte noch zu erwartende Aktivitätsperiode der versicherten Person zu berücksichtigen sei (Protokoll der Sitzung der Expertenkommission vom 1. Februar 1966, S. 4 f.; Bericht der Expertenkommission vom 1. Juli 1966 S. 30 f. und 144). Der Bundesrat trug dieser Empfehlung mit der Formulierung des zweiten Satzes von Art. 8 Abs. 1 IVG seines Entwurfs Rechnung (BBl 1967 I 669 und 707 = FF 1967 I 694 et 737); die vorgeschlagene Gesetzesbestimmung wurde schliesslich von beiden Kammern des Parlaments diskussionslos angenommen (Amtl. Bull. 1967 S 223 und N 438).
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4.5.3 Diese Regelungsabsicht hindert indessen das Eidgenössische Versicherungsgericht nicht, insofern seine mit EVGE 1969 S. 151 Erw. 5 eingeleitete und seither stets bestätigte (und sogar verschärfte) Rechtsprechung zu überdenken, als es seinerzeit den ![]() | 30 |
4.5.4 Aufgrund vorstehender Überlegungen ist die bisherige Rechtsprechung - wenigstens für den Kreis relativ kurz vor dem ordentlichen AHV-Rentenalter stehender Unselbstständigerwerbender - nicht aufrechtzuerhalten. Vielmehr ist in solchen Fällen bei der Beurteilung der zeitlichen Angemessenheit des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen grundsätzlich davon auszugehen, dass sich "die gesamte noch zu erwartende Arbeitsdauer" im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 2 IVG auf den verbleibenden Zeitraum bis zur Vollendung des 64./65. Altersjahres beschränkt und eine Abweichung hievon nur bei Vorliegen ganz besonderer und konkreter ![]() | 31 |
Anzumerken bleibt, dass sich die dargelegte neue Betrachtungsweise ausschliesslich auf Eingliederungsmassnahmen bezieht, welche die Erwerbsfähigkeit der versicherten Person im Auge haben. Soweit es um Vorkehren zur Eingliederung in den bisherigen Aufgabenbereich, etwa den Haushalt, geht (vgl. die mit der 4. IVG-Revision auf den 1. Januar 2004 hin geänderte Fassung von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 IVG, welche indessen nur "im Sinne einer vermehrten Klarheit" die mit Bezug auf den Begriff der Erwerbsfähigkeit schon bisher weite Auslegung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts wiedergibt: BBl 2001 3266 f. = FF 2001 3109 sv. mit Hinweis auf BGE 108 V 212 Erw. 1c; vgl. auch BGE 115 V 199 Erw. 5b), ist hinsichtlich der Prüfung der zeitlichen Angemessenheit das Heranziehen der statistischen Daten zur verbleibenden Aktivitätsdauer nicht zu beanstanden (vgl. auch nachfolgende Erw. 4.5.5 in fine).
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Die angeführte Änderung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung führte dazu, dass in der aktuellen 5. Auflage der Barwerttafeln von STAUFFER/SCHAETZLE der Begriff der Aktivität in der Ruhestandsphase nicht mehr an die Erwerbsfähigkeit geknüpft ist, ![]() | 34 |
5. Wie sich die dargelegte Rechtsprechungsänderung zum zweiten Satz von Art. 8 Abs. 1 IVG auf den vorliegenden Fall auswirkt, lässt sich aufgrund der gegebenen Aktenlage nicht abschliessend beurteilen. Namentlich kann weder eindeutig bejaht noch verneint werden, ob im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bei der IV-Stelle vom Juli 2002 (vgl. hiezu BGE 110 V 102 oben) ganz besondere Umstände im Sinne von Erw. 4.5.4 vorlagen, welche die Weiterführung der Erwerbstätigkeit des Beschwerdegegners in der angestammten Funktion über das ordentliche AHV-Rentenalter hinaus prognostizieren liessen. Die Verwaltung wird diesen Punkt, welchem nach der bisherigen Rechtsprechung praktisch keine Bedeutung zukam (vgl. Erw. 4.4.1 hievor), näher abzuklären haben. Mit Bezug auf die zeitliche Angemessenheit kann einzig festgestellt werden, dass eine C-Leg-Versorgung dem Versicherten auf jeden Fall erlauben würde, seine bisherige Funktion während der gesamten noch verbleibenden Aktivitätsperiode auszuüben, unabhängig davon, ob diese nur bis zur Vollendung des 65. Altersjahres (Regelfall der neuen Rechtsprechung) oder aber darüber hinaus andauert. Die IV-Stelle wird indessen - sowohl im einen wie auch im anderen Fall - weiter zu beantworten haben, ob die verbleibende Aktivitätsdauer überdies noch als verhältnismässig lang gelten kann, was unter dem Gesichtspunkt der zeitlichen Angemessenheit ebenfalls erforderlich ist (Erw. 4.4.1 hievor in fine). Während nach dem Gesagten einem deutlich jüngeren Versicherten bei sonst identischen Begleitumständen das hier streitige Hilfsmittel ohne weitere Abklärungen zu Lasten der Invalidenversicherung zuzusprechen wäre (vgl. Erw. 4.2 ff. hievor, insbesondere Erw. 4.3.4), wird die Verwaltung im vorliegenden Fall nach erfolgter Aktenergänzung darüber zu befinden haben, ob die Versorgung des (im Gesuchszeitpunkt) 61 ¾ Jahre alten Beschwerdegegners mit dem C-Leg-Kniegelenksystem angesichts des zur Diskussion stehenden finanziellen ![]() | 35 |
Erwägung 6 | |
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Die Voraussetzungen für die Zusprechung einer Parteientschädigung für das letztinstanzliche Verfahren (Art. 159 in Verbindung mit Art. 135 OG) sind nicht erfüllt: Die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu weiterer Abklärung und neuer Verfügung gilt praxisgemäss als volles Obsiegen der Beschwerde führenden Partei im Sinne von Art. 159 OG (BGE 110 V 57 Erw. 3a; SVR 1999 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 3; ZAK 1987 S. 268 Erw. 5; Urteil K. vom 10. Februar 2004, U 199/02). Demzufolge steht dem Beschwerdegegner als im vorliegenden Verfahren unterliegender Partei keine Entschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 OG), während dem obsiegenden BSV von Gesetzes wegen keine Parteientschädigung zugesprochen werden kann (Art. 159 Abs. 2 OG).
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6.2 Nach der zu alt Art. 69 IVG in Verbindung mit dem früheren Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG ergangenen Rechtsprechung gilt es auch im kantonalen Verwaltungsgerichtsverfahren unter dem Gesichtspunkt des (bundesrechtlichen) Anspruchs auf eine Parteientschädigung im Streit um eine Sozialversicherungsleistung bereits als Obsiegen, wenn die versicherte Person ihre Rechtsstellung im Vergleich zu derjenigen nach Abschluss des Administrativverfahrens insoweit verbessert, als sie die Aufhebung einer ablehnenden Verfügung und die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu ergänzender Abklärung und neuer Beurteilung erreicht (BGE 110 V 57 Erw. 3a; SVR 1999 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 3; ZAK 1987 S. 268 Erw. 5; Urteil K. vom 10. Februar 2004, U 199/02). An dieser Gerichtspraxis ist auch im Hinblick auf den am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Art. 61 lit. g ATSG (hier anwendbar gemäss Art. 1 Abs. 1 IVG; Erw. 3.1.2 hievor) festzuhalten (so auch KIESER, ATSG-Kommentar, N 100 zu Art. 61). Die durch das kantonale Gericht zugesprochene Parteientschädigung an den heutigen Beschwerdegegner und damaligen Beschwerdeführer (Dispositiv-Ziffer 3 des angefochtenen Entscheids) ist demnach trotz des letztinstanzlichen Prozessausgangs zu bestätigen, hätte doch der Versicherte seinerzeit unter dem Blickwinkel der ![]() | 38 |
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