BGE 132 V 257 | |||
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28. Urteil i.S. Ausgleichskasse des Kantons Zürich gegen T. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich |
H 47/05 vom 3. Mai 2006 | |
Regeste |
Art. 49 Abs. 1 und 2 ATSG; Art. 5 Abs. 1 lit. a, b und c , Art. 25 Abs. 2 VwVG; Art. 5 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 AHVG: Kassenzugehörigkeit; Anschluss an eine Ausgleichskasse als Selbstständigerwerbender. | |
Sachverhalt | |
A. Der 1968 geborene T., Inhaber der seit 5. Dezember 1994 im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma Q., war ab 1. September 1996 der Ausgleichskasse des Kantons Zürich als Selbstständigerwerbender im Hauptberuf (Branche: Inter-Risk-Management) angeschlossen. Im November 2003 ersuchte er um Registrierung als selbstständiger Unternehmensberater ab 1. Januar 2004. Im Fragebogen für Selbstständigerwerbende und Personengesellschaften vom 26. November 2003 umschrieb er seine Tätigkeit mit Risiko- und Versicherungsberatung für Unternehmungen. Vertragspartner seien die X. AG und Kunden. Es bestehe ein Maklervertrag. Mit Schreiben vom 12. Februar 2004 bestätigte die X. AG, "dass Herr T. als Selbstständigerwerbender bei uns tätig ist. Er betreut und beratet in unserem Namen die Kunden und stellt weder Rechnungen noch Korrespondenz im eigenen Namen aus. Mit den Kunden besteht eine Maklervereinbarung lautend auf uns. Herr T. ist somit für die Abrechnung der Sozialversicherungen oder obligatorischen Versicherungen selber verantwortlich." Am 27. Februar 2004 teilte die kantonale Ausgleichskasse T. mit, die Erwerbstätigkeit für die X. AG sei als unselbstständig zu qualifizieren. Als sein Arbeitgeber habe die Firma mit der zuständigen Ausgleichskasse abzurechnen und die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Eine Kopie des Schreibens ging auch an die Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber, welcher die X. AG unterstellt war.
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Mit Verfügung vom 2. April 2004 und Einspracheentscheid vom 7. Mai 2004 lehnte die Ausgleichskasse die Anerkennung von T. als selbstständigerwerbender Unternehmensberater ab.
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B. Die Beschwerde des T. hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 3. Februar 2005 in dem Sinne gut, dass es den Einspracheentscheid vom 7. Mai 2004 mit der Begründung aufhob, die Voraussetzungen für den Erlass einer Feststellungsverfügung über das Beitragsstatut seien nicht gegeben.
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T. beantragt die Anerkennung seiner Selbstständigkeit. Die Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber schliesst auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 ATSG genügt das Glaubhaftmachen eines rechtlichen oder tatsächlichen und aktuellen Interesses an der sofortigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses für den Erlass einer Feststellungsverfügung (KIESER, a.a.O., N 18 zu Art. 49).
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1.1 Das kantonale Gericht hat den die Verfügung vom 2. April 2004 bestätigenden Einspracheentscheid vom 7. Mai 2004 betreffend die Nichtanerkennung des Versicherten und heutigen Beschwerdegegners als selbstständigerwerbender Unternehmensberater aufgehoben. Die Vorinstanz hat erwogen, ob die Einkünfte aus der Tätigkeit für resp. aus der Zusammenarbeit mit der X. AG als Einkommen aus selbstständiger oder unselbstständiger Erwerbstätigkeit zu betrachten seien, könne ohne Weiteres durch eine rechtsgestaltende Verfügung über paritätische Beiträge geklärt werden. Eine allfällige rückwirkende Vertragsabwicklung zwischen Arbeit- oder Auftraggeberin und Versichertem sei in Bezug auf die Beitragsregelung zumutbar. Ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Tätigkeit für die X. AG sei allenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn die am Verfahren beteiligte Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber dieser Firma den Erlass einer paritätischen Beitragsverfügung verweigern sollte. Die übrigen Tätigkeiten seien nicht näher bekannt. Der Versicherte habe nicht dargelegt, um welche Dienstleistungen es sich hierbei handle. Es fehle somit die Glaubhaftmachung eines Feststellungsinteresses. Es sei nicht auszuschliessen, dass der Versicherte sowohl selbstständig wie unselbstständig erwerbstätig sei. Ein einziger materieller Entscheid über das Beitragsstatut sei bei der gegebenen offenen Sachlage nicht möglich und auch nicht zulässig.
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Erwägung 2 | |
2.1 Bei Verfügungen über das AHV-Beitragsstatut bejaht die Gerichtspraxis ein Feststellungsinteresse bei komplizierten Verhältnissen, wo der mit der Abrechnung über paritätische Beiträge verbundene Arbeitsaufwand oft nur dann zumutbar ist, wenn bereits feststeht, dass eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird und die Abrechnungs- und Beitragszahlungspflicht der als Arbeitgeber oder Arbeitgeberin angesprochenen Person erstellt ist. Für die Bejahung eines schutzwürdigen resp. schützenswerten Interesses im dargelegten Sinne sprechen u.a. die grosse Zahl von betroffenen Versicherten und der Umstand, dass die Rechtsfrage nach dem Beitragsstatut wegen besonderer Verhältnisse neuartig ist (BGE 129 V 290 Erw. 2.2 mit Hinweisen; vgl. auch AHI 2001 S. 219 Erw. 2a).
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Diese Rechtsprechung hat grundsätzlich auch unter der Herrschaft von Art. 49 Abs. 2 ATSG Gültigkeit.
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2.3.2 Im Fall H 187/99 hatte der in der Informatikbranche tätige F. seit Januar 1995 Arbeiten für die Firma D. AG erledigt. Sein Gesuch vom 12. Juni 1998 um Erfassung als Selbstständigerwerbender lehnte die kantonale Ausgleichskasse ab, weil er als Unselbstständigerwerbender zu betrachten sei. Davon machte sie der Ausgleichskasse der D. AG Mitteilung und ersuchte um Überprüfung des Beitragsstatuts. Eine Rechtsverweigerungs-, eventuell Rechtsverzögerungsbeschwerde von F. wies das Bundesamt für Sozialversicherung mit der Begründung ab, es bestehe kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse, da eine rechtsgestaltende Verfügung ergehen könne. Das Eidgenössische Versicherungsgericht wies die hiegegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab (unveröffentlichtes Urteil F. vom 8. Juli 1999 [H 187/99]).
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2.4.1 Versicherte haben keinen Anspruch darauf, dass eine Ausgleichskasse ihr Beitragsstatut in Bezug auf die Tätigkeit für eine ihr als Selbstständigerwerbender angeschlossene natürliche oder juristische Person verbindlich festlegt, allenfalls durch eine Verfügung über paritätische Beiträge auf den bezogenen Entgelten. Daran ändert nichts, dass ein solcher Verwaltungsakt grundsätzlich auch dem oder den davon betroffenen Arbeitnehmern zu eröffnen ist und diese ein selbstständiges Einsprache- und Beschwerderecht haben (vgl. BGE 113 V 1 sowie Urteil K. vom 5. Juli 2000 [H 376/ 98] Erw. 2b und 3a). Entscheidend ist, dass Arbeitnehmer weder abrechnungs- noch beitragszahlungspflichtig sind und somit in keinem oder zumindest nicht in einem direkten Rechtsverhältnis zur Ausgleichskasse des Arbeitgebers stehen. Dies spricht umgekehrt für ein schützenswertes Interesse an einer einsprachefähigen Verfügung und allenfalls an einem beschwerdefähigen Einspracheentscheid, wenn die zuständige Ausgleichskasse das Gesuch einer versicherten Person um Anschluss als Selbstständigerwerbender und Eintrag im Register gänzlich oder in Bezug auf eine oder mehrere bestimmte Tätigkeiten ablehnen will. Ebenfalls kann in der Regel nur so dem berechtigten Interesse des Gesuchstellers an der rechtskräftigen Entscheidung über sein Beitragsstatut innert nützlicher Frist genügend Rechnung getragen werden. Diesem berechtigten Anliegen widerspricht, warten zu müssen, bis in einem unter Umständen ein Jahr oder noch länger dauernden Verfahren über paritätische Beiträge (auch) darüber entschieden wird.
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2.4.2 Es kann offen bleiben, ob die dargelegten Gründe in jedem Fall ein schützenswertes Interesse an einer Feststellungsverfügung im Sinne von Art. 49 Abs. 2 ATSG zu begründen vermögen. Entscheidender Gesichtspunkt ist, dass das Gesuch um Anschluss und Registrierung als Selbstständigerwerbender nicht auf einen reinen Feststellungsentscheid abzielt. Vielmehr will die versicherte Person in ein Rechtsverhältnis mit der (zuständigen) Ausgleichskasse treten im Hinblick auf die Entrichtung persönlicher Beiträge, wozu sie gleichzeitig gesetzlich verpflichtet und berechtigt ist. Wird ein entsprechendes Gesuch abgelehnt, ist dieser Entscheid rechtsgestaltender Natur im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a oder c VwVG und nicht bloss ein reiner Feststellungsentscheid. Zu beachten ist sodann, dass die oder eine zuständige Ausgleichskasse (Art. 64 AHVG und Art. 117 ff. AHVV) bei gänzlicher oder teilweiser Ablehnung eines Anschlussgesuchs, weil sie die versicherte Person als unselbstständigerwerbend oder bestimmte ihrer Tätigkeiten als unselbstständig erachtet, nicht die Möglichkeit hat, eine Verfügung über paritätische Beiträge zu erlassen oder eine solche von der Ausgleichskasse des anzusprechenden Arbeitgebers zu erwirken (vgl. ZAK 1986 S. 574 Erw. 1b). Umgekehrt ist ein die paritätische Beitragspflicht des angesprochenen Arbeitgebers verneinender rechtskräftiger Entscheid für die zuständige Ausgleichskasse des mitbetroffenen "Arbeitnehmers" verbindlich. Diese Rechtslage spricht ebenfalls für den rechtsgestaltenden Charakter des Entscheids der Ausgleichskasse, das Anschlussgesuch abzuweisen.
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4. Das Verfahren ist grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Der Aufhebung des angefochtenen Entscheides kommt für die Kostenverlegung nach Art. 156 Abs. 1 und Abs. 3 in Verbindung mit Art. 135 OG keine massgebliche Bedeutung zu. In Bezug auf die Frage, ob die Vorinstanz das streitige Beitragsstatut zu Recht nicht materiell geprüft hat, haben die Ausgleichskasse und der Beschwerdegegner in gleicher Weise obsiegt. Von der Auferlegung von Gerichtskosten ist daher abzusehen.
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