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35. Auszug aus dem Urteil i.S. V. gegen Sozialversicherungsamt Schaffhausen, AHV-Ausgleichskasse, und Obergericht des Kantons Schaffhausen |
K 25/05 vom 29. März 2006 | |
Regeste |
Art. 2 FZA; Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71; Art. 8 Abs. 1 und Art. 9 BV; Art. 3 KVG; Art. 2 Abs. 2 und 8 KVV: Ausnahme von der Versicherungspflicht in der schweizerischen Krankenversicherung. | |
Sachverhalt | |
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B. Die von V. gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 14. Januar 2005 ab.
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C. V. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem sinngemässen Rechtsbegehren, er sei in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides und des Einspracheentscheides von der Krankenversicherungspflicht in der Schweiz zu befreien. Eventualiter ersucht er um Sistierung des Verfahrens bis zu einem politischen Entscheid über die Aufhebung des Krankenversicherungsobligatoriums.
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Das Sozialversicherungsamt (Ausgleichskasse) und das vom Eidgenössischen Versicherungsgericht zur Vernehmlassung aufgeforderte Bundesamt für Gesundheit schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Erwägung 5 | |
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"Personen, die nach dem Recht eines Staates, mit dem keine Regelung über die Abgrenzung der Versicherungspflicht besteht, obligatorisch krankenversichert sind, sofern der Einbezug in die schweizerische Versicherung für sie eine Doppelbelastung bedeuten würde und sie für Behandlungen in der Schweiz über einen gleichwertigen Versicherungsschutz verfügen" (Abs. 2 Satz 1) und "Personen, für welche eine Unterstellung unter die schweizerische Versicherung eine klare Verschlechterung des bisherigen Versicherungsschutzes oder der bisherigen Kostendeckung zur Folge hätte und die sich auf Grund ihres Alters und/oder ihres Gesundheitszustandes nicht oder nur zu kaum tragbaren Bedingungen im bisherigen Umfang zusatzversichern könnten" (Abs. 8 Satz 1).
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(...)
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Erwägung 8 | |
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8.3 Das Krankenversicherungsobligatorium wurde eingeführt, um die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken zu gewährleisten. In Anbetracht dieser gesetzgeberischen Absicht ist es folgerichtig, dass die Ausnahmen von der Versicherungspflicht und damit von der Zugehörigkeit zur Solidargemeinschaft eng umschrieben werden (BGE 129 V 78 Erw. 4.2 und 166 Erw. 3.6.1; RKUV 2005 Nr. KV 315 S. 28 Erw. 2.2 [Urteil K. vom 22. Oktober 2004, K 22/04], 2000 Nr. KV 102 S. 20 Erw. 4c). Dies dürfte den Bundesrat insbesondere dazu bewogen haben, eine Ausnahme von der Versicherungspflicht nach Art. 2 Abs. 2 KVV nur dann zuzulassen, wenn die betreffende Person nach ausländischem Recht obligatorisch krankenversichert ist, und nach Art. 2 Abs. 8 KVV nur Personen zu ermöglichen, die sich aufgrund ihres Alters und/oder ihres ![]() | 12 |
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"Dass Art. 2 Abs. 2 KVV nicht die Befreiung jener Personen vom Obligatorium vorsieht, die im Ausland über eine nicht-obligatorische Krankenversicherung verfügen, kann zwar, wie auch der vorliegende Fall zeigt, durchaus zu Problemen für die Betroffenen führen; dies namentlich für ältere Personen, die eine freiwillige ausländische Krankenversicherung besitzen. Diesen Personen steht der Abschluss einer tragbaren Zusatzversicherung nicht ohne weiteres offen; auch können sich bei einer allfälligen Rückkehr ins Herkunftsland Schwierigkeiten ergeben, wenn die frühere ![]() | 15 |
Trotz der erkannten Probleme, die den Betroffenen durch die Unterstellung unter das schweizerische Krankenversicherungsobligatorium entstehen können, bejahte das Eidgenössische Versicherungsgericht die Verfassungsmässigkeit von Art. 2 Abs. 2 KVV vorbehaltlos und erklärte ebenso vorbehaltlos, dass diese Bestimmung keine Befreiung vom Obligatorium vorsieht für Personen, die im Ausland über eine nicht obligatorische Krankenversicherung verfügen (BGE 129 V 164 Erw. 3.1; RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 21 Erw. 4d und S. 22 Erw. 4e). Es sah somit in der Unterscheidung zwischen obligatorischer und freiwilliger ausländischer Versicherung und dem Fehlen jeglicher Differenzierung innerhalb der Gruppe der im Ausland auf nicht obligatorischer Basis Versicherten in Art. 2 Abs. 2 KVV keinen Verstoss gegen das Gebot der rechtsgleichen Behandlung oder das Willkürverbot (vgl. RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 21 Erw. 4d). Durch seine allgemeine Antwort brachte es auch seine Auffassung zum Ausdruck, dass eine ausländische nicht obligatorische Versicherung nicht aus dem Grunde gleich wie eine obligatorische Versicherung behandelt werden muss, weil man zum einen bei einer Kündigung riskiert, später nicht wieder zu gleich guten Konditionen aufgenommen zu werden, und zum andern - will man dies vermeiden - die Versicherung nur dann mit der Garantie, sie zu einem späteren Zeitpunkt nach den früheren Modalitäten - ohne neue Gesundheitsprüfung - weiterführen zu können, sistieren kann, wenn man - freiwillig - eine Anwartschaftsversicherung abschliesst, was die Zahlung von Beiträgen impliziert (vgl. für eine ausdrückliche Verwerfung solcher Argumente Urteil W. vom 29. Juni 2000, K 107/98, Erw. 3a). Ausserdem hatte das Eidgenössische Versicherungsgericht die Möglichkeit einer Ausnahme von der Versicherungspflicht gerade auch in Bezug auf eine Person verneint, die geltend machte, sie sei für eine schweizerische Gesellschaft überwiegend im Ausland, insbesondere in Deutschland, tätig und verfüge mit ihrer dort abgeschlossenen freiwilligen privaten Krankenversicherung über eine ![]() | 16 |
8.5.3 Der Umstand allein, dass nach der seit 1. Juni 2002 in Kraft stehenden Fassung von Art. 2 Abs. 2 KVV vorausgesetzt wird, dass mit dem Staat, nach dessen Recht die betroffene Person obligatorisch krankenversichert ist, keine Regelung über die Abgrenzung der Versicherungspflicht besteht, vermag grundsätzlich zu keiner von der bisherigen Einschätzung abweichenden Beurteilung der Frage der Verfassungsmässigkeit dieser Bestimmung zu führen; denn normalerweise führt ein die Abgrenzung der Versicherungspflicht regelnder Staatsvertrag dazu, dass die Rechtsvorschriften nur eines Staates anwendbar sind, sodass eine Person, die gemäss einem solchen Staatsvertrag den schweizerischen Rechtsvorschriften unterliegt, in aller Regel nicht in einem anderen Staat obligatorisch krankenversichert ist. Vorzubehalten ist allerdings der vorliegend nicht gegebene Fall, dass ein Staatsvertrag - wie das FZA durch Art. 14c Bst. b in Verbindung mit Anhang VII der Verordnung Nr. 1408/71 - ausnahmsweise zur Anwendung der Rechtsvorschriften zweier verschiedener Staaten führt, die beide ein Krankenversicherungsobligatorium vorsehen. Es liesse sich kein vernünftiger Grund finden, eine Person, die sich trotz des Bestehens eines an sich der Abgrenzung der Versicherungspflicht dienenden Staatsvertrags mit zwei Krankenversicherungsobligatorien konfrontiert sieht, anders zu behandeln als eine Person, die wegen gänzlichen Fehlens eines völkerrechtlichen Abkommens über die Abgrenzung der Versicherungspflicht zwei Rechtsordnungen unterliegt, die beide ein Krankenversicherungsobligatorium vorsehen. Eine solche rechtliche Unterscheidung verstiesse demnach gegen das Gebot der rechtsgleichen Behandlung des Art. 8 Abs. 1 BV (vgl. Erw. 8.1 hievor; BGE 131 V 259 Erw. 5.4, BGE 129 V 330 Erw. 4.1). Der Ausdruck "nach dem Recht eines Staates, mit dem keine Regelung über die Abgrenzung der Versicherungspflicht besteht" in Art. 2 Abs. 2 KVV ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass damit nicht nur die Fälle gemeint sind, in denen es an einem die Abgrenzung der Versicherungspflicht regelnden Staatsvertrag schlechthin fehlt, sondern auch jene Situationen, in denen ein solches Abkommen zwar besteht, für den konkreten Fall aber zur Anwendung nicht nur der schweizerischen Rechtsvorschriften, sondern auch der Gesetzgebung des anderen Staates führt und in ![]() | 17 |
8.5.6 Der neue Art. 2 Abs. 8 KVV kommt nicht allen Personen zugute, für die eine Unterstellung unter die schweizerische Versicherung eine klare Verschlechterung des bisherigen Versicherungsschutzes oder der bisherigen Kostendeckung zur Folge hätte und die sich nicht oder nur zu kaum tragbaren Bedingungen im bisherigen Umfang zusatzversichern könnten, sondern nur jenen, bei denen Letzteres auf ihr Alter und/oder ihren Gesundheitszustand zurückzuführen ist. Die Norm schützt somit nicht allgemein Personen, für die der Wechsel zum schweizerischen System zwar einen teureren und/oder weniger guten Versicherungsschutz bedeutet, die sich aber immerhin - wenn auch möglicherweise nicht im bisherigen Umfang, aber doch insoweit im bisherigen Umfang, als diesen Umfang garantierende Versicherungen in der Schweiz überhaupt angeboten werden - über das gesetzliche Minimum (obligatorische Krankenpflegeversicherung) hinaus zusatzversichern können (privatrechtliche Versicherung nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, VVG [vgl. Art. 12 Abs. 2 und 3 KVG]; z.B. eine Ferien- und Reiseversicherung im Hinblick auf Geschäftsreisen, die auch den Schutz ergänzen könnte, der bei Auslandaufenthalten schon aufgrund der in Art. 22 in Verbindung mit Art. 22b der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehenen Sachleistungsaushilfe besteht). Sie kann nur von denjenigen Personen mit ![]() | 18 |
Für diese unterschiedliche Behandlung von Personen, bei denen solche Gründe des Alters und/oder Gesundheitszustandes vorliegen, auf der einen und von Personen, bei denen solche Gründe fehlen, auf der andern Seite gibt es einen vernünftigen Grund. Dieser liegt im Zweck des Obligatoriums, der nicht nur darin besteht, zu verhindern, dass infolge Fehlens einer Versicherung unter Umständen bei Risikoeintritt das Gemeinwesen für höhere oder alle Kosten aufkommen muss, sondern auch darin, die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken zu gewährleisten (Erw. 8.3 hievor; Verwerfung des Arguments, dass nicht die Solidarität, sondern das Bestehen eines gleichwertigen Versicherungsschutzes ausschlaggebend sei, im nicht veröffentlichten Urteil T. vom 29. Juni 2000, K 155/98). Diese Funktion des Obligatoriums würde nämlich vereitelt, wenn sich so genannte gute Risiken generell durch Abschluss einer vorteilhafteren privaten Versicherung von der durch das Obligatorium bezweckten Solidargemeinschaft befreien könnten, was die Kosten für die in dieser Gemeinschaft verbleibenden Personen in die Höhe triebe. In Anbetracht dieser Überlegungen kann auch nicht gesagt werden, Art. 2 Abs. 8 KVV lasse sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen oder sei sinn- und zwecklos. Diese Bestimmung ist somit ebenso wenig verfassungswidrig wie die vorangehenden Absätze des Art. 2 KVV.
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9.1 Personen, die alle ihre Tätigkeiten in der Schweiz ausüben und in diesem Staat wohnen, unterstehen nicht anders als der Beschwerdeführer dem Krankenversicherungsobligatorium (vgl. Erw. 5 hievor). Auch Personen, die schon immer den schweizerischen Rechtsvorschriften unterlagen, müssen sich zusatzversichern, wenn sie - insbesondere auf Geschäftsreisen - einen höheren Versicherungsschutz geniessen wollen als jenen, den die obligatorische schweizerische Krankenpflegeversicherung und im Rahmen der Sachleistungsaushilfe gemäss Art. 22 (in Verbindung mit Art. 22b) der Verordnung Nr. 1408/71 die Rechtsvorschriften des jeweiligen Aufenthaltsstaates bieten. Eine Person in der Situation des Beschwerdeführers, bei der nicht Gründe des Alters oder des Gesundheitszustandes den Abschluss von Zusatzversicherungen verunmöglichen oder erheblich erschweren, wird demnach durch die KVG-Versicherungspflicht nicht benachteiligt im Vergleich zu den Personen, die alle ihre Tätigkeiten in der Schweiz ausüben und/oder schon immer den schweizerischen Rechtsvorschriften unterstanden, mit anderen Worten im Vergleich zu Personen, die nie von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht haben (vgl. zu diesem Aspekt Urteile des EuGH vom 9. März 2006 in der Rechtssache C-493/04, Piatkowski, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 34, und vom 19. März 2002 in den Rechtssachen C-393/99 und C-394/99, Hervein u. a., Slg. 2002, I-2829, Randnr. 51). Ein Verstoss gegen ein gemeinschafts- bzw. abkommensrechtliches Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71; Art. 2 FZA) kann auch nicht darin erblickt werden, dass eine Person in der Situation des Beschwerdeführers, die keiner obligatorischen Krankenversicherung eines anderen Staates untersteht, nicht von der schweizerischen Krankenversicherungspflicht ausgenommen werden kann und dadurch gegebenenfalls einen Nachteil erleidet, weil sie sich unter dem schweizerischen System, dem sie neu untersteht, nicht so gut versichern kann wie vor der Unterstellung unter die schweizerischen Rechtsvorschriften nach einem ausländischen System (nach dem sie nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehörte, sondern sich privat versichern konnte). Denn ein solcher Nachteil ist eine Folge der mangels einer Harmonisierung fortbestehenden Unterschiede zwischen den ![]() | 20 |
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