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45. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. J. und V. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich sowie Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
H 97/06 vom 15. Mai 2007 | |
Regeste |
Art. 5 Abs. 2 Satz 1 AHVG; Art. 7 lit. c AHVV: Beitragsrechtliche Behandlung gevesteter Mitarbeiteroptionen. | |
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1 | |
Zum massgebenden Lohn im Sinne der AHV-Gesetzgebung gehören begrifflich sämtliche Bezüge des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis fortbesteht oder aufgelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonst wie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist. Grundsätzlich unterliegen nur Einkünfte, die tatsächlich geflossen sind, der Beitragspflicht (BGE 131 V 444 E. 1.1 S. 446 f. mit Hinweisen).
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Im Gegensatz zur Festsetzung der Beiträge auf dem Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (vgl. Art. 23 Abs. 1 und 4 AHVV) sind die Ausgleichskassen bei der Bemessung des Einkommens aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit - massgebender Lohn - nicht an die rechtskräftige kantonale Steuerveranlagung und die gestützt darauf gemachten Angaben der kantonalen Steuerbehörden gebunden. Da aber das AHV-Recht beim massgebenden Lohn gleich wie das Steuerrecht für die steuerbaren Einkünfte von Unselbstständigerwerbenden an das mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängende Einkommen anknüpft (vgl. Art. 17 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]), sollten sich die Ausgleichskassen bei der Beurteilung der Frage, ob ein Einkommensbestandteil massgebenden Lohn darstellt oder nicht, möglichst an die steuerrechtliche Betrachtungsweise halten, es sei denn, diese sei sachlich nicht vertretbar (BGE 122 V 178 E. 3b S. 179 f. mit Hinweisen; HANSPETER KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl., Bern 1996, S. 89 f. Rz. 3.68 und S. 167 f. Rz. 4.157 und 4.158).
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5.2 Mit Mitarbeiteroptionen wird allen Arbeitnehmern oder einem bestimmten Kreis von Arbeitnehmern (des Kaders) die Möglichkeit eröffnet, sich am Erfolg des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe (Konzern), zu welcher ihre Arbeitgeberfirma gehört, zu beteiligen, indem ihnen das Recht eingeräumt wird, während einer bestimmten Zeitspanne eine bestimmte Anzahl Aktien der arbeitgebenden oder dieser nahestehenden Gesellschaft zu einem im Voraus festgesetzten Preis zu erwerben oder zu veräussern. Dabei werden die Optionen an das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit dem arbeitgebenden Unternehmen gekoppelt und sind durch dessen Bestand bedingt. Mit solchen Aktienoptionen für Mitarbeiter werden mehrere Zwecke verfolgt: Erhöhung der Attraktivität der Gesellschaft als Arbeitgeberin; Motivation der Mitarbeiter, den im Aktienkurs verkörperten Wert der Muttergesellschaft durch ihre Arbeit zu erhöhen; Bindung des Kaders an die Gesellschaft, jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Ausübung der Option; Gleichschaltung der Ziele der Angestellten, der Aktionäre und des Managements (BGE 130 III 495 E. 4.1 S. 499 f. mit weiteren Literaturhinweisen; CHRISTOF HELBLING, Mitarbeiteraktien und Mitarbeiteroptionen in der Schweiz, 2. Aufl., Zürich 2003, S. 15/16 und 46 ff.; NATALIE Peter, US-amerikanische Mitarbeiterbeteiligungspläne im Einkommens- und Vermögenssteuerrecht der Schweiz, Diss. Zürich 2001, S. 10 ff.). Die Ausgestaltung der Mitarbeiteroptionen untersteht weitgehend der Vertragsfreiheit. Sie wird durch die vorrangig verfolgten Ziele bestimmt. So können die Optionen entgeltlich, vergünstigt oder unentgeltlich eingeräumt werden, bis zu einem bestimmten Verfalltag ("American style option") oder nur an einem bestimmten Verfalltag ("European style option") zur Ausübung berechtigen oder die Laufzeit kann mit einer Sperrfrist versehen sein. Das Aufleben ![]() | 5 |
Erwägung 5.3 | |
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Bezüglich des Zufluss- und Realisationszeitpunktes gelten für den massgebenden Lohn im AHV-Beitragsrecht dieselben Rechtsgrundsätze wie im Steuerrecht. Als realisiert gilt ein Entgelt AHV-rechtlich ebenfalls dann, wenn es einer Forderung entspricht, die einen wirtschaftlichen Wert darstellt und über die der Arbeitnehmer verfügen kann. Blosse Anwartschaften auf Lohn gelten nicht als realisiert (EVGE 1957 S. 36 f. E. 2 und S. 125 E. 2; 1960 S. 44/45 E. 1; Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO [WML], Rz. 1010).
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5.3.2 Die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) hat ihre Praxis zum Zufluss- und Realisationszeitpunkt bei Mitarbeiteroptionen ![]() | 8 |
Nachdem das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 20. November 2002 (RB 2002 N. 96; vollständiger Urteilstext bei HELBLING, a.a.O., S. 440 ff.) entschieden hatte, dass der Erwerb von Optionen, die an eine Vesting-Periode gebunden sind, suspensiv bedingt im Sinne von Art. 151 Abs. 2 OR erfolgt, d.h. der definitive Rechtserwerb erst nach Ablauf der Vesting-Periode eintritt, änderte die EStV ihre Praxis mit Rundschreiben vom 6. Mai 2003 erneut. In diesem Rundschreiben hat die EStV bezüglich "gevesteter" Mitarbeiteroptionen Folgendes festgehalten:
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"Bis zum Ablauf der Vestingperiode ist der Rechtserwerb somit aufschiebend bedingt. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt kein unwiderruflicher Rechtserwerb vor und es handelt sich folglich um eine blosse Anwartschaft. Die Besteuerung 'gevesteter' Optionen im Zuteilungszeitpunkt ist deshalb nicht richtig.
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Eine Prüfung der heute bestehenden Mitarbeiteroptionspläne im Lichte dieses Entscheids zeigte aber, dass 'gevestete' Optionen in der Regel auch nach Ablauf der Vestingperiode noch nicht unwiderruflich erworben sind. Der unwiderrufliche Rechtserwerb wird meistens zusätzlich davon abhängig gemacht, dass der Mitarbeiter bis zur Ausübung der Optionen weiterhin bei der Unternehmung beschäftigt bleibt. Bis zur allfälligen Ausübung der Optionen hat der Mitarbeiter keine Möglichkeit, den darin verkörperten Wert zu realisieren, denn Mitarbeiteroptionen sind unveräusserlich. Sie führen nur dann zu einem Einkommen, wenn die Optionen auch tatsächlich ausgeübt werden können. Bis dahin handelt es sich weiterhin um eine blosse Anwartschaft. Eine Besteuerung nach Ablauf der Vestingperiode ist deshalb abzulehnen. Sie müsste auch ![]() | 11 |
Falls es sich bei den 'gevesteten' Optionen bis zur Ausübung der Optionen um blosse Anwartschaften handelt, hat die Einkommensbesteuerung erst bei Ausübung der Optionen entsprechend dem Kreisschreiben Nr. 5 vom 30. April 1997 zu erfolgen. Deshalb sind die zugeteilten Mitarbeiteroptionen auch bis zu ihrer Besteuerung im Wertschriftenverzeichnis pro memoria aufzulisten."
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Erwägung 5.4 | |
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"Mitarbeiteroptionen bilden im Zeitpunkt ihres Erwerbs massgebenden Lohn. Grundsätzlich unerheblich ist, ob es sich dabei um frei übertragbare oder gesperrte (d.h. solche, die während der Sperrfrist weder übertrag- noch ausübbar sind) Optionen handelt.
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Optionen mit einer Laufzeit von über zehn Jahren oder mit einer Verfügungssperre von mehr als fünf Jahren bzw. mit zahlreichen individuellen Bedingungen werden normalerweise erst im Zeitpunkt der Ausübung verabgabt. Vorher sind sie in der Regel (objektiv) nicht bewertbar."
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Mit dieser Verwaltungsweisung hat das BSV die Regelung des Kreisschreibens 5/1997 der EStV übernommen und damit die bis ![]() | 17 |
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Aus dem Rundschreiben der EStV vom 6. Mai 2003 wird klar, dass die Bewertung von gevesteten und damit noch nicht ausgeübten Mitarbeiteroptionen im Zeitpunkt ihrer Zuteilung dazu führt, dass der Zufluss von noch nicht realisierbarem Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis fingiert wird. Da der Zufluss- und Realisationszeitpunkt der Einkünfte aus steuerbarem Arbeitseinkommen im Sinne von Art. 17 DBG mit demjenigen des massgebenden Lohnes gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG - wie dargelegt (E. 5.3.1) - übereinstimmt, steht die AHV-Beitragspflicht auf dem Wert von gevesteten, noch nicht ausgeübten Mitarbeiteroptionen genauso im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des beitragspflichtigen Einkommens aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit wie im Steuerrecht. Die gegenteilige frühere Steuerpraxis, welche die EStV im Jahre 2003 aufgegeben hat, das BSV aber für das AHV-Beitragsrecht beibehalten will, ist gesetzwidrig. Es darf daran auch nicht in Form von sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsweisungen festgehalten werden. Diese sind vielmehr der bundesrechtskonformen Praxis der Steuerbehörden anzupassen.
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5.4.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass der kantonale Entscheid Bundesrecht verletzt (Art. 104 lit. a OG), indem die Vorinstanz, wie ![]() | 20 |
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