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69. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft gegen IV-Stelle Basel-Stadt, betreffend J., sowie Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
U 148/06 vom 28. August 2007 | |
Regeste |
Art. 49 Abs. 4 ATSG; aArt. 129 UVV; Art. 16 ATSG. | |
Sachverhalt | |
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Im Mai 1997 meldete sich J. bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügungen vom 4. September 2001 sprach ihr die IV-Stelle Basel-Stadt (nachfolgend: IV-Stelle) für die Zeit vom 1. August 1997 bis 31. August 1998 eine ganze Rente und ab 1. September 1998 eine halbe Rente samt Zusatzrente für den Ehemann zu, was das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 16. Oktober 2002 bestätigte. Mit Verfügung vom 6. Juli 2004 hob die IV-Stelle die halbe Rente auf Ende des der Zustellung des Entscheids folgenden Monats auf. Hiegegen liess J. Einsprache erheben. Am 25. Oktober 2004 verfügte die IV-Stelle die Sistierung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Unfallversicherungsfalles.
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Mit Verfügung vom 15. Februar 2005 sprach die Winterthur J. ab 1. Januar 2005 eine Invalidenrente von monatlich Fr. 2'677.- (Invaliditätsgrad: 50 %) sowie eine Integritätsentschädigung von Fr. 9'720.- (Integritätsschaden: 10 %) zu. Dagegen erhob die IV-Stelle Einsprache. Sie beantragte, die Verfügung vom 15. Februar 2005 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass kein Anspruch auf eine Invalidenrente nach UVG bestehe. Mit Entscheid vom 25. April 2005 trat die Winterthur auf die Einsprache nicht ein.
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C. Die Winterthur führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben.
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Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. J. und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Aus den Erwägungen: | |
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Der Begriff des "Berührtseins" im Sinne von Art. 49 Abs. 4 ATSG ist gleich zu verstehen wie das schutzwürdige Interesse (an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung) nach Art. 103 lit. a OG. Berührt ist somit derjenige andere Versicherungsträger, der in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht, mithin in rechtlichen oder tatsächlichen Interessen spürbar betroffen ist (BGE 132 V 74 E. 3.1 S. 77; BGE 131 V 362 E. 2.1 S. 365 mit Hinweisen; vgl. zur Entstehungsgeschichte von Art. 49 Abs. 4 ATSG: BBl 1991 II 207 und 268; 1994 V 947; 1999 V 4606).
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4. Das kantonale Gericht hat die Einsprache- und Beschwerdelegitimation der IV-Stelle im Wesentlichen unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur Bindungswirkung rechtskräftiger Invaliditätsschätzungen anderer Versicherungsträger nach BGE 126 V 288 (bestätigt ![]() | 10 |
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde führende Winterthur begründet ihren gegenteiligen Standpunkt u.a. damit, dass laut BGE 131 V 362 der Unfallversicherer mangels "Berührtseins" im Sinne von Art. 49 Abs. 4 ATSG nicht zur Einsprache gegen die Verfügung oder zur Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der IV-Stelle über den Rentenanspruch als solchen oder den Invaliditätsgrad berechtigt ist. Dies gelte auch im umgekehrten Fall, wenn es also um die Frage gehe, ob die IV-Stelle zur Einsprache gegen die Verfügung oder zur Beschwerde gegen den Einspracheentscheid betreffend eine Rente der Unfallversicherung berechtigt sei. Demzufolge sei sie zu Recht nicht auf die Einsprache der IV-Stelle gegen die Verfügung vom 15. Februar 2005 eingetreten.
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Erwägung 6 | |
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Die in AHI 2004 S. 186, E. 4.3, I 564/02 genannten Gründe gegen eine auch im Sinne von BGE 126 V 288 relativierte Bindungswirkung der Invaliditätsschätzung der Invalidenversicherung für die Unfallversicherung gelten auch im umgekehrten Verhältnis. Die Voraussetzungen für eine Rente in diesen Sozialversicherungszweigen sind trotz des grundsätzlich gleichen Invaliditätsbegriffes verschieden. Insbesondere berücksichtigt die Invaliditätsschätzung der Unfallversicherung lediglich die natürlich und adäquat kausalen gesundheitlichen und erwerblichen Unfallfolgen. Daraus folgt insbesondere, dass der rechtskräftige Abschluss des Unfallversicherungsverfahrens auch bei Beteiligung der IV-Stelle einen Streit um eine Rente der Invalidenversicherung nicht ein für alle Mal ausschliesst. Häufig bestehen denn auch nicht bloss unfallbedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen. Zu denken ist an krankhafte Vorzustände oder an psychische Fehlentwicklungen, für welche der Unfall keine adäquate kausale Ursache darstellt. Sodann stellen schon der unterschiedliche Rentenbeginn in der Invalidenversicherung und Unfallversicherung, die Änderbarkeit des Invaliditätsgrades im Lauf der Zeit sowie das regelmässig zeitliche Auseinanderfallen der jeweiligen Rentenverfügungen und -entscheide eine Bindung an die Invaliditätsschätzung des anderen Sozialversicherungsträgers in Frage (vgl. auch SCHEIDEGGER, Der einheitliche Invaliditätsgrad, a.a.O., S. 90 f.).
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6.3 Schliesslich ist Folgendes zu beachten: In BGE 126 V 288 E. 2d S. 294 wird ausgeführt, dass zumindest rechtskräftig abgeschlossene Invaliditätsschätzungen nicht unbeachtet bleiben dürfen. Vielmehr müssen sie als Indizien für eine zuverlässige Beurteilung gewertet und als solches in den Entscheidungsprozess erst später verfügender ![]() | 17 |
Aus diesen Erwägungen lässt sich entgegen dem kantonalen Gericht nichts zu Gunsten einer Bindungswirkung der rechtskräftigen Invaliditätsschätzung der Unfallversicherung für die IV-Stelle resp. deren Einsprache- und Beschwerdelegitimation gewinnen. Gemäss AHI 2004 S. 181, I 564/02 räumt Art. 129 Abs. 1 UVV, in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2002, dem Unfallversicherer eben nicht das Recht zur Beschwerde gegen die Rentenverfügung der IV-Stelle ein. Dasselbe gilt laut BGE 131 V 362 für den inhaltlich gleichen Art. 49 Abs. 4 ATSG (BGE 129 V 73 E. 4.2.2 S. 75). Umso weniger besteht eine Rechtsgrundlage für die Anfechtungsmöglichkeit der Einsprache und Beschwerde der IV-Stelle im Verfahren der Unfallversicherung als Korrelat der Richtigkeitsvermutung (BGE 131 V 362 E. 2.2.1 S. 367 oben) einer rechtskräftigen Invaliditätsschätzung des Unfallversicherers. Darin kommt auch zum Ausdruck, dass in verfahrensrechtlicher Hinsicht weder der Invalidenversicherung noch der Unfallversicherung Vorrang gegenüber dem anderen Sozialversicherungszweig zukommt. Im Übrigen kann es nicht der mit der Einheitlichkeit des Invaliditätsbegriffs verfolgte Koordinationszweck sein, dass der später verfügende Sozialversicherungsträger den Rentenentscheid des andern, Unfallversicherer oder IV-Stelle, anfechten muss, nur um diesen sich nicht allenfalls entgegenhalten lassen zu müssen.
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6.4 Aus den vorstehenden Gründen ist in gleicher Weise wie in AHI 2004 S. 181, I 564/02 und BGE 131 V 362 eine absolute Bindungswirkung der Invaliditätsschätzung der Unfallversicherung für die Invalidenversicherung im Sinne von BGE 126 V 288 und ![]() | 19 |
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