BGE 134 V 153 | |||
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19. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Pensionskasse X., betreffend C. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_13/2007 vom 28. Januar 2008 | |
Regeste |
Art. 59 und Art. 66 Abs. 2 ATSG; Art. 24 f. BVV 2; Legitimation der Vorsorgeeinrichtung zur Anfechtung des Rentenentscheids des Unfallversicherers. | |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 4 | |
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4.1.2 Die Anspruchsbeurteilung durch den einen Versicherer kann für den anderen Träger Bindungswirkung entfalten. Wenn dieser anschliessend über seine eigene Leistungspflicht zu befinden hat, ist ihm eine selbstständige Prüfung einzelner Elemente verwehrt und er hat stattdessen - unter Vorbehalt eines unter engen Voraussetzungen (offensichtliche Unrichtigkeit) zulässigen Abweichens - die Feststellungen des erstverfügenden Versicherungsträgers (beispielsweise zur Höhe des Invaliditätsgrades) zu übernehmen.
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4.2 Der Rentenentscheid des obligatorischen Unfallversicherers wirkt sich nicht unmittelbar auf den grundsätzlichen Anspruch der versicherten Person gegenüber der Berufsvorsorgeeinrichtung aus (eine Ausnahme ist immerhin insoweit gegeben, als im überobligatorischen Bereich das Unfallrisiko ausgeschlossen werden kann [BGE 123 V 122 E. 3a S. 123 f.]). Insbesondere ist diese nicht an die Invaliditätsbemessung durch den Unfallversicherer gebunden. Dessen Entscheid entfaltet jedoch als Folge der materiell-koordinationsrechtlichen Regelung Auswirkungen auf die Vorsorgeeinrichtung: Art. 66 Abs. 2 ATSG findet im Bereich des BVG Anwendung, wenn dessen Leistungen mit gleichartigen Leistungen anderer Sozialversicherungen zusammentreffen (Art. 34a Abs. 2 BVG). Demnach werden Renten in erster Priorität durch die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder die Invalidenversicherung, in zweiter Priorität durch die Militär- oder die Unfallversicherung und schliesslich in dritter Priorität durch die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge gewährt. Entsprechend dieser Rangfolge kann die Vorsorgeeinrichtung die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen kürzen, soweit diese zusammen mit anderen anrechenbaren Einkünften 90 Prozent des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen (Art. 34a Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 BVV 2). Dies gilt auch, wenn die obligatorische Unfallversicherung für den gleichen Versicherungsfall leistungspflichtig ist (Art. 25 Abs. 1 BVV 2). Überdies statuiert Art. 70 Abs. 2 lit. d ATSG (anwendbar gemäss Art. 34a Abs. 3 BVG) eine Vorleistungspflicht der Vorsorgeeinrichtung "für Renten, deren Übernahme durch die Unfall- beziehungsweise Militärversicherung oder die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge nach BVG umstritten ist". Als vorleistungspflichtiger Träger hat die Vorsorgeeinrichtung diesfalls die Leistungen nach den für sie geltenden Bestimmungen zu erbringen. Wird der Fall von einem anderen Träger übernommen, hat dieser die Vorleistungen im Rahmen seiner Leistungspflicht zurückzuerstatten (Art. 71 ATSG).
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5.2 Im Fall einer Beschwerdeerhebung "contra Adressat" ist die hinreichende Beziehungsnähe gegeben und damit die Legitimation des anfechtungswilligen Versicherungsträgers zu bejahen, wenn ihm gegenüber die dem Rentenentscheid zugrunde liegende Invaliditätsbemessung Verbindlichkeitswirkung entfaltet (E. 4.1.2 hiervor). Dies trifft zu für die Berufsvorsorgeeinrichtung gegenüber einer Rentenverfügung der Eidg. Invalidenversicherung (BGE 132 V 1; BGE 129 V 73), nicht dagegen im gegenseitigen Verhältnis zwischen Invaliden- und Unfallversicherung (BGE 133 V 549 E. 6.4 S. 556 f.; BGE 131 V 362 E. 2.2 S. 366 f.; AHI 2004 S. 181, I 564/02). Auch vorliegend ist diese Konstellation, wie bereits dargelegt, nicht gegeben.
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5.3.2.1 Mehrere Entscheide befassten sich mit der Rechtsmittellegitimation des Arbeitgebers zu Gunsten der versicherten Person.
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Diese wurde verneint in Bezug auf eine Rente der Invalidenversicherung (BGE 130 V 560 ff.) und eine Rente der obligatorischen Unfallversicherung (BGE 131 V 298 E. 5.3.3 S. 302 f. und E. 6 S. 303 f.), aber bejaht in Bezug auf das Vorliegen eines Unfalls oder einer unfallähnlichen Körperschädigung sowie den Anspruch auf Taggelder der obligatorischen Unfallversicherung (Urteil U 519/06 vom 28. September 2007, E. 5 und 6; vgl. auch BGE 131 V 298 E. 5.3.2 S. 302). Einen entscheidenden Gesichtspunkt bildete jeweils der typischerweise fehlende oder gegebene Zusammenhang der konkreten Leistung mit der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht nach Art. 324a und 324b OR. Im Sinne eines Argumentes für eine zurückhaltende Umschreibung der Legitimation trug das Gericht überdies dem Aspekt des Datenschutzes Rechnung.
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5.3.2.2 Auch das Gemeinwesen, welches die versicherte Person durch wirtschaftliche Sozialhilfe unterstützt, ist nach der Rechtsprechung nicht ohne weiteres legitimiert, auf dem Rechtsmittelweg die Ausrichtung höherer oder zusätzlicher Sozialversicherungsleistungen zu beantragen. Darüber hinaus ist eine unmittelbare und konkrete Betroffenheit oder qualifizierte Beziehungsnähe zur Streitsache erforderlich. Diese Voraussetzung wurde als erfüllt erachtet in Bezug auf die Anfechtung eines durch den obligatorischen Krankenpflegeversicherer verfügten Leistungsaufschubs sowie die Geltendmachung von Leistungen der Invalidenversicherung und von Ergänzungsleistungen. Sie wurde verneint hinsichtlich der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Arbeitslosenversicherung sowie der Anfechtung einer IV-Rentenverfügung, welche nach dem Tod der unterstützten Person ergangen war (BGE 133 V 188 E. 4.4 ff. S. 194 ff., mit Rechtsprechungsübersicht).
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5.3.2.3 Die Eigenschaft als Gläubiger der versicherten Person begründet für sich allein kein schutzwürdiges Interesse (BGE 130 V 560 E. 3.5 S. 565 mit Hinweisen). An einem solchen fehlt es auch dem Privatversicherer, welcher seine Leistungen um diejenigen der obligatorischen Unfallversicherung kürzen könnte, denn der ihm erwachsende Nachteil ergibt sich nicht unmittelbar aus der Verfügung, sondern stellt eine blosse Reflexwirkung dar (BGE 125 V 339 E. 4d S. 345).
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5.3.2.4 In Bezug auf die hier zu beurteilende Konstellation erachtete das Eidg. Versicherungsgericht unter dem früheren Recht (aArt. 129 UVV, in Kraft gewesen bis Ende 2002) im Urteil U 60/94 vom 28. Oktober 1994, E. 1 (nicht publ. in BGE 120 V 352, aber publ. in: RKUV 1995 Nr. U 212 S. 63), die Pensionskasse als legitimiert, eine durch den obligatorischen Unfallversicherer verfügte Leistungsablehnung mittels Einsprache und Beschwerde anzufechten. Es begründete dies mit dem koordinationsrechtlichen Zusammenhang zwischen Unfallversicherungs- und Berufsvorsorgeleistungen. Später liess das Gericht die Frage jedoch offen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 217/02 vom 29. Oktober 2003, publ. in: RKUV 2004 Nr. U 506 S. 252). Unter der Herrschaft des ATSG hielt es im Urteil U 36/05 vom 16. Januar 2006, E. 2.5, publ. in: RKUV 2006 Nr. U 580 S. 186, fest, die Vorsorgeeinrichtung sei durch eine Verfügung des Unfallversicherers, mit welcher dieser seine Leistungen für ein bestimmtes Ereignis einstellt, im Sinne von Art. 59 ATSG in ihrer Leistungspflicht berührt. Es bezog sich dabei sowohl auf die Vorleistungspflicht (E. 4.1.4 hiervor) als auch auf die Kürzungsmöglichkeit bei Überentschädigung (E. 4.1.3 hiervor). Der Unfallversicherer, welcher eine Komplementärrente zur Invalidenrente der Invalidenversicherung ausrichtet und sich damit in einer vergleichbaren Situation befindet wie ein zur Kürzung wegen Überentschädigung befugter Versicherungsträger, wurde im Urteil I 249/06 vom 2. August 2007, HAVE 2007 S. 274, seinerseits als legitimiert angesehen, die revisionsweise Herabsetzung der (bereits laufenden) IV-Rente anzufechten.
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5.4 In der Lehre spricht sich UELI KIESER (Dritte als Partei im Sozialversicherungsverfahren, in: Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2006, St. Gallen 2006, S. 79 ff., 102 f.) grundsätzlich dafür aus, ein Berührtsein im Sinne von Art 49 Abs. 4 ATSG anzunehmen, wenn sich aus der Verneinung der Leistungspflicht des einen Sozialversicherungszweigs unmittelbar die Vorleistungspflicht eines anderen ergibt. Massgebend könnten jedoch nur Tatbestände sein, welche eigentliche Vorleistungen (und nicht nur kumulativ zu erbringende und durch eine Überentschädigung begrenzte Leistungen) betreffen. Deshalb fällt nach Ansicht dieses Autors insbesondere die Vorleistungspflicht der Vorsorgeeinrichtungen nach Art. 70 Abs. 2 lit. d BVG (gemeint: ATSG) nicht in diese Kategorie, da eine bloss quantitative Auswirkung des anzufechtenden Entscheids (Kürzungsmöglichkeit) kein Berührtsein nach Art. 49 Abs. 4 ATSG zu begründen vermöge. Im gleichen Sinne äussert sich auch STEFAN A. DETTWILER, BGG - Sicht des Sozialversicherers, in: SZS 2007 S. 259 ff., 263 f. Bejaht wird die Legitimation des vorleistungspflichtigen Versicherers demgegenüber durch JEAN-LOUIS DUC, Le tiers dans la procédure administrative non contentieuse des assurances sociales, in: Tanquerel/ Bellanger (Hrsg.), Les tiers dans la procédure administrative, Zürich 2004, S. 125 ff., 139 f. (vgl. auch SUSANNE LEUZINGER-NAEF, Die Leistungskoordination gemäss Art. 63-71 ATSG, in: Schaffhauser/ Kieser [Hrsg.], Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], St. Gallen 2003, S. 155 ff., 164).
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5.5 Infolge der materiell-koordinationsrechtlichen Regelung (E. 4.2 hiervor) ist der Entscheid des Unfallversicherers über seine Leistungspflicht regelmässig ausschlaggebend dafür, in welchem Umfang die Vorsorgeeinrichtung Leistungen zu erbringen hat. Daran ändert die dem Prinzip der gesetzlichen Mindestvorschriften (Art. 6 BVG) entsprechende "Kann-Formulierung" in Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 Abs. 1 BVV 2 nichts. Damit ist die Berufsvorsorgeeinrichtung auf Grund der von Gesetz und Verordnung geschaffenen Ordnung durch die unfallversicherungsrechtliche Anspruchsbeurteilung direkter berührt als beispielsweise das für die Ausrichtung von Sozialhilfe zuständige Gemeinwesen, dessen mögliche Beanspruchung davon abhängt, ob die Leistungseinstellung den Existenzbedarf der versicherten Person gefährdet. Dasselbe gilt im Vergleich mit anderen Dritten, deren Rechtsmittellegitimation durch die Gerichtspraxis verneint wurde (vgl. auch die weiteren Beispiele in BGE 114 V 94 E. 3b S. 97 f.). So ergibt sich die Möglichkeit zur Leistungskürzung für einen Privatversicherer nicht unmittelbar aus der Verfügung in Verbindung mit Gesetz und Verordnung, sondern aus der konkreten Vereinbarung über Voraussetzungen, Umfang und Grenzen der Leistungspflicht. Ebenso ist der Arbeitgeber insoweit zur Anfechtung eines Entscheids des Unfallversicherers legitimiert, als sich dessen zur Diskussion stehende Leistung typischerweise auf die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht nach Art. 324a und 324b OR auswirkt, was beim UVG-Taggeld, nicht aber bei der UVG-Rente zutrifft (vgl. BGE 131 V 298 E. 5.3.2 und 5.3.3 S. 302 f.). Ähnliche Überlegungen lassen sich zur Legitimation des obligatorischen Krankenpflegeversicherers im Verfahren der Invalidenversicherung anführen (vgl. Art. 88quater IVV und BGE 114 V 94 E. 3e S. 100). Mit Blick auf diese in der bisherigen Rechtsprechung zum Ausdruck gelangenden allgemeinen Kriterien, aber auch unter Berücksichtigung derjenigen Urteile, welche die hier zu beurteilende Konstellation oder vergleichbare Sachverhalte betrafen, ist die Frage, ob der Vorsorgeeinrichtung, welche eine Invalidenrente nach BVG auszurichten hat, aus der (ganzen oder teilweisen) Leistungsverweigerung durch den Unfallversicherer ein unmittelbarer Nachteil erwachse (E. 5.3.2 hiervor), zu bejahen. Die aus dieser Beurteilung folgende Einräumung einer Beschwerdelegitimation gewährleistet die materiellrechtliche Leistungskoordination unter Wahrung der Interessen der nachleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung und verhindert widersprüchliche Beurteilungen zum Nachteil der versicherten Person. Nicht entscheidend kann in diesem Zusammenhang sein, ob die Vorsorgeeinrichtung bereits Leistungen erbringt oder ob die erstmalige Leistungsfestsetzung zur Diskussion steht (vgl. mit Bezug auf Komplementärrenten der Unfallversicherung JEAN-MAURICE FRÉSARD/MARGIT MOSER-SZELESS, L'assurance- accidents obligatoire, in: Schweizerisches Bundessozialversicherungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel 2007, Rz. 694 S. 1027).
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